
1. Worum es geht
Das Finanzgericht Münster (Urteil vom 18.06.2025 – 3 K 569/23 F) hatte über die Frage zu entscheiden, ob die Werterhöhung einer Pensionsverpflichtung, die im Rahmen eines Versorgungsausgleichs nach Scheidung auf die ausgleichsberechtigte Person übergegangen ist, zu steuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb führt – obwohl kein tatsächlicher Liquiditätszufluss vorliegt.
Die Entscheidung hat Relevanz für die steuerliche Praxis rund um betriebliche Versorgungszusagen und verdeutlicht die strengen Grundsätze bei der steuerlichen Behandlung von Pensionsanwartschaften in Sonderbilanzen.
2. Sachverhalt
Die Klägerin war ehemals mit Herrn G. verheiratet, dem Komplementär einer Kommanditgesellschaft (KG). G. hatte aus einer Pensionszusage der KG einen betrieblichen Versorgungsanspruch erworben. Es kam zur Scheidung.
Im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung vereinbarten die Ehegatten, dass die Klägerin als ausgleichsberechtigte Person ein monatliches Anrecht von 7.000 EUR im Wege der internen Teilung nach § 10 VersAusglG erhalten sollte. Die KG stimmte dieser internen Teilung zu. Für die Klägerin wurde eine entsprechende Pensionsverpflichtung mit einem Teilwert von 597.517 EUR in der Gesamthandsbilanz der KG passiviert und korrespondierend in der Sonderbilanz der Klägerin aktiviert. Dieser Zugang war für die Klägerin nach § 3 Nr. 55a Satz 1 EStG steuerfrei.
Ein versicherungsmathematisches Gutachten stellte für einen späteren Stichtag die Werterhöhung auf 635.414 EUR fest. Das Finanzamt erfasste diesen Unterschiedsbetrag von 37.897 EUR als steuerpflichtigen Gewinn der Klägerin aus Sonderbetriebsvermögen.
Die Klägerin begehrte die Änderung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen mit dem Argument, die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 55a EStG müsse auch für die rein buchwertmäßige Werterhöhung gelten. Sie trug weiter vor, es sei verfassungswidrig, eine nicht liquiditätswirksame Buchwerterhöhung zu besteuern.
3. Verfahrensgang und Klageantrag
Das Finanzamt lehnte den Änderungsantrag ab, da nach § 3 Nr. 55a Satz 1 EStG nur der Übertragungsakt selbst, nicht aber spätere Wertänderungen steuerfrei seien. Auch der Einspruch blieb erfolglos. Im Klageverfahren trug die Klägerin u. a. vor:
- Sie sei nicht originäre Mitunternehmerin;
- die Werterhöhung habe ihr keinen tatsächlichen Vorteil verschafft;
- es fehle an Liquidität;
- es liege ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und gegen Art. 3 GG vor;
- das versicherungsmathematische Gutachten bestätige die rein fiktive Werterhöhung.
Die Klage zielte auf Nichtansetzung der Sonderbetriebseinnahmen oder hilfsweise auf Zulassung der Revision. Das FG Münster wies die Klage ab.
4. Entscheidungsgründe des FG Münster
a. Steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Die rein buchmäßige Werterhöhung sei als Sonderbetriebseinnahme i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu erfassen. Die Zurechnung der Einkünfte aus dem übergegangenen Anrecht richte sich nach § 3 Nr. 55a Satz 2 EStG, wonach die ausgleichsberechtigte Person so zu besteuern sei, als hätte die interne Teilung nicht stattgefunden: „Leistungen […] gehören zu den Einkünften, zu denen die Leistungen bei der ausgleichspflichtigen Person gehören würden […]“. Somit wird die Klägerin wie ein Mitunternehmer mit gewerblichen Einkünften behandelt, obwohl sie tatsächlich keine Gesellschaftsbeteiligung hält.
b. Begriff der „Leistung“
Das Gericht interpretiert den Begriff „Leistung“ i. S. d. § 3 Nr. 55a EStG nicht eng, sondern umfasst auch rein buchhalterische Wertveränderungen. Die Werterhöhung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung ist daher als wirtschaftlich relevante Leistung steuerbar.
c. Kein korrespondierender Gesamthandsergebnisverlust
Da die Klägerin nicht originäre Mitunternehmerin ist, kann ihr kein anteiliger Verlust aus der Gesamthandsbilanz zugerechnet werden. Die steuerliche Behandlung ist daher asymmetrisch:
Zitat: „Eine etwaige Steuerneutralität kann nur für den Kreis der tatsächlichen Mitunternehmer in Frage kommen.“
d. Verfassungsmäßigkeit und Gleichbehandlung
Die Argumente der Klägerin zur Verfassungswidrigkeit wies das Gericht zurück:
- Keine Ungleichbehandlung: Der Gesetzgeber verfolge mit § 3 Nr. 55a EStG ein sachliches Ziel (Gleichlauf bei Besteuerung aus Versorgungsausgleich).
- Leistungsfähigkeitsprinzip: Die höhere Aktivierung erhöhe die steuerliche Leistungsfähigkeit.
- Liquiditätsneutralität: Das Fehlen eines Zuflusses sei kein Hinderungsgrund, da auch Pensionsrückstellungen ohne Zahlung zu bilanzieren seien.
Zitat: „Der Teilwert der Pensionszusage […] erhöht die steuerliche Leistungsfähigkeit der Klägerin […], was die Versteuerung des Buchgewinns rechtfertigt.“
5. Einordnung und Auswirkungen auf die Praxis
Das Urteil verdeutlicht, dass Pensionszusagen, die durch Versorgungsausgleich auf eine nicht beteiligte Person übertragen werden, trotz ihrer buchhalterischen Natur steuerlich voll zu erfassen sind. Selbst ohne Kapitalzufluss entsteht eine steuerpflichtige Sonderbetriebseinnahme.
Diese Entscheidung betrifft insbesondere:
- Unternehmer mit betrieblicher Altersversorgung in Personengesellschaften;
- geschiedene Ehegatten, die im Rahmen des Versorgungsausgleichs Pensionsanrechte erhalten;
- Steuerberater bei der Aufstellung von Sonderbilanzen im Zuge von Eheauflösungen.
Abgrenzung zu anderen Einkunftsarten
Während Empfänger von Pensionsleistungen aus nichtbetrieblichen Einkünften (z. B. § 19 EStG) regelmäßig nachgelagert bei Auszahlung besteuert werden, erfolgt hier die Besteuerung zeitlich vorgelagert bereits bei Werterhöhung. Dies stellt ein nicht außer Acht zu lassendes Risiko für die Liquiditätsplanung dar.
Steuerliche Planung
Die Entscheidung mahnt zur steuerlichen Vorsorge und Beratung bei:
- Gestaltung von Scheidungsfolgenvereinbarungen;
- Übertragungen von betrieblichen Pensionsanwartschaften;
- Feststellung der steuerlichen Auswirkungen bei Bilanzierung.
6. Fazit
Das FG Münster hat mit seinem Urteil klargestellt, dass auch nicht realisierte Werterhöhungen von Pensionsansprüchen, die im Zuge eines Versorgungsausgleichs intern auf einen ehemaligen Ehegatten übertragen wurden, steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb darstellen – selbst wenn der Empfänger kein Mitunternehmer ist.
Die Revision wurde zugelassen – möglicherweise klärt der Bundesfinanzhof in Zukunft, ob dieser Eingriff in die Steuerpflichtigkeit ohne Liquidität verfassungsrechtlich zulässig ist. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
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