20.08.2025 -
BFH klärt AfA-Bemessungsgrundlage nach Wegfall der gewerblichen Prägung und Betriebsaufgabe. Wichtig für Steuerberater, Unternehmer und Immobiliengesellschaften.
BFH: AfA-Bemessungsgrundlage nach Entprägung einer Personengesellschaft richtet sich nach dem steuerlich erfassten Entnahmewert (credits: adobestock).

Die Entprägung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (Beendigung der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) führt regelmäßig zu einer Betriebsaufgabe und einer Entnahme des Vermögens – im Streitfall vermietete Immobilien – in das steuerliche Privatvermögen. Werden anschließend Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, muss die AfA-Bemessungsgrundlage der Immobilien neu ermittelt werden. Diese richtet sich nach dem Entnahmewert („Teilwert“ oder „gemeiner Wert“).

Doch was passiert, wenn der bei der Betriebsaufgabe angesetzte Wert der Immobilien später gerichtlich korrigiert wird? Der BFH hat in einem aktuellen Urteil vom 03.06.2025, IX R 18/24, klargestellt, dass selbst fehlerhafte Wertansätze bindend bleiben. Aber: Eine nachträgliche Änderung des erfassten gemeinen Werts kann ein rückwirkendes Ereignis (§ 175 AO) auslösen – mit Auswirkung für die AfA aller Folgejahre.

1. Sachverhalt

Die Klägerin, eine Personengesellschaft, vermietete Immobilien und erzielte bis Anfang 2007 gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Mit Wegfall der gewerblichen Prägung zum Jahresbeginn 2007 wurde der Gewerbebetrieb aufgegeben. Die im Betriebsvermögen befindlichen Immobilien wurden ins Privatvermögen überführt und weiterhin vermietet.

  • 2007 erklärte die Klägerin neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV) einen Betriebsaufgabeverlust, da die gemeinen Werte der überführten Immobilien unter den Buchwerten lagen. Das Finanzamt folgte der Erklärung zunächst (Bescheid 2013).
  • 2016 führte eine Außenprüfung des inzwischen zuständigen Finanzamts (FA) zu höheren gemeinen Werten und damit zu einem Betriebsaufgabegewinn. Gleichzeitig wurden die AfA-Bemessungsgrundlagen für die Folgejahre (2008 – 2011) erhöht, was zugunsten der Klägerin wirkte. Die geänderten Bescheide vom 07.06.2016 wurden bestandskräftig.
  • 2021 reduzierte das FA im Einspruchsverfahren den Betriebsaufgabegewinn für 2007 auf 0 €, unter Ansatz niedrigerer gemeiner Werte. Dies führte zu geringeren AfA-Bemessungsgrundlagen.
  • 2022 hob das Finanzgericht (8 K 8258/20) den geänderten Bescheid für 2007 wegen Feststellungsverjährung auf. Der ursprüngliche Bescheid von 2013 mit den niedrigeren gemeinen Werten (Betriebsaufgabeverlust) lebte wieder auf.
  • Kurz vorher 2022 änderte das FA die Feststellungen für 2008 – 2011 (§ 174 AO) und reduzierte die AfA entsprechend. Das führte rückwirkend zu einer Erhöhung der steuerpflichtigen Einkünfte aus VuV. Einspruch und Klage waren erfolglos.

2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück. Die Änderungen der Bescheide für 2008 – 2011 seien jedenfalls nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gerechtfertigt, weil ein rückwirkendes Ereignis vorliege.

a. AfA-Bemessungsgrundlage nach Betriebsaufgabe

Der BFH bestätigt seine ständige Rechtsprechung (u. a. Urteil vom 22.02.2021 – IX R 13/19):

  • Bei Überführung von Betriebsvermögen in das Privatvermögen im Zuge einer Betriebsaufgabe sind die steuerlich erfassten gemeinen Werte (oder Teilwerte) Bemessungsgrundlage für die AfA. Dies gilt auch dann, wenn der erfasste Wert materiell fehlerhaft ist:

    Wurde […] ein der Höhe nach unzutreffender Wert […] erfasst, ist jener Wert und nicht der tatsächliche Wert für die AfA maßgebend.“

b. Rückwirkendes Ereignis nach § 175 AO

  • Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
  • Ereignis ist jede rechtlich relevante Änderung, die steuerlich in die Vergangenheit wirkt.
  • Gerichtsentscheidungen können rückwirkende Ereignisse darstellen, wenn sie den maßgeblichen Sachverhalt verändern, nicht nur dessen rechtliche Beurteilung.
  • Hier bewirkte die FG-Entscheidung von 2022, dass der Bescheid von 2013 mit den niedrigeren gemeinen Werten wieder galt.

    „Die steuerlich tatsächlich erfassten gemeinen Werte für das Jahr 2007 sind zugleich verbindliche AfA-Bemessungsgrundlagen für die Streitjahre.“
  • Diese Werte sind niedriger als diejenigen, die den Bescheiden für die Streitjahre zugrunde lagen. Deshalb waren bislang zu hohe AfA als Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV abgezogen worden.

c. Keine Entscheidung zu § 174 Abs. 4 AO nötig

Da § 175 AO die Änderungen bereits trägt, musste der BFH nicht klären, ob zusätzlich § 174 Abs. 4 AO (widerstreitende Steuerfestsetzungen) eingreift. Dies hatte das erstinstanzliche FG geprüft und bejaht.

3. Fazit

Der BFH stellt klar: Für der AfA nach Wegfall der gewerblichen Prägung einer Personengesellschaft ist maßgeblich, welcher Wert bei der Betriebsaufgabe steuerlich erfasst wurde – auch wenn er falsch ist. Wird dieser Ursprungsbescheid später aufgehoben oder geändert, kann dies ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 AO sein, das zwingend zur Anpassung der Folgebescheide führt.

Für die Praxis bedeutet dies: Der Fokus liegt auf dem Wertansatz bei der Betriebsaufgabe. Hier werden die Weichen für die steuerliche Behandlung der Folgejahre gestellt.


Autor: RA & StB Andreas Jahn

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