BFH, Urteil vom 11.03.2025 – IX R 17/24

Der BFH hat mit Urteil vom 11.03.2025 klargestellt, dass auch teilentgeltliche Grundstücksübertragungen unter Angehörigen steuerpflichtig sein können. Entscheidend ist das Verhältnis von Gegenleistung zum Verkehrswert. Selbst ein unter den Anschaffungskosten liegendes Entgelt reicht für eine Besteuerung nach § 23 EStG aus.
I. Sachverhalt
Der Kläger erwarb im Jahr 2014 ein vermietetes Grundstück für 143.950 €, teilweise fremdfinanziert. Im März 2019 – also innerhalb der Spekulationsfrist von zehn Jahren – übertrug er die Immobilie auf seine Tochter. Diese übernahm das noch valutierende Darlehen über 115.000 € und finanzierte es neu. Der Verkehrswert der Immobilie lag zu diesem Zeitpunkt bei 210.000 €. Eine zusätzliche Gegenleistung erfolgte nicht. Der Kläger zahlte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 4.000 €.
Das Finanzamt (FA) sah in der Übertragung ein teilentgeltliches Geschäft und unterwarf den entgeltlichen Teil der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Es errechnete anteilig einen Veräußerungsgewinn von 40.655 €.
Verkehrswert | 210.000 € | 100,00 % |
Entgeltlicher Teil | 115.000 € | 54,76 % |
Unentgeltlicher Teil | 95.000 € | 45,24 % |
Veräußerungserlös | 115.000 € | |
./. Anschaffungskosten | 143.950 € x 54,76 % | 78.828 € |
+ Absetzung für Abnutzung (AfA) – 2014 bis 2019 | 12.185 € x 54,76 % | 6.672 € |
./. Vorfälligkeitsentschädigung | 4.000 € x 54,76 % | 2.191 € |
= Veräußerungsgewinn | 40.653 € |
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hingegen verneinte das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts. Es argumentierte u. a. mit einer teleologischen Reduktion der Norm, der fehlenden realisierten Wertsteigerung und einer möglichen Doppelbesteuerung mit Schenkungsteuer.
Gegen dieses Urteil legte das FA Revision ein – mit Erfolg.
II. Entscheidungsgründe des BFH
1. Es liegt ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG vor
Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 EStG sind erfüllt:
- Grundstücksübertragung innerhalb von zehn Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG)
- Entgeltlicher Teil durch Übernahme der Verbindlichkeit (115.000 €)
- Keine vollständige Unentgeltlichkeit (anders als vom Kläger behauptet)
„Mit der Übernahme der […] Verbindlichkeit seitens der Tochter und der damit verbundenen Schuldfreistellung hat der Kläger auch ein Entgelt […] erzielt.“
2. Die Aufteilung nach Entgeltlichkeitsquote ist auch bei unterpreisigen Übertragungen anzuwenden
Die Aufteilung eines teilentgeltlichen Vorgangs in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil erfolgt nach dem Verhältnis von Gegenleistung zu Verkehrswert (hier: 115.000 € zu 210.000 € = 54,76 %).
Aufteilung:
- Entgeltlicher Teil: 54,76 %
- Unentgeltlicher Teil: 45,24 %
Diese Methode ist nach ständiger Rechtsprechung auch bei teilentgeltlichen Übertragungen im Rahmen des § 23 EStG anzuwenden.
3. Kein Verstoß gegen das Verfassungsrecht
Der Kläger wandte ein, ihm würden fiktive Gewinne zugerechnet, obwohl ihm kein realer Mittelzufluss zugekommen sei. Dies sah der BFH anders:
- Eine objektive Zurechnung des Entgelts liegt vor.
- Es findet keine Besteuerung fiktiver Gewinne statt.
- Doppelbesteuerung mit der Schenkungsteuer ist ausgeschlossen, weil dort die übernommene Verbindlichkeit als Entgelt gegengerechnet wird.
- Auch eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung liegt nicht vor.
Leitsätze und Kernaussagen
„Im Fall der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern erfolgt […] eine Aufteilung in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert.“
„Dies gilt auch bei einem unter den Anschaffungskosten liegenden Entgelt.“
„Eine Besteuerung eines fiktiven Gewinns erfolgt nicht, da der Kläger bezogen auf den entgeltlichen Teil der Übertragung einen Wertzuwachs realisiert hat.“
III. Fazit und Empfehlung für die Praxis
Der BFH bestätigt mit seinem Urteil vom 11.03.2025 – IX R 17/24 die steuerliche Erfassung des entgeltlichen Teils einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung nach § 23 EStG, selbst wenn das Entgelt unter den historischen Anschaffungskosten liegt. Maßgeblich ist die Aufteilung des Vorgangs anhand der Entgeltlichkeitsquote. Weder eine teleologische Reduktion der Norm noch verfassungsrechtliche Bedenken stehen einer Besteuerung entgegen.
- Die Rechtsprechung konkretisiert, dass auch unterpreisige Entgeltanteile der Besteuerung unterliegen können, wenn sie als Gegenleistung gelten.
- Bei Übertragungen an Familienangehörige mit gleichzeitiger Schuldübernahme muss geprüft werden, ob ein steuerpflichtiger Vorgang vorliegt, selbst wenn keine Barzahlung erfolgt.
- Es kommt nicht auf die subjektive Sicht der Beteiligten, sondern auf die objektiv nachweisbare Wertermittlung (Verkehrswert vs. Entgelt) an.
- Bei geplanten Übertragungen innerhalb der Zehnjahresfrist empfiehlt sich eine klare Dokumentation des Verkehrswerts, des übernommenen Entgelts und der steuerlichen Ziele.
- Eine vermeintlich „unentgeltliche“ Übertragung kann sich – bei Kreditübernahme – unbemerkt in einen steuerpflichtigen Tatbestand verwandeln.
- Doppelbesteuerung ist grundsätzlich ausgeschlossen, da Schenkungsteuer nur den unentgeltlichen Teil erfasst.
- Verkehrswertgutachten oder qualifizierte Wertermittlung einholen.
- Im Zweifel frühzeitige steuerliche Beratung einholen.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
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