Immer wieder kommt es vor, dass geschickte Diebe einem EC-Karte und Ausweispapiere entwenden und dann mit Hilfe dieser Unterlagen die Konten ihrer Opfer „abräumen“. Die Frage ist dann regelmäßig, ob die Bank oder der Kunde für den eingetretenen Schaden haftet.

Das Landgericht Bonn hat durch Urteil vom 23.08.2005 – Az: 3 O 126/05 – entschieden, dass eine Bank für unberechtigte Barabhebungen am Kassenschalter haftet, wenn dem Kontoinhaber seine EC-Karte und der Personalausweis abhanden gekommen sind und der Bank bei ordnungsgemäßer Legitimationsprüfung im Rahmen der Abhebung am Kassenschalter hätte auffallen müssen, dass der Täter nicht mit dem Kontoinhaber identisch ist.

Zum rechtlichen Hintergrund

Zahlt die Bank Geld vom Konto ihres Kunden, hat sie gegen diesen regelmäßig einen sog. Aufwendungsersatzanspruch, wenn die Auszahlung von ihm beauftragt wurde.

Hebt jemand am Geldautomaten mit ec-Karte und PIN des Geschädigten ab, so wird regelmäßig vermutet, dass es sich um den Bankkunden selbst handelte, so dass der Bank ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Kunden in Höhe der ausgezahlten Beträge zusteht. Kann der Kunde beweisen, die Abhebung nicht selbst getätigt zu haben, weil ihm die ec-Karte abhanden gekommen ist, so steht der Bank zwar kein Aufwendungsersatzanspruch, aber ein Schadenersatzanspruch gegen den Kunden in gleicher Höhe zu. Denn – so die Argumentation der Banken – regelmäßig sei davon auszugehen, dass der Täter nur durch Nachlässigkeit des Bankkunden in den Besitz der PIN gekommen sein kann, weil der Kunde entgegen seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Bank ec-Karte und PIN nicht separat aufbewahrt hat. Zwar kann man an der Richtigkeit dieser Annahme zweifeln, weil die Täter teilweise trickreich mit vormontierten Lesegeräten am ec-Automaten die Kartendaten kopieren und die PIN entweder ausspähen oder mit versteckter Kamera ermitteln können. Dennoch geht die höchstrichterliche Rechtsprechung immer noch davon aus, dass das ec-Kartensystem sicher ist, weil die PIN – angeblich – nur durch fahrlässigen Umgang des Kunden mit seiner PIN zu ermitteln sei  (vgl. zuletzt BGH, Urteil
v. 05.10.2004, Az. XI ZR 210/03). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass bei Abhebungen am Automaten die Bank abgesehen von der PIN keine Möglichkeit hat, sich der Identität des Abhebenden mit dem Kontoinhaber zu versichern. Sie geht vielmehr aufgrund der dem Kunden aufgebürdeten Aufbewahrungs- und Geheimhaltungspflichten davon aus, dass nur er die PIN kennt und deshalb der einzige ist, der Geld abheben kann.

Hebt der Täter hingegen den Geldbetrag unter Vorlage von ec-Karte und Personalausweis am Kassenschalter ab, kann die Bank sich durch eine Legitimationsprüfung des Kassenmitarbeiters (Abgleich der Unterschrift mit der hinterlegten Unterschrift, Überprüfung des Aussehens anhand des Personalausweises etc.) vergewissern, dass der Kontoinhaber oder ein anderer Berechtigter die Abhebung tätigt. Obwohl man annehmen möchte, dass die Kontrolle von Aussehen und Unterschrift genügen sollte, um Missbrauch auszuschließen, konnte im vergangenen Jahr allein in Bonn in zwölf Fällen ein Täter Geld vom Konto seiner Opfer abheben, ohne dass die Bankmitarbeiter auch nur in einem Fall die Auszahlung verweigert hätten! Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen.  

Der Fall

Dem von der Bonner Rechtsanwaltssozietät Meyer-Köring v.Danwitz Privat vertretenen Kläger wurden Personalausweis und EC-Karte entwendet, was der Kläger erst nach einigen Tagen bemerkte. Unter welchen Umständen Karte und Personalausweis abhanden kamen, steht nicht genau fest. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass die Dokumente höchstwahrscheinlich aus dem Büro des Klägers entwendet wurden, wo der Kläger sie regelmäßig in einem verschlossenen Schrank aufbewahrte. Der Schrank wies allerdings keine Aufbruchspuren auf. Mit Hilfe von ec-Karte und Personalausweis seines Opfers hob der Täter dann binnen einer Stunde in vier Filialen der Bank insgesamt 40.000,00 € ab. Die Höhe der Abhebungen resultierte mutmaßlich daher, dass der Täter mit der ec-Karte des Klägers am Kontoauszugsdrucker ohne Weiteres den Kontostand ermitteln und „passend“ abheben konnte. Bei einer PIN-Abfrage am Auszugsdrucker wäre der Schaden wahrscheinlich viel geringer gewesen, weil der Täter dann nicht riskiert hätte, durch zu hohe Abhebungen aufzufliegen, sondern vermutlich nur Kleinbeträge abgehoben hätte. Aufgrund des problemlos zu ermittelnden Kontostandes brauchte der Täter jedoch nicht zu fürchten, über den Deckungsrahmen des Kontos hinaus abzuheben. Er teilte die Abhebung des Gesamtbetrages vermutlich nur deshalb auf, um bei den einzelnen Abhebungen nicht über die meldepflichtigen Grenzen des Geldwäschegesetzes hinaus zu gehen und damit intensiver kontrolliert zu werden Die Bank belastete das Konto mit den Auszahlungen.

Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, die Bank sei nicht zur Belastung seines Kontos berechtigt und verlangte Rückbuchung dieser Beträge.

Die Bank behauptete, der Kunde habe seine ec-Karte und den Personalausweis nicht getrennt voneinander aufbewahrt und auch nicht weggeschlossen. Der Schrank zeige keine Aufbruchspuren, sei also wohl nicht verschlossen gewesen. Durch den fahrlässigen Umgang mit den Dokumenten habe der Kläger den Missbrauch der Karte überhaupt erst ermöglicht.

Die Entscheidung des Gerichts

Nach dem (allerdings noch nicht rechtskräftigen) Urteil des Landgerichts Bonn vom 23.08.2005 – 3 O 126/05 – darf die Bank das Konto ihres Kunden nicht mit den ausgezahlten Beträgen belasten, wenn fest steht, dass nicht der Kunde die Abhebung getätigt hat und im Rahmen einer ordnungsgemäßen Legitimationsprüfung der Bank Zweifel an der Identität des Abhebenden hätten kommen müssen.

Das Landgericht Bonn widersprach zunächst der Auffassung der Bank, ein Kunde müsse EC-Karte und Personalausweis regelmäßig getrennt voneinander aufbewahren. Es sei üblich, diese Papiere gemeinsam aufzubewahren und auch schlecht vorstellbar, wie man diese ständig benötigten Dokumente getrennt aufbewahren zugleich aber ständig mit sich führen soll. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:

          „Eine Verpflichtung zur getrennten Aufbewahrung von Personalausweis und SparkassenCard besteht nicht. … Wenn Beschäftigte persönliche Gegenstände auch wertvoller Art zu ihrem Arbeitsplatz mitnehmen, welche sie erlaubterweise und typischerweise dorthin mitzunehmen pflegen, müssen sie nicht gegen jeden erdenklichen unbefugten Zugriff, sondern nur im Rahmen des Vorhersehbaren und Zumutbaren, Vorkehrung treffen. … SparkassenCard und Personalausweis gehören zu den persönlichen Wertgegenständen, welche Beschäftigte erlaubterweise und typischerweise zu ihrem Arbeitsplatz mitzunehmen pflegen.“

Ein Schadenersatzansprüche begründender Vorwurf könnte allenfalls darin zu sehen sein, dass der Kunde die Papiere unbeaufsichtigt gelassen und damit den Zugriff des Täters überhaupt erst ermöglicht habe. Der Kläger hatte in dem entschiedenen Fall substantiiert vorgetragen, die Papiere in seinem Büro regelmäßig in einem verschlossenen Schrank aufzubewahren. Die Beweislast dafür, dass dies zum Zeitpunkt der Tat anders gewesen sein soll, trägt die Bank. Der Gegenbeweis ist praktisch nicht zu führen. Aber selbst dann, wenn der Bank der Nachweis eines fahrlässigen Umgangs des Kunden mit seiner ec-Karte gelänge, trete dieser vorliegend wegen gravierender Pflichtverletzungen der Bank in den Hintergrund:

          „Es liegt im Pflichtenkreis des Kreditinstituts, sich selbst und den Kunden durch zusätzliche Maßnahmen gegen Barauszahlungen an Nichtberechtigte zu schützen, dies um so mehr, je höher der abzuhebende Betrag ist und je weiter er von den Gepflogenheiten des Kontoinhabers abweicht.“

So hätten die Mitarbeiter die Abweichungen der Unterschriften erkennen und entsprechend reagieren müssen. Ihnen hätte sich auch angesichts der in kurzer zeitlicher Abfolge liegenden Abhebungen der Verdacht aufdrängen müssen, dass es sich um einen Serientäter handelt. Die Bank wandte hiergegen zwar ein, die Ermittlung vorangegangener Abhebungen sei technisch sehr aufwändig, dies kann nach Auffassung des Gerichts aber allenfalls die Mitarbeiter, nicht die Bank selbst entlasten, der insoweit ein Organisationsverschulden zur Last fiele. Das Landgericht Bonn stellt fest:

          „Die Kunden von Banken und Sparkassen sind in besonderer Weise auf die ordnungsgemäße Durchführung der auch zu ihrem Schutz durchgeführten Identitätsprüfung am Schalter angewiesen. Sie vertrauen darauf, dass Auszahlungsvorgänge seriös und zuverlässig eingerichtet und abgewickelt und dabei auch etwaige Versäumnisse des Kunden mit aufgefangen werden, wo dies möglich und zumutbar ist. Für diese Erwartung zahlen sie ein Entgelt, und darin werden sie durch die Eigendarstellung der Kreditwirtschaft bestärkt.“

Konsequenz für die Praxis

Bankkunden kann kein Vorwurf daraus gemacht werden, wenn sie EC-Karte und Personalausweis gemeinsam aufbewahren und z.B. auch mit zur Arbeit nehmen. Gleichwohl sollten sie die Dokumente keinesfalls für Dritte zugänglich aufzubewahren, sondern diese Papiere entweder am Körper zu tragen oder routinemäßig – auch und gerade im Büro – verschließen.

Bankinstitute sollten darauf achten, dass ihre Mitarbeiter die Legitimationsprüfung ordnungsgemäß durchführen und dies regelmäßig auch durch hausinterne Schulungen und Kontrollen überprüfen. Soweit technisch möglich, ist Banken außerdem zu empfehlen, grundsätzlich bei mehreren Abhebungen an einem Tag dem Kassierer einen Warnhinweis einzublenden, damit dieser entsprechend reagieren kann. Verbleiben im Rahmen der Legitimationsprüfung Zweifel, sollten Banken lieber einmal zu oft als einmal zu selten den Kunden abweisen und ggf. an dessen kontoführende Filiale verweisen, wo man den Kunden persönlich kennt. Allerdings müssen Kunden dafür auch Verständnis aufbringen, erfolgen diese Maßnahmen letztlich zu ihrem Schutz.

Rechtsanwalt Knauss:

„Mit diesem Urteil wird klargestellt, dass die Legitimationsprüfung am Bankschalter nicht nur eine Formalität ist. Wenn Banken die Kontrollen aus Gründen der Effizienz oder Kostenersparnis nicht mit der gebotenen Gründlichkeit durchführen, müssen sie umgekehrt auch das Risiko unberechtigter Auszahlungen tragen. Auch ist es unverständlich, warum Banken den Tätern die Ermittlung des Kontostandes erleichtern und Kontoauszugsdrucker nicht grundsätzlich die PIN des Kunden abfragen.“.

 

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • Anwalt des Jahres in NRW (Alexander Knauss) für Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2022)

  • TOP-Kanzlei für Bank- und Finanzrecht 
    (WirtschaftsWoche 2022)

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