Ein beliebtes Sicherungsinstrument der Banken sind so genannte Ehegattenbürgschaften oder auch Angehörigenbürgschaften. In diesem Fall lässt sich eine Bank bei Ausreichung eines Kredits zugleich auch Bürgschaften von Familienangehörigen – vornehmlich Ehegatten – geben, obwohl diese von dem eigentlichen Kreditverhältnis, wobei es sich häufig um betriebliche Kredite handelt, nicht berührt sind. Kann dann der eigentliche Kreditnehmer den Kredit nicht mehr zurückzahlen, stehen häufig die unbeteiligten Ehefrauen in der Schusslinie der Banken.

Unter Berufung auf die so genannte Privatautonomie („Jeder ist für das selbst verantwortlich, für das er unterschreibt“) lehnten die Gerichte früher die Sittenwidrigkeit solcher Ehegattenbürgschaften regelmäßig ab. Dem war das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 19.10.1993 entgegengetreten und hiernach änderte auch der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung.

Wir hatten hierauf bspw. in unserem Beitrag vom 06.06.2003 (auf dieser Homepage) wie folgt hingewiesen:

Der elfte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in einem Beschluss vom 11. Februar 2003 (XI ZR 113/02), seine neuere Rechtsprechung zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer (Ehegatten-) Bürgschaft wegen „krasser finanzieller Überforderung“ bestätigt. Wer eine derartige Bürgschaft abgegeben hat, bekommt jetzt durch den BGH einen recht gesicherten Leitfaden in die Hand, um die Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsversprechens anhand weniger Kriterien abzuprüfen. Die Entscheidung reiht sich nahtlos ein in die Urteile desselben Senats vom 14. Mai 2002 (Az. XI ZR 81/01) und 28. Mai 2002 (XI ZR 199/01), so dass heute von einer gesicherten Rechtssprechung ausgegangen werden kann.

  • Danach ist bei der Beurteilung der krassen finanziellen Überforderung von Bürgen und Mithaftenden zunächst einmal ein schuldrechtlicher Befreiungsanspruch des in Anspruch genommenen Bürgen gegen den Hauptschuldner, also ein Rückgriffsanspruch gegen denjenigen, für dessen Schuld die Bürgschaft übernommen wurde, außer Betracht zu lassen.
  • Sodann ist das pfändbare Vermögen in der Weise zu berücksichtigen, dass der um valutierende dingliche Belastungen verminderte Wert des Vermögens, also das durch tatsächlich bestehende Schulden verringerte Vermögen, von der Bürgschaftsschuld oder mitübernommenen Schuld abgezogen wird (bspw. Grundstückswert abzüglich der durch Grundschulden abgesicherten und noch offenen Schulden).
  • Wenn der zu ermittelnde pfändbare Teil des Einkommens des Bürgen oder Mithaftenden die auf den so ermittelten Schuldbetrag entfallenden laufenden Zinsen voraussichtlich nicht abdeckt, liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor.

Dennoch haben sich immer noch eine Vielzahl von Gerichten mit der Frage nach der Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften zu befassen, so auch in seiner jüngsten Entscheidung vom 24.08.2005 das OLG Celle (die Entscheidung erging in einem PKH-Beschluss, Az. 3 W 119/05).

Der zu entscheidende Fall:

Die klagende Bank nimmt die beklagte Ehefrau als Bürgin in Anspruch. Der Ehemann der Beklagten hatte einen Darlehensvertrag über 100.000,00 DM mit dem Verwendungszweck „Betriebsmittelkredit“ abgeschlossen. Am gleichen Tag verbürgte sich die beklagte Ehefrau für Ansprüche der Volksbank aus diesem Kreditverhältnis selbstschuldnerisch bis zu einem Betrag von 20.000,00 DM. Sie war damals arbeitslos und einem Kind unterhaltspflichtig. Als die Bank sie nun aus der Bürgschaft in Anspruch nimmt, wendet die Beklagte ein, der Bürgschaftsvertrag sei sittenwidrig und damit nichtig. Sie sei krass finanziell überfordert.

Nachdem das Landgericht der klagenden Bank noch Recht gegeben hatte, gewährte das OLG Celle Prozesskostenhilfe wegen überwiegender Erfolgsaussichten auf Seiten der Beklagten.

Die Entscheidung:

Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverhältnissen sei die Frage nach dem

„krassen Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang einerseits und der Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner nahestehenden Bürgen andererseits“
zu stellen. Ein solches Mitverhältnis begründet, wenn der Bürge dem Hauptschuldner aufgrund einer Ehe oder einer vergleichbaren engen Beziehung emotional verbunden ist und sich deshalb bei der Bürgschaftsübernahme erfahrungsgemäß häufig nicht von einer rationalen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten lässt, bei geschäftsungewandten ebenso wie bei geschäftsgewandten Personen ohne Hinzutreten weiterer Umstände die widerlegliche tatsächliche Vermutung, dass das Kreditinstitut die emotionale Beziehung zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Bereits die Ehe selbst begründet diese Vermutung.

Diese widerlegliche Vermutung für die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit setzt eine krasse finanzielle Überforderung des dem Hauptschuldner emotional verbundenen Bürgen voraus. Zur Beantwortung der Frage, ob eine krasse finanzielle Überforderung vorliegt, kommt es auf

  • den maximalen Umfang der übernommenen Verpflichtung an,
  • die (voraussichtliche) finanzielle Leistungsfähigkeit bzw. -unfähigkeit des Bürgen sowie auf
  • das Vorliegen anderweitiger Sicherheiten des Kreditgebers, falls diese Sicherheiten geeignet sind, das Haftungsrisiko des Bürgen tatsächlich zu begrenzen.

Im zu entscheidenden Fall reichte der pfändungsfreie Einkommensteil der Beklagten nicht aus, um die sich aus der Bürgschaftsübernahme ergebenden monatlichen Zinsen zu bedienen. War damit aber schon vor Übernahme der Haftung davon auszugehen, dass die Beklagte mit Hilfe des pfändbaren Teils ihres Vermögens und Einkommens bei Eintritt des Sicherungsfalls voraussichtlich nicht einmal in der Lage sein würde, die auf die Bürgschaftsforderung entfallenden laufenden Zinsen auf Dauer aufzubringen, so war die Bürgschaftsverpflichtung wirtschaftlich unvernünftig und unsinnig.

Dabei sind auch Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind demgegenüber die Unterhaltspflichten des Ehemanns. Denn dem Gesetz (§ 850 c Abs. 1 ZPO) lässt sich eine Berücksichtigung nicht entnehmen. Es können vielmehr bei de Ehegatten den erhöhten pfändungsfreien Betrag in Anspruch nehmen, wenn sie beide auch dem gemeinschaftlichen Kind Unterhalt gewähren.

Zwar trifft es zu, dass anderweitige Sicherheiten das Haftungsrisiko des Bürgen begrenzen können, was aber nur gilt, wenn und so weit diese Sicherheiten werthaltig und geeignet sind, eine übermäßige Inanspruchnahme des Bürgen zu verhindern. Im zu entscheidenden Fall fehlte es hieran, weil das gemeinsame Hausgrundstück bis über die Wertgrenzen hinaus mit Grundpfandrechten belastet war.

Auch eine feste Wertgrenze, beispielsweise in Höhe eines festen Euro-Betrages, der die Sittenwidrigkeit immer ausschließen sollte, lehnt das OLG Celle ab. Im Gegensatz zum anders entscheidenden OLG Koblenz (NJW RR 2000, 639) soll es auf eine feste Wertgrenze (z.T. „kleine“ Bürgschaftsbeträge genannt) nicht ankommen. Jedenfalls dann, wenn der Bürge nur über relativ geringfügige Einkünfte verfügt, kann auch eine Schuld von – im entschiedenen Fall – 20.000,00 DM in dem genanten Sinn als nicht ganz gering anzusehen sein.

Diese Entscheidung des OLG Celle erhöht die Aussichten bürgender Ehegatten, sich von der im Hinblick auf das eheliche Verhältnis abgegebene Bürgschaftserklärung zu befreien. Den Banken andererseits bleibt nach dieser Rechtsprechung nichts anderes übrig, als die Vermögensverhältnisse potentieller Bürgen genau zu untersuchen. Die Beschränkung auf einen – wenn auch geringen – festen Euro-Betrag hilft bei geringer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Bürgen in aller Regel nicht, um eine wirksame Bürgschaftsverpflichtung zu begründen.

Verfasser: Rechtsanwalt & Steuerberater Andreas Jahn, MEYER-KÖRING v. DANWITZ PRIVAT – Bonn

 

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