
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht hat mit Urteil vom 31. März 2025 (3 K 28/24) entschieden:
- Zum einen, ob der vorzeitige Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen als begünstigtes Vermögen im Sinne der §§ 13a, 13b ErbStG gilt;
- zum anderen, ob eine aufschiebend bedingte Last abzuzinsen ist.
Das Gericht verneint beides und grenzt sich damit deutlich von steuerzahlerfreundlichen Auffassungen in der Literatur und Teilen der Verwaltung ab. Die Entscheidung ist für die Gestaltung landwirtschaftlicher Hofübergaben und Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt von Bedeutung.
1. Sachverhalt
Ein Landwirt hatte 2006 seinen Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn übertragen und sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten. Er bewirtschaftete die Flächen weiter selbst. 2014 übertrug er weitere, später erworbene Flächen auf den Sohn und verzichtete zugleich – gegen Altenteilsleistungen – teilweise auf den vorbehaltenen Nießbrauch. Zudem verpflichtete sich der Sohn, ein Grundstück zu übertragen, wenn die Eltern ihren Wohnsitz dorthin verlegen würden (aufschiebend bedingte Last). Das geschah einige Jahre später; der Kläger übertrug das Grundstück (Eintritt der Bedingung).
Das Finanzamt (FA) behandelte den Nießbrauchsverzicht als schenkungsteuerpflichtig, gewährte aber keine Steuervergünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG. Bei der begehrten Berücksichtigung der bedingten Last im Jahr des Bedingungseintritts nahm das FA eine Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG vor. Gegen beides wandte sich der Sohn mit Einspruch und Klage.
2. Entscheidungsgründe des Finanzgerichts
Das Finanzgericht gab der Klage nur teilweise statt:
- Keine Abzinsung aufschiebend bedingter Lasten, da § 12 Abs. 3 BewG nicht anwendbar ist.
- Keine Steuervergünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG für den Nießbrauchsverzicht.
a. Keine Abzinsung aufschiebend bedingter Lasten
Das Gericht folgt dem BFH-Urteil vom 15. Juli 2021 (II R 26/19) und hält fest, dass eine aufschiebend bedingte Last erst mit Eintritt der Bedingung zu bewerten ist. Eine Abzinsung für die Schwebezeit zwischen Rechtsgeschäft und Bedingungseintritt finde nicht statt:
„Eine aufschiebend bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten, eine Abzinsung für die Schwebezeit […] findet – außer in den Fällen des § 12 Abs. 3 BewG – nicht statt.“
Das Gericht weist ausdrücklich die gegenteilige Verwaltungsauffassung zurück, wonach § 12 Abs. 3 BewG analog auch für aufschiebend bedingte Lasten gelten solle. Die Norm sind hinreichend klar definiert und daher einer Auslegung weder bedürftig noch im Sinne der Finanzverwaltung zugänglich. Eine Analogie setze eine planwidrige Regelungslücke voraus, die nicht erkennbar sei. Der Gesetzgeber habe die Abzinsung bewusst nur für Kapitalforderungen und Schulden vorgesehen. Eine analoge Anwendung zulasten des Steuerpflichtigen verstoße gegen das Legalitätsprinzip und den Parlamentsvorbehalt.
„Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die von der Finanzverwaltung im o.g. Erlass angeordnete Analogie bzw. die hierin favorisierte Übertragung des Rechtsgedankens des § 12 Abs. 3 BewG eine nicht explizit gesetzlich geregelte Anwendung der Norm des § 12 Abs. 3 BewG zulasten des Steuerpflichtigen bedeuten würde. Das von der Finanzverwaltung im Erlass formulierte Vorgehen berührt einen grundrechtssensiblen Bereich (Art. 2 Abs. 1 GG), was nach der Wesentlichkeitstheorie einer gesetzlichen Grundlage bedürfte (Parlamentsvorbehalt). Eine solche gibt es … nicht, sie ist nach oben Genanntem auch nicht versehentlich unterblieben.“
Damit war der vom Sohn übernommene Abzugsposten (Grundstück A) mit seinem vollen Wert im Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu berücksichtigen – ohne Abzinsung.
b. Kein Verschonungsabschlag nach §§ 13a, 13b ErbStG für den Nießbrauchsverzicht
Der Nießbrauchsverzicht sei kein begünstigtes Vermögen i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG. Zwar handele es sich um eine Schenkung, da der Sohn durch den Wegfall der Belastung bereichert werde. Die Begünstigungsvoraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt.
Der Schenker hatte durch den Nießbrauch selbst einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft geführt. Der Kläger (Sohn) hatte ertragsteuerlich einen ruhenden Betrieb. Mit dem Verzicht wurde der Sohn Eigentümer frei von Rechten Dritter, konnte also nun selbst wirtschaften. Gleichwohl lag kein Übergang eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs vor, sondern lediglich die Aufgabe eines Nutzungsrechts.
Für die Steuervergünstigung müsse das übertragene Vermögen bei Schenker und Beschenktem jeweils den Tatbestand des begünstigten land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 168 BewG) erfüllen (Kontinuitätserfordernis). Das sei hier nicht der Fall.
- Beim Schenker gehörte das Nießbrauchsrecht als immaterielles Wirtschaftsgut zum Wirtschaftsteil seines Betriebs.
- Beim Sohn bildeten dagegen die Eigentumsflächen den Wirtschaftsteil.
- Die Wirtschaftsgüter des Wirtschaftsteils unterschieden sich also.
Damit fehle es an der Kontinuität zwischen den beiden Betrieben. Der Nießbrauchsverzicht sei daher kein land- und forstwirtschaftliches Vermögen, sondern lediglich eine rechtliche Befreiung von einer Belastung. Die Steuervergünstigung könne deshalb nicht gewährt werden.
3. Auswirkungen auf die Praxis und Fazit
Das inzwischen rechtskräftige Urteil ist für die steuerliche Gestaltung von Betriebsübertragungen, insbesondere Hofübergaben in der Land- und Forstwirtschaft und von Nießbrauchsverzichten zu beachten.
- Keine Steuervergünstigung beim Nießbrauchsverzicht: Ein Nießbrauchsverzicht gilt steuerlich nicht als Übertragung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Steuerbegünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG kommen daher nicht in Betracht. Dies gilt selbst dann, wenn der Betrieb nach dem Verzicht in der Familie fortgeführt wird.
- Abzinsung aufschiebend bedingter Lasten: Steuerberater sollten beachten, dass eine Abzinsung solcher Verpflichtungen nicht zulässig ist, es sei denn, es handelt sich ausdrücklich um Kapitalforderungen i.S.d. § 12 Abs. 3 BewG. Die Verwaltungsauffassung, die eine weitergehende Abzinsung vorsieht, ist nach überzeugender Ansicht des FG unzulässig.
- Gestaltungshinweis: Bei Hofübertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt sollte sorgfältig geprüft werden, ob spätere Verzichtsvereinbarungen steuerlich als unbegünstigte Schenkungen zu behandeln sind. Eine steuerneutrale Gestaltung ist nur bei durchgehender Kontinuität des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens möglich.
Fazit
Die Entscheidung mahnt zur Vorsicht bei komplexen Betriebsübergaben und Hofübertragungen. Auch gut gemeinte Vereinbarungen können steuerlich unerwartete Folgen haben. Wer bei der Nachfolgeplanung mit Nießbrauchsrechten arbeitet, sollte die steuerlichen Wirkungen genau prüfen – insbesondere, wenn es später zu Änderungen oder Verzichten kommt. Nießbrauchsverzichte sind schenkungsteuerpflichtig und grundsätzlich nicht nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigt.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
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