03.11.2025 -

Für die Nachfolgeplanung wichtige Entscheidungen vom 02.07.2025 (IV R 36/22 und IV R 37/22)

Der BFH klärt in zwei Urteilen vom 02.07.2025 die steuerliche Mitunternehmerstellung bei Nießbrauch an Kommanditanteilen und grenzt klar zwischen unentgeltlicher Übertragung und entgeltlicher Gestaltung ab.
BFH erlässt wichtiges Urteil für die Nachfolgeplanung von Unternehmen: Bleibt der Nießbraucher von Kommanditanteilen Mitunternehmer – und wenn ja, mit welchen steuerlichen Folgen? (credits: adobestock)

Wenn im Rahmen der Unternehmensnachfolge Kommanditanteile unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen werden, stellt sich stets die zentrale Frage: Bleibt der Nießbraucher Mitunternehmer – und wenn ja, mit welchen steuerlichen Folgen?

Mit zwei am selben Tag ergangenen Urteilen (BFH, 02.07.2025 – IV R 36/22 und IV R 37/22) hat der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung zur Mitunternehmerstellung des durch Nießbrauch Begünstigten weiter präzisiert und zugleich mehrere missverständliche Auslegungen früherer Entscheidungen klargestellt. Die Urteile müssen bei der steuerlichen Gestaltung von Übertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge und bei der Unternehmensnachfolge innerhalb von Familiengesellschaften beachtet werden.

1. Sachverhalt

Im Verfahren IV R 36/22 hatte der Kläger, alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co. KG, seinen Kommanditanteil im Jahr 2013 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu gleichen Teilen an seine drei Söhne übertragen. Zugleich wurde – zur Sicherung seiner Altersversorgung – zugunsten einer weiteren, von ihm beherrschten Vermögensverwaltungsgesellschaft (V KG) ein unentgeltlicher Ertragsnießbrauch in Höhe von 70 % bestellt. Die übertragenen Kommanditanteile wurden auflagegemäß anschließend in eine Familienholding (F KG) eingebracht, an der die Söhne beteiligt waren.

Das Finanzamt sah den Vater trotz Übertragung als verdeckten Mitunternehmer an, da er über den Nießbrauch weiterhin am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft partizipiere. Der Nießbrauch, so das Finanzamt, begründe eine fortdauernde Mitunternehmerstellung; die Nießbrauchserträge seien dem Vater als gewerbliche Einkünfte zuzurechnen. Das Finanzgericht Schleswig-Holstein (Urteil v. 17.02.2022 – 3 K 41/21) folgte dieser Auffassung und wies die Klage ab.

Der Bundesfinanzhof hatte nun über zwei zentrale Fragen zu entscheiden:

  1. Ob der Nießbraucher (bzw. der wirtschaftlich Begünstigte) Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG bleibt,
  2. und ob die auflagenbedingte Nießbrauchsbestellung zu einer entgeltlichen Übertragung des Kommanditanteils führt, die eine Ergänzungsbilanz der Erwerberin (F KG) erfordert.

Parallel war das Verfahren IV R 37/22 anhängig, in dem die Sachverhaltsgestaltung wirtschaftlich gleich gelagert war; beide Entscheidungen wurden koordiniert veröffentlicht.

2. Entscheidungsgründe des BFH

a. Mitunternehmerstellung bei Nießbrauch

Der BFH knüpft an seine ständige Rechtsprechung an und stellt klar:

Wird ein Nießbrauch am Anteil an einer Personengesellschaft bestellt, ist der Begünstigte nur dann Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, wenn er Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt.“

Der Nießbraucher muss also – wie jeder Mitunternehmer – sowohl Einfluss auf wesentliche unternehmerische Entscheidungen nehmen können (Mitunternehmerinitiative) als auch wirtschaftlich am Erfolg und Misserfolg des Unternehmens teilnehmen (Mitunternehmerrisiko).

  • Kein Mitunternehmerrisiko bei gesetzlichem Leitbild
    Das Gericht betont:

    Ist der Nießbrauch dem gesetzlichen Leitbild folgend so ausgestaltet, dass der Nießbrauchberechtigte weder an den stillen Reserven im Gesellschaftsvermögen noch unmittelbar am Verlust der Gesellschaft beteiligt ist, trägt der Nießbrauchberechtigte kein Mitunternehmerrisiko.“

    Auch der Umstand, dass Verluste mittelbar den Kapitalanteil des Kommanditisten mindern und dadurch Entnahmen eingeschränkt werden, reicht nicht aus. Nur wenn der Nießbraucher abweichend vom gesetzlichen Leitbild tatsächlich ein eigenes unternehmerisches Verlustrisiko trägt, kann ein Mitunternehmerrisiko bejaht werden.

    Damit bestätigt der BFH frühere Rechtsprechung (u.a. BFH vom 03.12.2015 – IV R 43/13 und v. 20.03.2025 – IV R 12/21), grenzt sie jedoch klar gegen ältere Entscheidungen ab, in denen eine weite Auslegung des Risikobegriffs diskutiert wurde (vgl. BFH vom 11.04.1973 – IV R 67/69).
  • Folge für den Streitfall
    Da der Kläger aufgrund der Vertragsgestaltung nicht am Verlust und nicht an den stillen Reserven der KG beteiligt war, verneinte der BFH seine Mitunternehmereigenschaft. Der Nießbrauch gewährte lediglich einen Anspruch auf Gewinnanteile bis zu 70 % des entnahmefähigen Gewinns, nicht aber eine Teilhabe am Vermögen oder an Verlusten.

    Die besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative des Klägers allein kann die fehlende Risikobeteiligung nicht ersetzen.“

    Damit hob der BFH das Urteil des FG auf und stellte klar, dass der Vater nicht mehr Mitunternehmer der KG war. Der Gewinn war ausschließlich den verbleibenden Mitunternehmern – der Familienholding (F KG) und der Komplementär-GmbH – zuzurechnen.
  • Steuerliche Folge
    Die dem Nießbraucher zufließenden Beträge stellen Gewinnverwendungen dar, die steuerlich beim Mitunternehmer verbleiben, dessen Anteil mit dem Nießbrauch belastet ist. Damit folgt der Senat seiner früheren Linie aus dem Urteil vom 16.05.1995 – VIII R 18/93 (zum Untervermächtnis).

b. Keine entgeltliche Anteilsübertragung durch Nießbrauchsauflage

In einem zweiten Prüfungsschritt verneinte der BFH eine entgeltliche Übertragung des Kommanditanteils.

Die Kläger hatten argumentiert, die Nießbrauchsauflage sei eine gewinnabhängige Gegenleistung und führe damit zu Anschaffungskosten der Erwerberin (F KG), die über eine Ergänzungsbilanz zu berücksichtigen seien. Der BFH lehnte dies ab.

  • Unentgeltliche Schenkung trotz Nießbrauch
    Die Anteilsübertragung war nach dem notariellen Vertrag eine Schenkung, ausdrücklich ohne Gegenleistung. Der Nießbrauch diente lediglich der Versorgung des Übertragenden.

    Die Übertragung eines Wirtschaftsguts unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts lässt die Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung unberührt, denn der Erwerber erwirbt von vornherein nur das mit dem Nießbrauch belastete Wirtschaftsgut.“

    Somit liegt ein klassischer Vorbehaltsnießbrauch vor, nicht aber ein Zuwendungsnießbrauch. Der Erwerber (hier die Söhne bzw. die F KG) hat keine Gegenleistung erbracht; er erwirbt das Wirtschaftsgut belastet mit dem Nießbrauch – nicht als Entgelt, sondern kraft Gestaltung.
  • Abgrenzung zum Urteil IV R 52/08 (2010)
    Der BFH grenzt sich ausdrücklich von einer oft fehlinterpretierten früheren Entscheidung ab:

    Aus dem BFH-Urteil vom 06.05.2010 – IV R 52/08 ist nicht abzuleiten, dass die Übertragung von Anteilen unter dem Vorbehalt eines Ertragsnießbrauchs stets als entgeltlich zu beurteilen ist.“

    In der damaligen Entscheidung sei die Entgeltlichkeit nur deshalb bejaht worden, weil wesentliche Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens nicht mitübertragen worden waren. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Der Nießbrauch begründe keine Gegenleistung, sondern mindere lediglich den Wert des übertragenen Wirtschaftsguts.

    Damit korrigiert der Senat Fehlinterpretationen in der Literatur, wonach ein Ertragsnießbrauch automatisch zu einer (teil-)entgeltlichen Übertragung führe.

3. Einordnung und praktische Bedeutung

Entscheidend ist die Feststellung, dass der Nießbraucher kein Mitunternehmer ist, solange er kein eigenes wirtschaftliches Verlustrisiko trägt. Selbst wenn er weitreichende Informations- oder Kontrollrechte behält, genügt dies nicht ohne Beteiligung an Verlusten oder stillen Reserven.

Damit bestätigt der BFH die Linie, dass die Mitunternehmerinitiative allein nicht genügt, wenn das Risiko fehlt. Steuerberater sollten bei der Gestaltung von Nießbrauchsmodellen daher stets prüfen, ob die Vertragsbedingungen über das gesetzliche Leitbild hinausgehen und dem Nießbraucher tatsächlich ein wirtschaftliches Risiko zuordnen.

Von besonderer Relevanz ist die Aussage, dass die Bestellung eines Nießbrauchs die Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung nicht berührt. Damit bleibt die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG grundsätzlich möglich, sofern keine weiteren entgeltlichen Elemente hinzutreten.

Für die Praxis bedeutet dies: Wird ein Kommanditanteil unter Nießbrauchsvorbehalt im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, liegt steuerlich weiterhin eine unentgeltliche Übertragung vor – nicht etwa ein Veräußerungsvorgang mit Gewinnrealisierung. Dies gilt auch dann, wenn der Nießbrauch prozentual ausgestaltet ist (sog. Quotennießbrauch).

Die Gewinnanteile, die aufgrund des Nießbrauchs an den früheren Gesellschafter fließen, sind nicht Betriebsausgaben der Gesellschaft. Sie mindern den Gewinn nicht, sondern gelten als Verwendung bereits erzielter Gewinne. Der Gewinn bleibt also steuerlich bei der Gesellschaft bzw. beim Mitunternehmer, dessen Anteil mit dem Nießbrauch belastet ist.

Damit werden – ähnlich wie beim Untervermächtnis – Fehlzuordnungen zwischen Mitunternehmer- und Nießbrauchsebene vermieden.

4. Fazit

Der Bundesfinanzhof bestätigt das gesetzliche Leitbild des Nießbrauchs als reines Nutzungsrecht ohne unternehmerische Beteiligung.

Damit ist für Gestaltungen zu beachten:

  • Ein Nießbrauchsrecht, das lediglich Erträge betrifft, begründet keine Mitunternehmerschaft.
  • Kein Mitunternehmerrisiko = keine Mitunternehmereigenschaft.
  • Nießbrauch = Versorgungsinstrument, nicht Entgelt.
  • Die Zurechnung der Einkünfte erfolgt stets beim zivilrechtlichen Gesellschafter, nicht beim Nießbraucher.
  • Eine entgeltliche Übertragung liegt nur vor, wenn tatsächlich eine Gegenleistung vereinbart und wirtschaftlich geleistet wird.

Autor: RA & StB Andreas Jahn

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