Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Mai 2025 (Az. II R 56/22)

Nach § 6a GrEStG sind bestimmte Umwandlungen von der GrESt befreit, wenn sie zwischen einem herrschenden und einem beherrschten / abhängigen Unternehmen erfolgen. Aber welche Anforderungen sind an ein herrschendes Unternehmen zu stellen? Reicht es aus, wenn eine Personengruppe das abhängige Unternehmen beherrscht?
Der BFH stellte in seinem am 30.10.2025 veröffentlichten Urteil vom 21. Mai 2025 (Az. II R 56/22) fest: Nur ein rechtlich selbständiger Rechtsträger kann als „herrschendes Unternehmen“ gelten – eine bloße Gruppe natürlicher Personen genügt nicht. Damit setzt der BFH seine strenge Linie zur steuerlichen Begünstigung bei konzerninternen Umwandlungsvorgängen fort und grenzt den Anwendungsbereich der Steuervergünstigung weiter ein.
1. Sachverhalt
Die Klägerin, eine im Februar 2021 gegründete GmbH, war durch Abspaltung zur Neugründung (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG) entstanden. Die L-GmbH übertrug ihre Geschäftsanteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (P-GmbH) auf die neu gegründete Klägerin. Die Gesellschafterstruktur blieb im Wesentlichen gleich: Vier Gesellschafter der L-GmbH erhielten Anteile an der neuen Klägerin im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung (15/40, 12/40, 10/40, 3/40).
Das zuständige Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer in Höhe von zunächst 86.494 €, später herabgesetzt auf 28.700 €, fest. Die Klägerin begehrte unter Berufung auf § 6a GrEStG die vollständige Steuerbefreiung, da es sich um eine konzerninterne Umstrukturierung handle.
Das Finanzamt und in der Folge auch das Sächsische Finanzgericht (Urteil vom 30.11.2022 – 5 K 969/22) wiesen die Argumentation zurück. Das FG stellte fest, dass es an der Beteiligung eines herrschenden Unternehmens im Sinne des § 6a GrEStG fehle: Die vier Gesellschafter erfüllten die Beteiligungsquote von mindestens 95 % weder einzeln noch gemeinsam als einheitlicher Rechtsträger.
2. Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Revision ab und bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen. Eine Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG sei nicht zu gewähren, da die maßgeblichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
a. Steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG
Der Übergang von 100 % der Anteile an der grundbesitzenden P-GmbH auf die Klägerin im Wege der Abspaltung stellt einen nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbaren Vorgang dar. Bereits in der Hand der L-GmbH waren alle Anteile vereinigt; diese gingen durch die Abspaltung auf die Klägerin über.
b. Keine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG
Die Steuervergünstigung für Umwandlungsvorgänge nach § 6a GrEStG setzt voraus, dass ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und eine oder mehrere von ihm abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG).
Nach § 6a Satz 4 GrEStG gilt eine Gesellschaft als abhängig, wenn das herrschende Unternehmen an ihr innerhalb von fünf Jahren vor und nach dem Umwandlungsvorgang ununterbrochen zu mindestens 95 % beteiligt ist.
Der BFH bejahte zwar, dass § 6a GrEStG grundsätzlich rechtsformneutral ist. Es könnenn also auch Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder natürliche Personen herrschende Unternehmen sein. Entscheidend sei aber, dass es sich um einen eigenständigen Rechtsträger handelt.
„Eine Gruppe natürlicher Personen, die nicht in der Rechtsform einer Personen- oder Kapitalgesellschaft zusammengeschlossen sind, ist kein Rechtsträger im zivilrechtlichen und grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne und kann kein herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG sein.“
Damit lehnt der BFH eine „Zusammenrechnung“ der Beteiligungen mehrerer Gesellschafter zu einer fiktiven 95%-Beteiligung ausdrücklich ab.
c. Keine analoge Anwendung oder erweiternde Auslegung
Der Gesetzgeber habe die Vorschrift des § 6a GrEStG bewusst auf Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen zugeschnitten, um Unternehmen eine flexible Reorganisation ohne Grunderwerbsteuerbelastung zu ermöglichen.
Eine Gruppe von natürlichen Personen könne aber schon aus rechtssystematischen Gründen kein „Konzern“ im Sinne dieser Vorschrift bilden. Eine entsprechende Anwendung sei daher ausgeschlossen.
Der BFH verweist zudem auf seinen Vorlagebeschluss vom 30.05.2017 (II R 62/14), in dem er die 95%-Grenze als zentrale Abgrenzung für die Konzernprivilegierung bezeichnet hatte. Der Gesetzgeber habe diese Schwelle bewusst gewählt, um nur solche Beteiligungsverhältnisse zu begünstigen, die einer wirtschaftlichen Einheit gleichkommen.
d. Keine Einhaltung der Nachbehaltensfrist
Die L-GmbH war nach der Abspaltung nicht mehr zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt. Damit war die Nachbehaltensfrist nach § 6a Satz 4 GrEStG nicht erfüllt.
Zwar könne die Vorbehaltensfrist bei einer Abspaltung zur Neugründung wegen der erst mit der Spaltung entstehenden neuen Gesellschaft nicht eingehalten werden – das sei unschädlich.
Aber die Nachbehaltensfrist müsse erfüllt werden, was hier nicht der Fall war.
Die Gesellschafter hätten sich – so der BFH – auch nicht konkludent zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen, die als Rechtsträger hätte fungieren können. Es fehlten Anhaltspunkte für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen.
3. Einordnung und praktische Relevanz
Für die steuerliche Beratungspraxis ergibt sich daraus eine wichtige Konsequenz:
- Eine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG kommt nur bei rechtsträgerbezogener Beherrschung in Betracht
- Die Beteiligung von 95 % muss bei einem einzigen Rechtsträger liegen.
- Eine bloße Gesellschaftermehrheit ohne rechtliche Einheit genügt nicht.
Gestaltungshinweis:
- Sollen mehrere Gesellschafter eine Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG beanspruchen, ist eine rechtliche Strukturierung – etwa in Form einer Personengesellschaft (z. B. GbR, KG) oder Kapitalgesellschaft – zwingend erforderlich.
- Die Entscheidung bestätigt zugleich, dass bei Abspaltungen zur Neugründung die fünfjährige Vorbehaltensfrist nicht gilt, wohl aber die Nachbehaltensfrist.
4. Fazit
Eine Gruppe natürlicher Personen, die nicht in einer Personen- oder Kapitalgesellschaft zusammengeschlossen ist, ist kein herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG.
Für die Praxis bedeutet das: Steuerbefreiungen bei Umwandlungsvorgängen bleiben auf echte Konzernstrukturen beschränkt. Steuerberater sollten bei geplanten Umstrukturierungen darauf achten, dass Beteiligungen in einer rechtlich selbständigen Einheit, in der die Beteiligung von mindestens 95 % gebündelt sind, bestehen oder geschaffen werden, um den Verlust der Grunderwerbsteuervergünstigung zu vermeiden.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
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