
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.10.2024, III R 1/23 (veröffentlicht am 23.1.2025), stellt klar, dass Kapitalgesellschaften, die ihren gesamten Grundbesitz vor Ablauf eines Erhebungszeitraums veräußern, keine erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) beanspruchen können. Das gilt auch, wenn der Verkauf am 31. Dezember eines Kalenderjahres stattfindet, soweit keine „technisch bedingte“ Ausnahme wird bei einer Veräußerung zum 31. Dezember, 23:59 Uhr, vereinbart wird.
1. Hintergrund
Im vorliegenden Fall hatte eine GmbH ihren gesamten Grundbesitz am 31.12. eines Erhebungszeitraums veräußert. Dabei wurde im Kaufvertrag geregelt, dass Besitz, Nutzungen und Risiken bereits „ab Beginn des 31.12.“ auf den Käufer übergehen. Die GmbH machte die erweiterte Gewerbesteuerkürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG geltend, welche jedoch vom Finanzamt (FA) verweigert wurde. Nach einer Klage gab das Finanzgericht Münster zunächst der Klägerin recht. Der BFH hob dieses Urteil jedoch auf und wies die erweiterte Gewerbesteuerkürzung ab, gewährt allerdings die einfache Gewerbesteuerkürzung.
2. Entscheidungsgründe
a. Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung
Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt (sogenannte einfache Gewerbesteuerkürzung); maßgebend ist der Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes vor dem Ende des Erhebungszeitraums.
Stattdessen kann nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, auf Antrag die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags gekürzt werden, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sogenannte erweiterte Gewerbesteuerkürzung). Dieser Teil des Gewerbeertrags geht nicht in die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ein und wird so im Ergebnis nicht mit Gewerbesteuer belastet.
Welche Voraussetzungen hat die Gewährung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung?
Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist unter anderem, dass das Unternehmen – abgesehen von nach der Rechtsprechung als unschädlich angesehenen Nebentätigkeiten und den in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG zugelassenen Ausnahmen – ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Die in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannte
Verwaltung eigenen Kapitalvermögens ist nur dann unschädlich, wenn sie neben der Verwaltung eigenen Grundbesitzes stattfindet, nicht aber, wenn sie vor Beginn oder nach dem Ende einer begünstigten Grundstücksverwaltung die alleinige Tätigkeit darstellt.
In zeitlicher Hinsicht muss der Unternehmer während des gesamten Erhebungszeitraums der gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG begünstigten Tätigkeit nachgehen. Wird nur während eines Teils des Erhebungszeitraums eine nicht begünstigte Tätigkeit ausgeübt, entfallen für den gesamten Erhebungszeitraum die Voraussetzungen der erweiterten Gewerbesteuerkürzung.
Die Steuerpflicht der Kapitalgesellschaft endet, wenn sie jegliche Tätigkeit einstellt. Also nicht nur die eigentliche (werbende) Tätigkeit, sondern auch die Verwertungstätigkeit im Rahmen der Abwicklung, die ihrerseits mit der letzten Abwicklungshandlung endet.
Am Erfordernis einer ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fehlt es daher, wenn die Kapitalgesellschaft das letzte oder einzige Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und danach nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt.
Eine „technisch bedingte“ Ausnahme wird bei einer Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr, zugelassen, was hier aber gerade nicht der Fall war.
b. Die einfache Gewerbesteuerkürzung
Der klagenden GmbH steht aber gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG die einfache Gewerbesteuerkürzung in Höhe von 1,2 % des Einheitswerts ihres nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes zu. Dabei ist die unterjährige Veräußerung ist unschädlich, da es für die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen auf den Stand zu Beginn des Kalenderjahrs (hier: 01.01.2016) ankommt (§ 20 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung).
3. Zusammenfassung
- Ausschließlichkeit der Grundstücksverwaltung erforderlich: Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG setzt voraus, dass die Kapitalgesellschaft ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Diese Bedingung muss über den gesamten Erhebungszeitraum hinweg erfüllt sein.
- Veräußerung vor Ende des Jahres: Durch die Veräußerung des letzten Grundstücks am 31.12. war die Klägerin an diesem Tag nicht mehr ausschließlich grundstücksverwaltend tätig. Der BFH stellte klar, dass selbst eine kurze Unterbrechung der begünstigten Tätigkeit den Anspruch auf die erweiterte Gewerbesteuerkürzung ausschließt.
- Keine Ausnahme bei unterjähriger Tätigkeit: Der BFH betonte, dass die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nicht zeitanteilig gewährt werden kann. Eine „technisch bedingte Ausnahme“ (z. B. Veräußerung um 23:59 Uhr am 31.12.) wurde in diesem Fall nicht anerkannt.
- Einfache Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG: Die Klägerin konnte jedoch die einfache Kürzung geltend machen, da der Einheitswert des Grundbesitzes zu Beginn des Jahres (01.01.2016) relevant war. Diese wurde mit 1,2 % des Einheitswerts des nicht grundsteuerbefreiten Grundbesitzes berücksichtigt.
4. Praxisrelevanz
Das Urteil verdeutlicht die strengen Anforderungen für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Kapitalgesellschaften sollten ihre Tätigkeiten im Erhebungszeitraum genau prüfen, insbesondere bei geplantem Verkauf sämtlichen Grundbesitzes.
Notfalls sollte die technisch bedingte Ausnahme der Veräußerung um 23:59 Uhr am 31.12. gewählt werden. Oder aber es sollte – wenn auch nur geringer – Grundbesitz zurückbehalten werden.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
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