BGH korrigiert OLG Stuttgart: Streit um § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG und die Hauptversammlung bei Heckler & Koch – gilt die Legitimationswirkung auch für nicht börsennotierte AGs?
BGH korrigiert das OLG Stuttgart und begrenzt die Vermutungswirkung auf die gesetzlich vorgesehenen Fälle! (credits: adobestock)

Die Streitigkeiten um die Muttergesellschaft von Heckler & Koch gehen weiter. Jetzt streiten sich auch der BGH und das OLG Stuttgart. Im Zentrum: Die Reichweite der Legitimationswirkung von § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG. Worum geht es:

Im Zentrum des Verfahrens steht die Muttergesellschaft von Heckler & Koch, eine nicht börsennotierte AG, deren Inhaberaktien im Freiverkehr (Euronext Paris) gehandelt wurden. Zwischen zwei Aktionären besteht Streit über das Eigentum an rund 13 Millionen Aktien. Ein Aktionär meldete seinen Aktienbestand zu der virtuellen Hauptversammlung 2020 dieser Gesellschaft an. Zur Legitimation beruft er sich auf eine schriftliche Erklärung einer Rechtsanwältin, welche die Aktien für diesen Aktionär besitze. Frage: Gilt die Vermutungswirkung in § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG nur für die börsennotierten Aktiengesellschaften oder auch für nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften, wenn deren Satzung einen Nachweis in anderer Form als durch Depotbanken oder Intermediäre zulässt.

1. BGH vom 25.03.2025 – Keine Vermutungswirkung bei satzungsmäßigen Nachweisen

Der BGH stellt in seinem Urteil vom 25.03.2025 (II ZR 208/22) klar:

Die Vermutung gilt ausschließlich für die gesetzlich vorgesehenen Nachweise – also vor allem für den durch ein depotführendes Institut erstellten Nachweis bei börsennotierten Gesellschaften. Die Regelung in § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG könne nicht auf satzungsmäßige Nachweise ausgedehnt werden. Eine solche Vermutungswirkung sei allein der gesetzlich geregelten Nachweisform vorbehalten.

Zwar hielt der BGH fest, dass die Teilnahme- und Stimmrechte der Aktionäre auch durch satzungsgemäße Nachweise begründet werden können – allerdings ohne

Schutz durch die unwiderlegliche Vermutung. Damit stellte er klar: Die Satzungsautonomie wird gewahrt, die besondere Legitimationswirkung bleibt jedoch auf die gesetzlich geregelten Fälle beschränkt.

2. OLG Stuttgart vom 16.11.2022 – Früher Vorstoß für umfassende Vermutungswirkung

Das OLG Stuttgart als Vorinstanz hatte dagegen mit Urteil vom 16.11.2022 (20 U 45/21) eine gegenteilige Linie eingeschlagen. Das Gericht war der Auffassung, dass § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG auch auf nicht börsennotierte AGen anwendbar sei.

Dazu erklärte das OLG Stuttgart, die Vorschrift sei auf jede Form des Nachweises anwendbar, sofern sie den satzungsmäßigen Anforderungen genüge – auch dann, wenn die materielle Richtigkeit zweifelhaft sei. Nur bei konkretem Verdacht auf Fälschung oder Unrichtigkeit verliere die Bescheinigung ihre Legitimationswirkung.

3. Blick nach vorn: Wird der BGH nach dem weiteren Urteil des OLG Stuttgart vom 26.07.2024 umdenken?

Mit Urteil vom 26.07.2024 (20 U 44/23) untermauerte das OLG Stuttgart seine frühere Auffassung: Auch nicht börsennotierte AGen können sich auf die unwiderlegliche Vermutung des § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG berufen, wenn der Nachweis den Satzungsvorgaben entspricht. Das Gericht dehnte die Vermutung auf sämtliche zulässige Nachweisformen aus – auch anwaltliche Bescheinigungen – und stellte klar, dass selbst materiell unrichtige Nachweise die Legitimationswirkung entfalten, sofern die Gesellschaft ihrer Prüfungspflicht nachkommt.

Fazit: Bleibt der BGH bei seiner Linie – oder ist eine Kehrtwende möglich?

Die Entscheidung des BGH vom 25.03.2025 markiert eine klare Abgrenzung von der extensiven Auslegung des § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG durch das OLG Stuttgart. Die Vermutungswirkung wird auf die gesetzlich geregelten Fälle und Nachweise begrenzt – Nachweise gemäß individueller Satzungsregelungen reichen nicht aus.

Ob der BGH angesichts der späteren Entscheidung des OLG Stuttgart vom 26.07.2024 seine Linie noch einmal überdenkt, ist offen. Er wird dazu Gelegenheit bekommen. Das OLG Stuttgart hat in dem Urteil vom 26.07.2024 die Revision zugelassen.


Autor: Dr. Andreas Menkel

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