06.08.2025 -

FG Münster: Urteil vom 03.07.2025 – 3 K 469/24 F

Erbschaftsteuer: Wann wird verpachteter Grundbesitz zum steuerschädlichen Verwaltungsvermögen? Das FG Münster verneint die Begünstigung bei nur mittelbarer Nutzungsüberlassung.
Erbschaftsteuer: Wann wird verpachteter Grundbesitz zum steuerschädlichen Verwaltungsvermögen? (credits: adobestock)

I. Einleitung

In seinem Urteil vom 03.07.2025 (Az. 3 K 469/24 F) hatte das Finanzgericht Münster über die Frage zu entscheiden, ob ein Grundstück, das ursprünglich an eine GmbH & atypisch Still zur Nutzung überlassen war, durch eine nachgeschaltete Verpachtung an eine GmbH weiterhin als begünstigtes Betriebsvermögen gelten kann – oder ob es infolge der mittelbaren Nutzung als Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG zu qualifizieren ist.

Das Gericht stellte dabei strenge Anforderungen an die unmittelbare Nutzungsüberlassung und erteilte der im Schrifttum vertretenen weiten Auslegung eine Absage.

Wie das Urteil zeigt, hätte eine winzige Änderung in der Gestaltung der Nutzungsverhältnisse ohne Weiteres zur steuerrechtlichen Begünstigung geführt.

II. Sachverhalt

Familiengesellschaft mit komplexer Struktur

Die Erblasserin, Frau S., war Gesellschafterin einer GmbH & atypisch Still. Ihr Sohn, der Kläger, war Pächter eines Grundstücks (G01 in X), das ursprünglich durch die Eheleute W. und S. an ihn verpachtet wurde. Der Kläger verpachtete das Grundstück weiter an seine R. GmbH, die dieses für Produktions- und Lagerzwecke nutzte (Unterpachtvertrag vom 02.01.1990). 1993 schloss Frau S. mit der GmbH einen Vertrag über eine atypisch stille Beteiligung (GmbH & atypisch still). Sie war damit zugleich atypisch stille Gesellschafterin der GmbH.

1995 wurde zwischen Frau S und dem Kläger eine Ergänzungsvereinbarung zum bestehenden Pachtverhältnis getroffen, die das Unterpachtverhältnis bestätigte, aber keine direkte Verpachtung der Erblasserin an die GmbH begründete.

Erbfall und steuerliche Behandlung

Nach dem Tod der Frau S (Erblasserin) 2020 ging deren Vermögen, einschließlich der atypisch stillen Beteiligung, auf den Kläger über. Das Finanzamt stellte mit Bescheid vom 18.01.2023 im Rahmen der Feststellung des Verwaltungsvermögens gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG fest, dass das Grundstück G01 als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren sei (Wert: 354.670 EUR).

Der Kläger legte Einspruch ein mit dem Argument, das Grundstück sei notwendiges Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & atypisch Still gewesen und damit begünstigtes Vermögen. Das Finanzamt wies den Einspruch zurück. Das Grundstück sei am Stichtag „Dritten“ überlassen. Die GmbH sei als juristische Person eigenständig. Eine Überlassung an sie sei keine Überlassung an die GmbH & atypisch Still. Es hätte einer Überlassung an die GmbH & atypisch Still bedurft, damit die Ausnahmeregelung des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a) ErbStG greife. Die Erblasserin habe auch nicht den überlassenden und nutzenden Betrieb beherrscht. Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Ziel weiter.

III. Entscheidungsgründe

1. Grundstück ist Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG)

Das Gericht folgte der Auffassung des Finanzamts und stellte klar: Das Grundstück gehört zum schädlichen Verwaltungsvermögen. Zu dem von der Begünstigung des Betriebsvermögens ausgeschlossenen Verwaltungsvermögen gehören unter anderem gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke und Grundstücksteile. „Dritter“ im diesem Sinn ist jede Person, die nicht mit dem Nutzungsüberlassenden identisch ist.

Entscheidend sei die tatsächliche Nutzungsüberlassung am steuerlich relevanten Stichtag. Verpachtet sei das Grundstück von der Erblasserin an einen Dritten – den Kläger – gewesen. Dieser wiederum habe es unterverpachtet. Der ursprüngliche Pachtvertrag von 1987 sei nicht aufgehoben worden. Eine unmittelbare Verpachtung an die GmbH liege nicht vor.

2. Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a) 2. Alt. ErbStG greift nicht

Die Rückausnahme, wonach Grundstücke nicht als Verwaltungsvermögen gelten, wenn sie vom Gesellschafter unmittelbar der Gesellschaft zur Nutzung überlassen werden, ist nach Ansicht des Gerichts eng auszulegen. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a) 2. Alt. ErbStG umfasse nicht die mittelbare – durch Zwischenschaltung einer anderen Person – Überlassung.

Der Wortlaut erfasst nur die unmittelbare Nutzungsüberlassung vom Gesellschafter an die Gesellschaft.“, so das FG.

Die vom Kläger zitierte Literaturmeinung (Wachter in Fischer/Pahlke/Wachter) wurde vom FG abgelehnt: „Die Auffassung, dass die Nutzungsüberlassung auch mittelbar […] ausreichend sei, ist mit dem Wortlaut der Norm nicht vereinbar.“. Bei lediglich mittelbarer Überlassung an die Gesellschaft überlässt nicht der Schenker oder Erblasser das Grundstück, sondern der Untervermieter.

Auch eine analoge Anwendung der Rückausnahme sei unzulässig, da es keine planwidrige Regelungslücke gebe. Die Rückausnahmen […] seien abschließend normiert und einer Erweiterung nicht zugänglich.

3. Ertragsteuerliches Sonderbetriebsvermögen II im konkreten Fall unbeachtlich

Die Variante des Sonderbetriebsvermögens II, bei der der Gesellschafter einem Dritten ein Grundstück vermietet, das dieser an die Personengesellschaft vermietet, erfüllt die Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a) 2. Alt. ErbStG nicht. Insoweit soll die ertragsteuerrechtliche Beurteilung für die erb- und schenkungsteuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung sein.

4. Sinn und Zweck der Nichtbegünstigung von Verwaltungsvermögen

Entscheidend war für das Gericht auch die fehlende wirtschaftliche Verflechtung der Erblasserin mit der GmbH am Stichtag.

Sinn und Zweck der Erfassung von Dritten zur Nutzung überlassenem Grundbesitz als Verwaltungsvermögen ist die Nichtbegünstigung von zum Betriebsvermögen gehörigen Grundbesitz, der aufgrund der Nutzungsüberlassung an Dritte sonst als Gegenstand der typischerweise risikolosen privaten Vermögensverwaltung anzusehen wäre.

Aufgrund der Verpachtung an den Kläger ist die Renditeerzielung durch die Erblasserin nicht unmittelbar an den Erfolg oder Misserfolg des zu begünstigenden Betriebs (der Mitunternehmerschaft) gebunden. Es liegt kein sog. Binnenumsatz vor. Der Erblasserin stand mit dem Kläger ein anderer, etwaig liquiderer Schuldner, als die mit dem üblichen wirtschaftlichen Betriebsrisiko belastete GmbH (bzw. GmbH & atypisch still) gegenüber, weshalb die Nichtbegünstigung des Grundstücks den beschrieben Gesetzeszweck verwirkliche.

Die Situation unterscheide sich damit grundlegend von Fällen, in denen der Vermieter direkt vom wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft abhängig ist (sog. Binnenumsatz).

III. Einordnung und Auswirkungen

Bedeutung für Steuerberater und Erbschaftsteuerplaner

Das Urteil verdeutlicht die strikte Handhabung der Vorschriften zur Abgrenzung von Verwaltungsvermögen und begünstigtem Betriebsvermögen. Die Rückausnahmen des § 13b ErbStG sind nach herrschender Rechtsprechung – wie sie auch der BFH in seinem Urteil vom 28.02.2024 (II R 27/21) formuliert hat – eng auszulegen.

Für die Praxis bedeutet das:

  • Nur eine unmittelbare Überlassung durch den Gesellschafter kann Verwaltungsvermögen vermeiden.
  • Auch ein Zwischenschalten von Familienangehörigen, Betriebsaufspaltungen oder Unterpachtstrukturen schützt im Zweifel nicht vor der Verwaltungsvermögensfalle.
  • Die Vertragsgestaltung ist entscheidend. Hätte die Erblasserin direkt an die GmbH verpachtet, wäre der verpachtete Grundbesitz unstreitig kein Verwaltungsvermögen – und ertragsteuerrechtlich hätte sich für die Erblasserin ansonsten nichts geändert.
  • Die Frage der Sonderbetriebsvermögenseinordnung (Sonderbetriebsvermögen II) reicht nicht aus.
  • Selbst wenn ertragsteuerlich ein Wirtschaftsgut als Sonderbetriebsvermögen behandelt wird, bedeutet dies – entgegen landläufiger Meinung – nicht automatisch eine erbschaftsteuerliche Privilegierung.

Steuerberater und Nachfolgeplaner müssen bei der Gestaltungsberatung zur Erbschaft- und Schenkungsteuer darauf achten, dass sämtliche Voraussetzungen der Rückausnahmen in § 13b Abs. 4 ErbStG eng und wortlautgetreu erfüllt werden. Nur eine unmittelbare Nutzungsüberlassung sichert die Steuervergünstigung.

Hinweis: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Finanzgericht hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Wir hoffen, dass der Kläger diese Chance nutzt, damit der BFH Rechtssicherheit schaffen kann.


Autor: RA & StB Andreas Jahn

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