
1. Sachverhalt
Die klagende GbR betreibt einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und ermittelte den Gewinn gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (01.07. bis 30.06.).
Ein Gesellschafter brachte einen Betrieb in die ein und führte eine § 6b-Rücklage fort, die auf einem Gewinn aus einer Grundstücksveräußerung im Jahr 2018/2019 beruhte. Diese Rücklage wurde im Jahresabschluss 2020/2021 gewinnerhöhend aufgelöst, ohne dass eine Reinvestition in ein entsprechendes Wirtschaftsgut vorgenommen wurde. Infolgedessen wurde ein Gewinnzuschlag i. H. v. 6 % p. a. für zwei Jahre gemäß § 6b Abs. 7 EStG hinzugerechnet.
Das Finanzamt stellte im Bescheid vom 25.02.2022 erklärungsgemäß den Rücklagenbetrag sowie den Gewinnzuschlag im Sonderbetriebsgewinn des Gesellschafters fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg richtete sich ausschließlich gegen den Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG mit dem Argument, dieser sei angesichts des strukturellen Niedrigzinsniveaus verfassungswidrig. Das FG wies die Klage ab. Auch die eingelegte Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH) blieb erfolglos.
2. Entscheidungsgründe
Anwendung des § 6b Abs. 7 EStG
Gemäß § 6b EStG kann bei bestimmten Veräußerungsgewinnen eine steuerliche Rücklage gebildet werden. Erfolgt keine Reinvestition oder wird die Rücklage vorzeitig aufgelöst, ist gemäß Abs. 7 ein Gewinnzuschlag von 6 % pro vollem Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestand, zu erheben.
„§ 6b EStG ist eine Lenkungs- oder Sozialzwecknorm mit Subventionscharakter.“
Ziel sei es, die steuerliche Veräußerungsgewinne nur dann zur Verschonung zuzulassen, wenn sie für Reinvestitionen verwendet würden. Der Gewinnzuschlag verhindere „Mitnahmeeffekte“. Bei fehlender Reinvestition besteht keine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, dem Steuerpflichtigen den durch die Bildung der Rücklage eingetretenen Vorteil zu belassen.
Der Zuschlag sei weder enteignend noch erdrosselnd. Es liege keine unzumutbare Belastung des Steuerpflichtigen vor, insbesondere da die Belastung am individuellen Steuersatz und nicht pauschal bemessen werde.
„Insbesondere ist eine übermäßige steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen durch den Ansatz des sechsprozentigen Gewinnzuschlags nicht ersichtlich.“
Gegen die Höhe des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken, so der BFH.
3. Einordnung und Auswirkungen
- Der BFH bestätigt die Verfassungsmäßigkeit des sechsprozentigen Gewinnzuschlags, selbst bei dauerhaft niedrigen Zinsen.
- Unternehmer sollten sich bewusst sein, dass das Unterlassen einer Reinvestition mit einem spürbaren Gewinnzuschlag sanktioniert wird.
- Die Bildung und Auflösung der § 6b-Rücklage sollte unter steuerstrategischen Gesichtspunkten erfolgen. Beispielsweise kann die Rücklage gezielt in Jahren mit geringem Grenzsteuersatz aufgelöst werden.
- Abgrenzung zur Verzinsung nach § 233a AO: Der BFH betont, dass der Gewinnzuschlag keine Zinsregelung im technischen Sinn ist und damit nicht den verfassungsrechtlichen Maßstäben des BVerfG zur Vollverzinsung unterliegt (vgl. BVerfGE 158, 282).
„Der Gewinnzuschlag ist keine gesetzliche Zinssatztypisierung, sondern Teil einer steuerpolitischen Lenkungsnorm mit eigenständiger Funktion.“
Fazit
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 20.03.2025 (VI R 20/23) die Verfassungsmäßigkeit des sechsprozentigen Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG ausdrücklich bestätigt. Der Zuschlag ist selbst in einem strukturellen Niedrigzinsumfeld rechtlich nicht zu beanstanden. Steuerpflichtige, die das steuerliche Wahlrecht zur Rücklagenbildung nutzen, müssen sich der rechtlichen Folgen im Falle unterlassener Reinvestition bewusst sein.
Der Gewinnzuschlag ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein legitimes Mittel des Gesetzgebers, um den Reinvestitionszweck sicherzustellen und unerwünschte Steuervorteile ohne wirtschaftspolitischen Nutzen zu unterbinden.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
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