Bedeutung auch für sonstige jede sonstige Ausgliederung mit Grundbesitz

Einleitung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 21. Mai 2025 (II R 31/22) eine umstrittene Frage zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung kommunaler – aber auch sonstiger – Umstrukturierungen getroffen. Er entschied, dass bei einer Ausgliederung zur Aufnahme auf eine bereits bestehende Gesellschaft die fünfjährige Vorbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG strikt einzuhalten ist. Anders als bei der Ausgliederung zur Neugründung kann in diesen Fällen nicht auf die Frist verzichtet werden. Das Urteil betrifft insbesondere Kommunen und kommunale Unternehmen sowie alle Unternehmen, die ihre Betriebe im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen steuerneutral übertragen möchten – und verdeutlicht die Grenzen der bisherigen Begünstigungspraxis.
1. Sachverhalt
Die Klägerin, eine kommunale GmbH, wurde im März 2015 gegründet und im April 2015 in das Handelsregister eingetragen. Alleinige Gesellschafterin war die Stadt A mit einem Stammkapital von 25.000 €.
Mit notariellem Vertrag vom November 2015 übertrug die Stadt ihren Regiebetrieb (Versammlungshalle) samt zugehörigem Grundstück im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG auf die GmbH. Die Übertragung erfolgte gegen Gewährung eines weiteren Geschäftsanteils über 1.000 €; die Handelsregistereintragung der Ausgliederung erfolgte im Dezember 2015.
Das zuständige Finanzamt setzte daraufhin Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG fest. Die Klägerin beantragte Steuerbefreiung gemäß § 6a GrEStG, da allein die Gemeinde als herrschendes Unternehmen und ihre 100 %-Tochtergesellschaft beteiligt gewesen seien. Finanzamt und später das Finanzgericht Nürnberg (Urteil vom 14.07.2022 – 4 K 59/21) lehnten die Steuerbefreiung ab: Die Gemeinde habe die Beteiligung an der GmbH erst wenige Monate vor der Ausgliederung erworben und damit die fünfjährige Vorbehaltensfrist nicht eingehalten.
2. Die Entscheidung des BFH
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Revision zurück. Die Voraussetzungen des § 6a GrEStG seien nicht erfüllt, weil die Vorbehaltensfrist nach § 6a Satz 4 GrEStG nicht eingehalten wurde. Eine teleologische Reduktion der Frist – wie sie bei Neugründungen anerkannt ist – komme bei einer Ausgliederung zur Aufnahme nicht in Betracht.
a. Steuerbarkeit des Vorgangs
Nach Auffassung des BFH lag ein steuerbarer Eigentumsübergang im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Die Übertragung sei durch die Eintragung im Handelsregister im Dezember 2015 wirksam geworden; auf abweichende steuerliche Übertragungsstichtage komme es nicht an.
b. Keine Anwendung der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG
Zwar seien die Grundvoraussetzungen der Befreiung des § 6a Satz 1 GrEStG erfüllt, da ausschließlich eine Gemeinde und ihre abhängige Gesellschaft beteiligt waren. Jedoch scheitere die Steuerbefreiung an der fehlenden Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist (§ 6a Satz 4 GrEStG).
„§ 6a Satz 4 GrEStG ist nicht dahingehend auszulegen, dass die Vorbehaltensfrist im Fall einer Ausgliederung auf eine bereits bestehende Gesellschaft nicht eingehalten werden muss.“
c. Abgrenzung zur Ausgliederung zur Neugründung
Der BFH verweist auf seine frühere Rechtsprechung (u.a. BFH-Urteil vom 25.09.2024 – II R 2/22; BFH-Beschluss vom 03.05.2023 – II B 27/22), wonach bei einer Ausgliederung zur Neugründung (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) die Fristen nur insoweit gelten, wie ihre Einhaltung rechtlich möglich ist.
Da die neu gegründete Gesellschaft erst durch den Umwandlungsvorgang entsteht, kann die Vorbehaltensfrist hier nicht eingehalten werden – weshalb ein Verzicht zulässig ist.
Demgegenüber besteht bei der Ausgliederung zur Aufnahme (§ 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG) die aufnehmende Gesellschaft bereits vor der Übertragung. Somit kann die Frist eingehalten werden, und ein Verzicht sei nicht gerechtfertigt:
„Bei einer Ausgliederung auf eine bereits bestehende Gesellschaft ist es rechtlich möglich, dass das Abhängigkeitsverhältnis innerhalb von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang bestanden hat. Deshalb besteht kein Anlass, § 6a Satz 4 GrEStG teleologisch zu reduzieren.“
d. Keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Die Klägerin hatte geltend gemacht, die unterschiedliche Behandlung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz). Der BFH verneinte dies:
- Die beiden Umwandlungsformen – zur Neugründung und zur Aufnahme – seien nicht vergleichbar, da sich die zivilrechtlichen Ausgangslagen unterscheiden.
- Bei der Neugründung entsteht die Gesellschaft erst durch den Umwandlungsvorgang; bei der Aufnahme existiert sie bereits und kann daher vorab beteiligt sein.
Damit bestätigt der BFH seine Linie aus dem Urteil II R 46/22 (BStBl II 2025, 329): Eine Gleichbehandlung kommt nur dann in Betracht, wenn die Nichteinhaltung der Frist umwandlungsbedingt unvermeidbar ist.
3. Einordnung und Auswirkungen für die Praxis
Der BFH betont, dass die Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist eine materielle Tatbestandsvoraussetzung ist, von der nur in engen Ausnahmefällen (Neugründung) abgewichen werden darf.
Für Kommunen und sonstige Unternehmen, die Betriebe oder Immobilien in bestehende Gesellschaften ausgliedern, bedeutet dies:
Eine steuerneutrale Übertragung nach § 6a GrEStG ist nur möglich, wenn die beteiligte Gesellschaft mindestens fünf Jahre vor der Umwandlung bereits bestand und die Beteiligung der Gemeinde ununterbrochen über diesen Zeitraum gehalten wurde.
Konsequenzen für Umstrukturierungen
- Kommunale Ausgliederungen und die Begründung von Holdingstrukturen müssen künftig langfristiger geplant werden. Eine kurzfristige Gründung einer GmbH zur anschließenden Übertragung von Grundstücken führt regelmäßig zur Steuerpflicht.
- Übertragende Rechtsträger und ihre Berater sollten frühzeitig prüfen, ob die Voraussetzungen der Vorbehaltens- und Nachbehaltensfristen erfüllt werden können.
- Das Urteil wirkt wohl auch auf künftige Umwandlungsvorgänge nach dem Umwandlungsgesetz (z.B. Verschmelzungen oder Spaltungen), sofern diese auf bestehende Gesellschaften erfolgen.
- Die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG ist ein eng auszulegender Ausnahmefall, der nur bei Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen greift.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
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