21.06.2022

Der Gesellschafterversammlung kommt als wichtiges Entscheidungsorgan der GmbH eine zentrale Bedeutung zu. In ihr diskutieren die Gesellschafter über wesentliche Entscheidungen betreffend die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens. Die Ergebnisse dieser Diskussionen werden in Form von Gesellschafterbeschlüssen festgehalten. Neben der Entscheidung über die Bestellung oder Abberufung des GmbH-Geschäftsführers ergehen auch Weisungen an die Geschäftsführer in Gestalt solcher Beschlüsse, sodass diese sowohl für die zukünftigen als auch die gegenwärtigen Geschicke der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind.


Der Gesellschafterversammlung kommt als wichtiges Entscheidungsorgan der GmbH eine zentrale Bedeutung zu. (credit:
adobestock)

Was sind die Besonderheiten des GmbH-Beschlussmängelrechts?

Trotz erheblicher praktischer Relevanz von Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH, fehlt es bis heute an einer, auf die speziellen Bedürfnisse der GmbH angepassten, ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zum GmbH-Beschlussmängelrecht.

Vielmehr erfolgt ein Rückgriff auf die Vorschriften über fehlerhafte Beschlüsse in einer Hauptversammlung der Aktiengesellschaft aus dem AktG (§§ 241 ff. AktG analog), und zwar unter teilweiser Modifizierung mit Blick auf das Wesen der GmbH. Im Ergebnis besteht somit ein schwer zu überblickender Katalog an formellen und materiellen Voraussetzungen, die ein rechtmäßiger Gesellschafterbeschluss zu erfüllen hat.

Als Rechtsbehelfe bei fehlerhaften Beschlüssen stehen die Anfechtungsklage sowie in Ausnahmefällen – also bei gravierenden Beschlussmängeln – die Nichtigkeitsklage zur Verfügung. Die Beschlussfassung im Rahmen einer Gesellschafterversammlung stellt ein komplexes Gefüge unterschiedlicher rechtlicher Anforderungen dar. In erster Linie ergeben sich eine Reihe formeller Vorschriften, deren Nichteinhaltung einen Beschlussmangel hervorrufen kann. Daneben kann auch der Inhalt des Beschlusses rechtswidrig sein, was wiederrum die materielle Rechtswidrigkeit des Beschlusses grundsätzlich zur Folge hat

Unter welchen Mängeln kann ein Gesellschafterbeschluss konkret leiden?

Zunächst gilt es, eine Reihe von Formalien zu beachten, wenn man die Anfechtbarkeit oder gar die Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses vermeiden möchte. Im ersten Schritt muss hierzu die Gesellschafterversammlung durch die Geschäftsführung ordnungsgemäß einberufen werden. Das Gesetz sieht in § 51 Abs. 1 GmbHG eine Einladung mittels Einschreiben spätestens eine Woche vor Beginn der Gesellschafterversammlung vor. Hiervon kann durch den Gesellschaftsvertrag jedoch abgewichen werden, was in praxi häufig geschieht, sodass auch eine Einberufung per E-Mail möglich sein kann. Bereits an dieser Stelle können also weitreichende Fehler auftreten. Neben einer Fristversäumnis oder der Einberufung durch einen Unbefugten ist auch an eine fehlende Einladung für einen oder mehrere Teilnahmeberechtigte zu denken. Ferner können Angaben zu Ort und Zeit der Versammlung Fehler aufweisen oder sogar gänzlich fehlen.

Auch im weiteren Ablauf der Gesellschafterversammlung können formelle Fehler auftreten und zu einem Beschlussmangel führen. Dabei ist beispielsweise an unberechtigte Ordnungsmaßnahmen durch den Versammlungsleiter, die etwa einen Ausschluss eines Gesellschafters zum Gegenstand haben können, oder an die Anwesenheit einer nicht teilnahmeberechtigten Person zu denken.

Besonders fehleranfällig und damit häufig Gegenstand gerichtlicher Verfahren ist die Phase der Abstimmung und anschließenden Beschlussfeststellung. Nach § 47 Abs. 1 GmbHG kommen Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zustande, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes vorsieht oder der Beschlussgegenstand einer Satzungsänderung bedarf. Dabei gewährt jeder Euro eines Geschäftsanteils jeweils eine Stimme (§ 47 Abs. 2 GmbHG), wobei auch hier abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag möglich sind. Verbreitete Fehlerquellen sind in diesem Zusammenhang vor allem die Ungültigkeit der abgegebenen Stimmen (z.B. aufgrund von Stimmverboten oder Stimmbindungen), fehlende Vollmachten von Vertretern oder ein Abstimmungsverhalten als Verstoß gegen die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft.

Für die Beschlussfeststellung ist der Versammlungsleiter zuständig, der entweder schon im Gesellschaftsvertrag benannt oder mit der Mehrheit der Gesellschafter zu Beginn der Versammlung gewählt wurde. Auch ihm können Fehler unterlaufen, und zwar indem er etwa von einem falschen Mehrheitserfordernis ausgeht oder sich schlicht bei der Auswertung der Stimmen verzählt.

Bei satzungsändernden Beschlüssen ist zudem zu beachten, dass sie zu ihrer Wirksamkeit einer notariellen Beurkundung bedürfen.

Neben diesen formellen Voraussetzungen muss der Beschluss auch seinem Inhalt nach, d.h., materiell rechtmäßig sein. Die materielle Rechtswidrigkeit kann sich zunächst aus einem Verstoß gegen jedes Gesetz ergeben. Darüber hinaus sind auch solche Beschlüsse grundsätzlich rechtswidrig, die im Widerspruch zu einer Regelung des Gesellschaftsvertrags stehen. Weitere Ursachen können beispielsweise Treuepflichtverstöße oder die Sittenwidrigkeit des Beschlussinhaltes sein.

Wann ist ein Beschluss nichtig? Was gilt es bei einer Nichtigkeitsklage zu beachten?

Die Nichtigkeit eines Beschlusses kommt nur bei gravierenden Beschlussmängeln in Betracht und bildet in der Praxis die Ausnahme. Von den soeben genannten formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen können die Einberufung durch einen Unbefugten, die Nichtladung eines Berechtigten oder Einberufungsmängel, die einer solchen in ihrem Ausmaß gleichkommen, sowie die Nichteinhaltung des Beurkundungserfordernisses zur Nichtigkeit des Beschlusses im Einzelfall führen.

Materielle Beschlussmängel haben die Nichtigkeit des Beschlusses im Gepäck, wenn der Inhalt einen Verstoß gegen zwingende Gläubigerschutzvorschriften oder Normen, deren Zweck im Schutz des öffentlichen Interesses liegt (StGB, GWB, steuerrechtliche Vorschriften etc.), darstellt. Daneben ist auch die Sittenwidrigkeit des Inhalts des Beschlusses in Sonderfällen als Nichtigkeitsgrund anerkannt.

Ist einer der soeben genannten Nichtigkeitsgründe einschlägig, können nicht nur die Gesellschafter, sondern auch die Geschäftsführer der GmbH Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses erheben. Eine Frist für diese Klage existiert grundsätzlich nicht, kann sich aber unter anderem aus dem Institut der Verwirkung (§ 242 BGB) ergeben.

Wann kann Anfechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluss erhoben werden?

In den meisten Fällen wird der Gesellschafterbeschluss lediglich anfechtbar sein. Dies trifft auf die weit überwiegende Zahl der formellen Beschlussmängel zu. Zu nennen sind hier etwa Fehler bei der Einberufung, sofern sie nicht einer Nichtladung gleichkommen, rechtswidrige Ordnungsmaßnahmen des Versammlungsleiters oder Fehler bei der Abstimmung oder der Beschlussfeststellung. Dabei hat man im Hinterkopf zu behalten, dass nicht jeder formelle Beschlussmangel auch die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründet. Als Einschränkung insoweit muss grundsätzlich ein sog. „Erheblichkeitszusammenhang“ zwischen dem Fehler und dem Beschlussergebnis bestehen. Dies setzt voraus, dass durch den Verfahrensverstoß ein Gesellschafter in einem Teilnahme- und Mitwirkungsrecht beeinträchtigt wurde und die Legitimationsgrundlage für den Beschluss aus diesem Grund gestört ist. Die Rechtsprechung stellt hier allerdings keine allzu hohen Anforderungen und lässt es genügen, wenn jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Verfahrensfehler auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat.

Als materielle Anfechtungsgründe kommen grundsätzlich sämtliche Verstöße gegen das Gesetz, sofern diese nicht bereits die Nichtigkeit des Beschlusses begründen, sowie gegen den Gesellschaftsvertrag in Betracht. Daneben kann auch ein Abstimmungsverhalten entgegen einer vorherigen Verständigung sämtlicher Gesellschafter auf eine bestimmte Entscheidungsoption einen Anfechtungsgrund darstellen, sofern die Gesellschafter bei dieser mit Rechtbindungswillen handelten.

Anfechtungsbefugt sind im Gegensatz zu einer Nichtigkeitsklage nur die Gesellschafter und grundsätzlich nicht die Geschäftsführer. Auf eine vorherige Teilnahme an der entsprechenden Gesellschafterversammlung kommt es hierzu nicht an. Die Anfechtungsbefugnis entfällt allerdings für solche Gesellschafter, die zuvor den Beschluss gebilligt haben, was insbesondere dann der Fall ist, wenn sie für diesen Beschluss gestimmt haben. Klagegegner ist die GmbH selbst, die grundsätzlich durch ihre Geschäftsführung vertreten wird. In Orientierung an § 246 Abs. 1 AktG, der zwar keine direkte Anwendung auf die Anfechtungsklage bei der GmbH findet, aber dennoch eine Leitbildfunktion einnimmt, muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung erhoben werden, sofern keine speziellen Umstände im Einzelfall (z.B. das Durchlaufen eines Mediationsverfahrens) eine Verzögerung rechtfertigen. Hiervon kann der Gesellschaftsvertrag wiederrum eine abweichende Regelung enthalten. Inhaltlich muss die Klage zumindest den Tatsachenkern sämtlicher Anfechtungsgründe enthalten, weil ein Nachschieben von Gründen grundsätzlich nicht ohne Weiteres möglich ist. Zuständiges Gericht ist grundsätzlich das Landgericht des Bezirkes, in dem der Sitz der Gesellschaft liegt.

Ist eine Heilung nichtiger oder anfechtbarer Beschlüsse möglich?

Eine Heilung von Nichtigkeitsgründen ist unter analoger Anwendung des § 242 AktG grundsätzlich möglich. Nach § 242 Abs. 1 AktG analog können daher Beurkundungsmängel durch einen Eintrag im Handelsregister geheilt werden. Für Einberufungsmängel sieht § 242 Abs. 2 Satz 4 AktG vor, dass diese Mängel durch nachträgliche Zustimmung des nicht ordnungsgemäß geladenen Gesellschafters möglich sind. Schließlich tritt bei Beschlüssen, die bereits länger als 3 Jahre im Handelsregister eingetragen sind, aus Gründen der Rechtssicherheit nach § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG analog Heilung ein.

Für Anfechtungsgründe ergibt sich zunächst aus § 51 Abs. 3 GmbHG, dass ein Einberufungsmangel geheilt werden kann, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend und mit der Durchführung der Versammlung einschließlich der Beschlussfassung einverstanden sind. Des Weiteren können Verstöße gegen die Teilnahme- und Informationsrechte durch unrechtmäßige Ordnungsmaßnahmen durch eine nachträgliche Genehmigung des Beschlusses durch den betroffenen Gesellschafter geheilt werden.

Fazit

Gesellschafterbeschlüsse bergen nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen formellen Anforderungen ein hohes Risiko nach Beschlussfassung anfechtbar oder sogar nichtig zu sein. Im Interesse der Gesellschaft sollte daher viel Wert auf eine sorgfältige Vorbereitung gelegt und während des gesamten Ablaufs der Gesellschafterversammlung ein strenger Blick auf die Einhaltung sämtlicher formeller Anforderungen gelegt werden. Hierzu ist etwa eine vollständige Protokollierung des Ablaufs zu empfehlen.

Auf der anderen Seite bieten sich für Gesellschafter, die bei der Beschlussfassung in unrechtmäßiger Weise übergangen wurden, die Gelegenheit den streitigen Beschluss noch ex-post zu „kassieren“. Hierbei ist wiederrum auf die Beweisbarkeit der angeführten Anfechtungs- und/oder Nichtigkeitsgründe sowie die Einhaltung der Anfechtungsfrist oder einer etwaigen Verwirkung bei der Nichtigkeitsklage zu achten. Insgesamt stellen die Beschlussmängelklagen ein effektives Mittel zugunsten des Gesellschafters dar, seine gesellschaftsrechtlichen Rechte und Interessen wirksam durchzusetzen. Dies insbesondere für den Minderheitsgesellschafter oder bei Gesellschafterstreitigkeiten als solche. Zu empfehlen ist dabei stets, dass sich frühzeitig professionelle Rechtsberatung einzuholen.

Bei Fragen zum oben stehenden Thema oder zu sonstigen gesellschaftsrechtlichen Themen können Sie sich gerne unmittelbar an den Autor dieses Beitrages wenden. Wir beraten und vertreten Sie nicht nur bundesweit, sondern auch grenzüberschreitend.

Autoren:
Rechtsanwalt Dr. Karl Brock
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Constantin Dorschu

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