07.08.2025 -
Der BFH entscheidet: Eine geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft kann ohne zusätzliche gewerbliche Tätigkeit Organträgerin einer Organschaft sein - ein wegweisendes Urteil für Holdingstrukturen.
Welche Kriterien bestehen für die steuerliche Anerkennung einer geschäftsleitenden Holding-Personengesellschaft als Organträgerin einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft? (credits: adobestock)

1. Worum es geht

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem am 24.04.2025 veröffentlichte Urteil vom 27.11.2024, Az. I R 23/21 eine praxisnahe und wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung zur körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft gefällt. Er entschied, dass eine geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft auch ohne zusätzliche entgeltliche Dienstleistungen oder eigene Arbeitnehmer als Organträgerin fungieren kann. Entscheidend ist allein der nach außen erkennbare, einheitliche Einfluss auf das operative Geschäft der Organgesellschaften.

Damit weicht der BFH von der bisherigen, strengeren Verwaltungsauffassung ab und erweitert den Gestaltungsspielraum in Konzern- und Holding-Strukturen.

Für Unternehmen mit Holdingstrukturen und für steuerliche Berater eröffnet das Urteil neue, rechtssichere Gestaltungsmöglichkeiten – verbunden mit klaren Anforderungen an die Dokumentation der Leitungstätigkeit.

2. Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, die zur Unternehmensgruppe „Z-Gruppe“ gehört und bis einschließlich 2007 vollständig im Eigentum der A-GmbH stand. Die A-GmbH war selbst gewerblich als Großhändlerin tätig und hatte mit der Klägerin sowie acht weiteren Gesellschaften körperschaftsteuerrechtliche Organschaften begründet. Im Zuge einer konzerninternen Umstrukturierung gliederte die A-GmbH ihren Großhandelsbetrieb auf eine Tochterkapitalgesellschaft (B-GmbH) aus. Die restlichen Vermögenswerte – darunter auch die Anteile an der Klägerin und an der BG-mbH – übertrug sie auf eine neu gegründete Kommanditgesellschaft, die X-KG. Deren Komplementärin war eine Stiftung. Die X-KG übernahm im Rahmen der Ausgliederung unter anderem auch den Ergebnisabführungsvertrag mit der Klägerin.

Die XKG und die Klägerin gingen von einer wirksamen körperschaftsteuerlichen Organschaft im Streitjahr 2008 aus. Das Finanzamt hingegen lehnte die Anerkennung ab: Es fehle der X-KG an einer eigenen gewerblichen Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Insbesondere habe sie keine Arbeitnehmer beschäftigt oder konzerninterne Dienstleistungen erbracht.

Das Finanzgericht Nürnberg folgte dieser Argumentation nicht. Es erkannte die X-KG als Organträgerin an und setzte die Körperschaftsteuer auf 0 € herab. Gegen dieses Urteil legte das Finanzamt Revision ein.

3. Entscheidungsgründe des BFH

Die zentrale Norm ist § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG. Danach kann eine Personengesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland Organträgerin sein, wenn sie eine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt.

Entscheidend sei das „Gesamtbild der Betätigung“. Eine Tätigkeit als Holding, die aktiv und planmäßig Einfluss auf Tochtergesellschaften ausübt, sei gewerblich – auch ohne ergänzende Dienstleistungen.

a. Abgrenzung zwischen bloßer Vermögensverwaltung und geschäftsleitender Holding

Der BFH unterscheidet deutlich zwischen vermögensverwaltender Beteiligung und gewerblicher geschäftsleitender Holding. Letztere übt eine erkennbare Leitungstätigkeit aus. Kriterien für eine nach außen erkennbare einheitliche Leitung sind:

  • Erteilen schriftlicher Weisungen an Tochtergesellschaften
  • Erlass von Richtlinien über die Geschäftspolitik der abhängigen Unternehmen.
  • dokumentierte gemeinsame Besprechungen und Beratungen der Leitungsgremien (bspw. Protokoll der Geschäftsführersitzung),
  • schriftliche Empfehlungen des herrschenden Unternehmens.

Eine zusätzliche gewerbliche Betätigung, zum Beispiel in der Form der Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen, ist […] nicht zwingend erforderlich.

b. Bestätigung und Fortschreibung früherer Rechtsprechung

Der BFH verweist auf eine gefestigte Rechtsprechung, die bereits seit 1969 die geschäftsleitende Holding als gewerbliche Tätigkeit anerkennt, sofern eine nach außen erkennbare einheitliche „Leitung über mehrere Organgesellschaften“ erfolgt. Diese Linie überträgt er nun konsequent auf die Organträgereigenschaft nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG, lässt aber – weil nicht entscheidungserheblich – die bislang nicht entschiedene Frage offen, ob auch eine einige Organgesellschaft ausreichen kann.

c. Kritik an der Verwaltungsauffassung

Die Finanzverwaltung verlangt in Rn. 18 des BMF-Schreibens vom 10.11.2005 zusätzlich zur geschäftsleitenden Tätigkeit entgeltliche Dienstleistungen. Diese Auffassung lehnt der BFH ausdrücklich ab: Der Gesetzeswortlaut biete keinen Anhaltspunkt für diese einschränkende Auslegung, ebenso wenig das Ziel der Regelung, das Verbot einer Mehrmütterorganschaft abzusichern. Denn die bei einer Mehrmütterorganschaft vorliegende reine Willensbildungs-GbR wird durch das Erfordernis einer originären gewerblichen Tätigkeit der Organträger-Personengesellschaft in jedem Fall ausgeschlossen.

4. Auswirkungen auf die Praxis

a. Wegfall zusätzlicher Tätigkeitsanforderungen

Holdinggesellschaften, die mehrere Tochtergesellschaften strategisch steuern, müssen nicht mehr zusätzlich Dienstleistungen anbieten, um als Organträgerin anerkannt zu werden. Eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG liegt auch dann vor, wenn die Organträger-Personengesellschaft ausschließlich als geschäftsleitende Holding tätig ist. Konzerninterne entgeltliche Dienstleistungen oder andere zusätzliche gewerbliche Aktivitäten sind in einem solchen Fall nicht erforderlich.

b. Beweisanforderungen in der Praxis

Die Leitung muss allerdings nach außen dokumentiert und nachweisbar sein. Der BFH misst der protokollierten Geschäftsführersitzung entscheidende Bedeutung zu. Schriftliche Protokolle, Weisungen oder Geschäftsführungsrichtlinien sind daher essenziell.


Autor: RA & StB Andreas Jahn

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