04.03.2022

Hauptversammlungen ausschließlich virtuell abzuhalten, hatte während der COVID-19-Pandemie der Gesetzgeber für einen begrenzten Zeitraum ermöglicht. Entsprechend wurden auch zahlreiche Hauptversammlungen in den letzten Pandemie-Jahren über Zoom, BigBlueButton, Skype, Microsoft Teams, GoToMeeting u.Ä. abgehalten.

Aufgrund der hiermit einhergegangenen positiven Resonanz am Markt und der stetig fortschreitenden Digitalisierung des Aktienrechts soll nun auch die virtuelle Hauptversammlung als dauerhafte Regelung im Aktiengesetz (AktG) verankert werden. Das Bundesministerium der Justiz hat daher am 9. Februar 2022 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften veröffentlicht und an die Länder und Verbände zum Zwecke der Stellungnahme versendet. Bis einschließlich 11. März 2022 haben nun die Bundesländer und Verbände Gelegenheit, Stellung zum Referentenentwurf „Hauptversammlung 4.0“ zu nehmen.


Virtuelle Hauptversammlungen als Folge der COVID-19-Krise (credit:adobestock)

Virtuelle Hauptversammlungen als Folge der COVID-19-Krise

Durch das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) haben deutsche Aktiengesellschaften und ähnliche Rechtsformen in der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit erhalten, ihre Versammlungen ausschließlich virtuell abzuhalten, ohne dass sämtliche Aktionäre in Person – also in physischer Präsenz – vor Ort sein mussten. Das GesRuaCOVBekG tritt allerdings mit Ablauf des 31. August 2022 außer Kraft.

Virtuelle Hauptversammlungen als Folge des Digitalisierungssprungs 4.0

Damit nun die Aktiengesellschaft in Zukunft dauerhaft von der virtuellen Hauptversammlung als weitere Form der Versammlung der Aktionäre Gebrauch machen kann, soll im AktG eine Möglichkeit dafür geschaffen werden, dass die Satzung der Aktiengesellschaft entsprechende Bestimmungen oder Ermächtigungen des Vorstands vorsehen kann.

Aus den Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen des GesRuaCOVBekG soll die digitale Abhaltung einer Hauptversammlung jedoch (1.) an einige Voraussetzungen geknüpft und (2.) für die einzelnen Rechte der Aktionäre festgelegt werden, wann und in welcher Form diese im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung ausgeübt werden können. Dem Umstand, dass sich die für die Versammlung relevanten Informations- und Entscheidungsprozesse immer mehr ins Vorfeld der Hauptversammlung verlagern, kommt der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums insoweit nach, dass er auch die Ausübung dieser Aktionärsrechte zum Teil in das Vorfeld verlagert. Der Ablauf und der Prozess der Hauptversammlung sollen dadurch entzerrt und die Auskunftsmöglichkeiten der einzelnen Aktionäre gestärkt werden.

Regelungen des Referentenentwurfs – § 118a AktG-RefE

  • Der § 118a AktG n.F. soll die zentrale Vorschrift der virtuellen Hauptversammlung werden. Die Entscheidung für die virtuelle Hauptversammlung bedarf einer Grundlage in der Satzung, sodass letztlich die Aktionäre über deren Format entscheiden. Die Präsenzversammlung bildet demnach weiterhin die Grundform der Hauptversammlung. Die Regelung in der Satzung oder eine entsprechende Vorstandsermächtigung muss auf bis zu fünf Jahre befristet werden.
  • Die Abhaltung der Versammlung als virtuelle Hauptversammlung soll zum Schutz der Aktionäre unter anderem an die nachstehenden Bedingungen geknüpft werden:

✔️ Eine elektronische Stimmrechtsausübung der Aktionäre ist zu ermöglichen.

✔️ Die gesamte Hauptversammlung ist in Bild und Ton zu übertragen.

✔️ Aktionäre müssen ihre Anträge in der Versammlung elektronisch stellen können.

✔️ Aktionäre erhalten ein Auskunftsrecht im Wege elektronischer Kommunikation. Dieses Auskunftsrecht kann – wie schon in der Präsenzversammlung – im Versammlungstermin gewährt werden. Der Vorstand kann aber entscheiden, dass Aktionärsfragen bis spätestens vier Tage vor dem Versammlungstermin einzureichen sind. Macht der Vorstand hiervon Gebrauch, erhalten die Aktionäre in der Versammlung ein Nachfragerecht.

✔️ Allen Aktionären wird es ermöglicht, Stellungnahmen im Vorfeld der Versammlung einzureichen, die dann sämtlichen Aktionären zugänglich zu machen sind.

✔️ Zur Verbesserung der Transparenz ist der Bericht des Vorstands oder dessen wesentlicher Inhalt vor der Versammlung den Aktionären zugänglich zu machen.

✔️ Es ist den elektronisch zur Versammlung zugeschalteten Aktionären eine Widerspruchsmöglichkeit einzuräumen.

✔️ Es wird eine Redemöglichkeit in der Versammlung für sämtliche Aktionäre im Wege der Videokommunikation vorgesehen. Damit diese Videokommunikation für die Emittenten beherrschbar bleibt, wird der Gebrauch an ein Vorverfahren geknüpft.

  • Die Abhaltung der Versammlung als virtuelle Hauptversammlung soll zum Schutz der Aktionäre unter anderem an die nachstehenden Bedingungen geknüpft werden:Die virtuelle Hauptversammlung enthält keine Einschränkung hinsichtlich in ihr zu behandelnder Gegenstände. Um zudem die Anfechtungsrisiken – etwa durch räuberische Aktionäre –abzufedern, werden die bestehenden aktiengesetzlichen Vorschriften, die Anfechtungsmöglichkeiten im Falle von technischen Störungen begrenzen, auf die virtuelle Hauptversammlung ausgedehnt.
  • Neben der Aktiengesellschaft (AG) erfasst der Referentenentwurf auch die Versammlungen der verwandten Rechtsformen: Europäische Aktiengesellschaft (SE), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) sowie den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG). Ferner greifen die Neuregelungen für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften sowie börsennotierte Aktiengesellschaften ein.

Fazit

Der Gesetzgeber hat sich dem Thema der Digitalisierung des Aktienrechts, insbesondere hinsichtlich der Hauptversammlung angenommen. Das ist im Zeitalter des weiteren Digitalisierungssprungs begrüßenswert. Vor allem ist es erfreulich, dass im Rahmen des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften der Gesetzgeber die vor allem von Aktionären und Wissenschaft geäußerte Kritik an den aktuellen Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung durch das GesRuaCOVBekG in den Blick genommen hat.

Sollte § 118a AktG-RefE in der oder in einer vergleichbaren Form in das deutsche AktG Einzug nehmen, wäre der Gesetzgeber den praktischen Bedürfnissen und Interessen sämtlicher Beteiligter nachgekommen. Für die Aktiengesellschaft und ihre Managementebene wären dann künftig – unabhängig von der „Corona“-Pandemie – kostengünstigere und logistisch unkompliziertere virtuelle Hauptversammlungen möglich. Zugleich würden aufgrund der oben genannten – von § 118a AktG-RefE bestimmten – Voraussetzungen die Interessen von sämtlichen, aber vor allem von den Minderheitsaktionären angemessen gewahrt, ohne hierbei Tür und Tor für räuberische Aktionäre zu öffnen.
In welcher Gestalt nun § 118a AktG-RefE zum Gesetz wird, bleibt abzuwarten. Nicht selten erfährt der Referentenentwurf im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens – unter anderem wegen der angestoßenen Diskussion mit den Ländern und Verbänden – noch inhaltliche Anpassungen.

Sollten Sie Fragen im Zusammenhang mit virtuellen Hauptversammlungen oder andern gesellschaftsrechtlichen Themen haben, können Sie sich gerne an den Autor dieses Beitrags wenden.

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