Geschäftsführerhaftung für Gewerbesteuerschulden: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg konkretisiert Mittelvorsorgepflicht (Beschluss vom 14.08.2025 – 2 S 1094/25)

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat in seinem Beschluss vom 14. August 2025 (Az. 2 S 1094/25) die Pflichten von GmbH-Geschäftsführern bei der Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit für Steuerschulden verdeutlicht. Konkret ging es um die Haftung eines Geschäftsführers für nicht gezahlte Gewerbesteuerschulden einer Objektgesellschaft, deren Gewinne in Form ungesicherter Darlehen an verbundene Unternehmen abgeflossen waren.
Konkret hatte ein Geschäftsführer Gewinne in Millionenhöhe als ungesichertes Darlehen an eine verbundene Gesellschaft weitergeleitet, während gleichzeitig erhebliche Gewerbesteuerschulden absehbar waren. Der VGH stellte klar: Rückstellungen in der Bilanz reichen nicht aus, um die Zahlungspflicht abzusichern. Geschäftsführer müssen vielmehr aktiv vorausschauend Liquidität bereitstellen und schon im Vorfeld dafür sorgen, dass künftige Steuerlasten gedeckt sind. Wer dies unterlässt, handelt grob fahrlässig und haftet persönlich, im Streitfall immerhin für 357.626,56 EUR.
Die Entscheidung zeigt eindringlich, wie wichtig sorgfältige Liquiditätsplanung und interne Kontrolle für Geschäftsführer sind.
1. Sachverhalt
Der Antragsteller war seit 2016 Geschäftsführer der W… Verwaltungs GmbH, die als Komplementärin die Geschäfte der W… Objektgesellschaft GmbH & Co. KG führte. Diese war im Immobilienbereich tätig. Zusätzlich war er Geschäftsführer der W… Trading GmbH, einer weiteren Konzerngesellschaft.
Auf Grundlage eines Gewerbesteuermessbescheids setzte das Finanzamt im Juli 2023 eine Gewerbesteuer von 694.097,95 EUR für das Jahr 2020 fest. Teilzahlungen erfolgten, doch blieben 357.626,56 EUR offen (inkl. Zinsen und Nebenkosten). Da Vollstreckungsversuche erfolglos blieben, nahm die Kommune den Geschäftsführer persönlich nach § 69 i. V. m. § 34 AO in Anspruch.
Verfahrensgang:
- Das Finanzamt erließ einen Haftungsbescheid über 357.626,56 EUR gegen den Geschäftsführer. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen.
- VG Stuttgart: Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (Beschluss vom 26.05.2025, Az. 10 K 7647/24).
- VGH Baden-Württemberg: Zurückweisung der Beschwerde des Geschäftsführers im vorliegenden Beschluss.
2. Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichtshofs
Zentral war die Frage, ob der Geschäftsführer seine Mittelvorsorgepflicht verletzt hat. Der Senat stellte klar:
„Es gehört zu den Pflichten eines ordentlichen Geschäftsmannes, über die Mittel der Gesellschaft nur so zu disponieren, dass diese im Zeitpunkt der Fälligkeit von Steuerschulden nach dem normalen und absehbaren Verlauf der Dinge zu deren Tilgung zur Verfügung stehen.“
Festgestellte Pflichtverletzungen:
a. Ungesichertes Darlehen an die W… Trading GmbH (2020):
- 3,717 Mio. EUR aus Gewinnen 2020 wurden ohne Sicherheiten weitergereicht.
- Rücklagen für die absehbare Gewerbesteuer von rund 694.000 EUR wurden nicht gebildet.
- Die Empfänger-Gesellschaft verfügte nachweislich kaum über liquide Mittel.
b. Vorzeitige Rückzahlung von 2,5 Mio. EUR (2021):
- Trotz bereits entstandener Steuerschulden beglich die Objektgesellschaft Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen.
- Rückstellungen in der Bilanz reichten nicht aus, da sie keine tatsächliche Liquidität sicherstellten.
c. Keine Entlastung durch Steuerberater:
- Rückstellungen im Jahresabschluss ersetzen keine Liquiditätsvorsorge.
- Verantwortung verbleibt beim Geschäftsführer.
d. Grobe Fahrlässigkeit:
- Die Pflichtverletzungen indizieren eine grob fahrlässige Missachtung der Sorgfaltspflichten (§ 69 AO).
- Ein ordentlicher Geschäftsführer hätte unter diesen Umständen keine ungesicherten Darlehen vergeben.
Keine unzumutbare Härte
Der Geschäftsführer konnte keine konkreten finanziellen Nachteile darlegen, die über die Zahlung hinausgingen. Damit lag keine Härte i. S. d. § 80 Abs. 5 VwGO vor.
3. Praktische Relevanz und Auswirkungen für Geschäftsführer
- Liquiditätsplanung und Pflicht zur Mittelvorsorge: Geschäftsführer müssen nicht nur Gewinne erwirtschaften, sondern rechtzeitig liquide Mittel zur Steuerzahlung sichern.
- Darlehensvergabe an verbundene Unternehmen: Im Zweifel nur mit Sicherheiten und unter Wahrung der Steuerlast zulässig.
- Dokumentation: Maßnahmen zur Sicherstellung der Steuerzahlungen müssen nachvollziehbar dokumentiert werden.
- Risikomanagement: Einfache Verweise auf Bilanzrückstellungen oder externe Beratung schützen nicht vor Haftung.
- Keine Entlastung durch Steuerberater: Verantwortung für Liquidität verbleibt beim Geschäftsführer.
Fazit
Der VGH Baden-Württemberg hat mit seinem Beschluss vom 14.08.2025 klargestellt: Geschäftsführer müssen frühzeitig sicherstellen, dass Steuern bei Fälligkeit gezahlt werden können. Wer Gewinne ungesichert an verbundene Unternehmen weiterleitet oder Rückstellungen mit Liquidität verwechselt, haftet persönlich für den Steuerausfall.
Für GmbH-Geschäftsführer bedeutet dies: Steuerliche Mittelvorsorge hat oberste Priorität – unabhängig von Konjunktur, Konzernstrukturen oder externen Beratern.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
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