05.12.2023 -
Venture Debt ist eine spezielle Form der Fremdfinanzierung, die sich an Start-ups und Wachstumsunternehmen richtet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bankdarlehen steht hier nicht die Kreditwürdigkeit des Unternehmens im Vordergrund, sondern vielmehr die Potenziale des Geschäftsmodells und das erwartete Wachstum.
Venture Debt ermöglicht jungen Unternehmen, Kapital aufzunehmen, ohne dabei ihre strategische Ausrichtung zu gefährden (credits:adobestock).

Die Welt der Unternehmensfinanzierung ist vielfältig. Wachstumsunternehmen suchen ständig nach innovativen Möglichkeiten, um ihre Kapitalbasis zu stärken. In diesem Kontext hat sich „Venture Debt“ als eine Finanzierungsoption herauskristallisiert. Venture Debt ist eine spezielle Form der Fremdfinanzierung, die sich an Start-ups und Wachstumsunternehmen richtet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bankdarlehen steht hier nicht die Kreditwürdigkeit des Unternehmens im Vordergrund, sondern vielmehr die Potenziale des Geschäftsmodells und das erwartete Wachstum.

I. Darlehensvertrag

Hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Darlehensvertrages bestehen grundsätzlich mehrere Möglichkeiten. Verbreitet ist eine Ausgestaltung als Risikodarlehen im ersten Rang mit Anteilsbezugsrecht oder als partiarisches Darlehen mit Gewinnbezugsrecht.

Von zentraler Bedeutung ist zunächst die Struktur des Darlehens. In der Regel werden Terminkredite mit laufenden Zins- und Tilgungszahlungen über die vereinbarte Darlehensperiode vereinbart. Einzelne Modalitäten hinsichtlich der Zins- und Tilgungszahlungen, wie etwa tilgungsfreie Zeiträume, können individualvertraglich vereinbart werden. Vereinzelt wird das Darlehen auch als Betriebsmittelkredite ausgestaltet, im Rahmen derer dem Darlehensnehmer ein Kontokorrentkredit gewährt wird.

Hinsichtlich der Höhe des Darlehensbetrages werden regelmäßig 25-50 % der letzten Eigenkapital-Finanzierungsrunde als Ansatzpunkt genommen. Dieser Betrag wird in der Folge in einer oder mehreren Tranchen ausgezahlt. Diese sind entweder teilweise oder vollständig abzurufen und vom Eintritt bestimmter Meilensteine abhängig.

Auszahlungsbedingungen

Ebenfalls von zentraler Bedeutung doch in praxi oftmals unterschätzt sind die sog. „Conditions Precedent“. Dabei handelt es sich um vertraglich festgelegte Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um die Auszahlung des Darlehens zu veranlassen. Hierzu zählen:

  • der Abschluss und die Beurkundung des Anteilsbezugsrechtsvertrags und der Sicherheitenverträge;
  • Vorlage eines „Directors Certificate“ (insbesondere erforderliche Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, gesellschaftsrechtliche Dokumente und Bestätigungen);
  • Zusicherung, dass die Garantien korrekt sind und kein „Event of Default“ vorliegt.

Rückzahlung

Selbstredend sind in dem Darlehensvertrag Regelungen bezüglich der Rückzahlung des Darlehens aufzunehmen. Regelmäßig wird die Tilgung aus Gründen der Liquidität anfangs aufgeschoben und im Anschluss unter Zahlung zusätzlicher Zinsen durchgeführt. Es ist ebenso möglich die Zinsen selbst zu stunden und aufsummiert am Ende der Laufzeit zu zahlen.

Zinsen und weitere Gebühren

Zinsen bilden die Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Überlassung des Geldbetrages. Im Einzelnen besteht eine Vielzahl von Auszahlungsvarianten. Oftmals wird ein fixer Zinssatz gewählt, eher seltener auch ein variabler. Weniger weit verbreitet sind Mischformen. Neben die Zinsen kann eine Reihe unterschiedlicher Gebührenarten treten. Hierzu zählen etwa die Beraterkosten des Darlehensgebers im Vorbereitungsstadium oder die Kosten für den Vertragsschluss. Nicht selten werden zudem Gebühren für eine vorzeitige Rückzahlung („Prepayment Fees“) und zum Laufzeitende („End of Loan Fee“) erhoben.

Laufzeit und Beendigungsgründe

Die Laufzeit liegt regelmäßig zwischen einer Spanne von 24-48 Monaten. Verstößt der Darlehensnehmer gegen wesentliche vertragliche Pflichten (Insolvenzverstoß, keine Zahlung bei Fälligkeit etc.), berechtigt dies den Darlehensgeber zur Kündigung. Man spricht von einem sog. „Event of Default“. In der Regel werden allerdings vertragliche „Heilungsfristen“ für derartige Pflichtverstöße vereinbart, freilich gegen eine entsprechende Gebühr.

Informationsrechte und Garantien

Für den Darlehensgeber bedeutet die Auszahlung des Darlehens an ein Start-Up einen riskanten Kapitaleinsatz. Der Darlehensgeber hat demnach ein erhebliches Interesse an dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, enthalten die entsprechenden Darlehensverträge eine Reihe von Informationsrechten und Garantien. Die Informationsrechte umfassen dabei etwa die Vorlage von Jahresabschlüssen und betriebswirtschaftlichen Auswertungen im Rahmen der vorgelagerten Due Diligence Prüfung. Darüber hinaus erstrecken sich die Informationsrechte regelmäßig auf sämtliche Unterlagen, die den VC-Investoren im Beirat zur Verfügung gestellt werden. Verbleibende Informationslücken werden sodann durch Garantien hinsichtlich der wirksamen Gründung der Gesellschaft, der Berechtigung zum Abschluss aller Verträge, der Richtigkeit der Jahresabschlüsse und dem Vorliegen der für den Geschäftsbetrieb erforderlichen Genehmigungen versichert.

Verhaltenspflichten/Einhaltung von Finanzkennzahlen

Darlehensverträge enthalten üblicherweise eine Reihe weiterer Verhaltenspflichten (Covenants). Ihre Ausgestaltung hängt im Einzelnen von dem Zweck des Darlehens, dem Entwicklungsstand des Start-Ups und der Branche ab. Zu diesen Pflichten zählen insbesondere die Bewahrung besicherter Vermögensgüter, die Aufrechterhaltung der für den Geschäftsbetrieb erforderlichen Genehmigungen und die Bewahrung wesentlicher Vermögenswerte.

Daneben kann auch die Einhaltung bestimmter finanzieller Kennzahlen als sog „Financial Covenants“ vereinbart werden. Diese besitzen allerdings regelmäßig bei Start-Ups nur eine geringe Aussagekraft. Verbreitet sind daher Kennzahlen, die auf die Beziehung von Umsatz zur Verschuldung abstellen.

Beziehungen zu anderen Darlehensgebern

Hat das Start-Up bereits Darlehen von bestehenden Gesellschaftern erhalten, sind die Verhältnisse der Darlehensgeber zu diesen zu klären. Gegenüber derartigen Gesellschafterdarlehen wird grundsätzlich ein Rangrücktritt der Darlehensgeber vereinbart. Zusätzlich kann in einem „Inter-Creditor-Agreement“ das Verhältnis zwischen den Darlehensgebern untereinander geregelt werden.

II. Bezugsrechtsvereinbarung

Bezugsrechtsvereinbarungen („Warrant Agreements“) stellen ein selbständiges Optionsrecht dar, dass unabhängig vom Fortbestand des Darlehensvertrages besteht und selbständig veräußert werden kann. Dabei kann eine grundlegende Unterscheidung vorgenommen werden. Echte Warrants stellen einen Optionsvertrag dar, durch den sich die Gesellschaft und ihre Gesellschafter verpflichten, dem Darlehensgeber einen Anteil an der Gesellschaft einzuräumen. Virtuelle Warrants hingegen begründen lediglich einen Anspruch des Darlehensgebers auf Auszahlung des Wertes, der auf einen echten Unternehmensanteil rechnerisch entfallen würde. Dies entspricht der Unterscheidung zwischen ESOP und VESOP.

Ausübung des Bezugsrechts

Um das Anteilsbezugsrecht des Darlehensgebers bei Ausübung erfüllen zu können, bedarf es der Schaffung eines genehmigten Kapitals. Dies kann nur durch eine Satzungsänderung geschehen. Im Regelfall wird das Bezugsrecht der bisherigen Gesellschafter ausgeschlossen. Der sachliche Grund ist der (zukünftig) zu schließende Darlehensvertrag. Die Geschäftsführer werden zur Ausgabe der Anteile ermächtigt. Das genehmigte Kapital entsteht mit Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister. Die Ausübung erfolgt grundsätzlich durch eine entsprechende Erklärung des Darlehensgebers. Die Geschäftsführer sind dann verpflichtet, das genehmigte Kapital in Höhe der Ausübungserklärung des Darlehensgebers zu schaffen. Die Darlehensgeber erhalten dann die Geschäftsanteile. Die Übernahmeerklärung der Darlehensgeber muss notariell beurkundet oder beglaubigt sein.

Kompensationszahlungen anstelle der Anteile

Bezugsrechtsvereinbarungen können grundsätzlich auch darauf ausgerichtet sein, dass der Darlehensgeber anstelle des Bezugs von Anteilen im Falle eines Exits einen Anspruch auf eine entsprechende Kompensationszahlung erhält. Wirtschaftlich wird der Darlehensgeber so gestellt, als habe er seine Bezugsrechte unmittelbar vor dem Exit ausgeübt und Anteile in entsprechender Höhe an der Gesellschaft gehalten. In ähnlicher Weise wird auch der Zahlungsanspruch im Falle eines virtuellen Warrants berechnet.

Bestandsschutz des Anteilsbezugsrechts

Das Anteilsbezugsrecht ist vor dem Hintergrund neu hinzukommender Gesellschafter oder anderweitiger Kapitalmaßnahmen zu schützen. Hierzu sind eine Reihe von Absicherungsmaßnahmen in den Vertrag aufzunehmen. Üblich sind:

  • Pflicht zum Beitritt zur Bezugsrechtsvereinbarung; Bestandsgesellschafter müssen darauf hinwirken, dass neu eintretende Gesellschafter der Vereinbarung beitreten;
  • Aufrechterhaltung des genehmigten Kapitals;
  • Absicherung im Falle eines Rechtsformwechsels durch Verpflichtung zur Ausgabe neuer Anteile oder Abschluss einer neuen Bezugsrechtsvereinbarung;
  • Keine Veränderungen der Rechte der Anteilsklasse;
  • Verwässerungsschutz.

Weitere Vergütungselemente

Neben dem Anteilsbezugsrecht können weitere Vergütungselemente in die vertragliche Vereinbarung aufgenommen werden. Üblich sind Investitionsrechte für zukünftige Eigenkapital-Finanzierungsrunden und Bonuszahlungen bei Erreichung bestimmter Umsatzziele.

Informationsrechte

Auch die Bezugsrechtsvereinbarung geht mit einer Reihe von Informationsrechten einher. Dies erklärt sich durch ihre Selbständigkeit gegenüber dem Darlehensvertrag. Darlehensgeber und Bezugsrechtsinhaber müssen nicht zwangsläufig personenidentisch sein. Die Informationsrechte umfassen üblicherweise die Vorlage von Jahres-, Monats- und Quartalsberichten, rechtzeitige Benachrichtigungen über Ereignisse, die für das Anteilsbezugsrecht von Relevanz sein können und Dokumente für die nachfolgenden Eigenkapital-Finanzierungsrunden und Rechtsformwechsel.

Garantien und Verhaltenspflichten

Die Garantien im Rahmen einer Bezugsrechtsvereinbarung umfassen üblicherweise lediglich sog. „Fundamentalgarantien“. Hierzu zählen das Bestehen der Gesellschaft, die Berechtigung zum Abschluss der Bezugsrechtsvereinbarung, die Richtigkeit der Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschafterliste und das Nichtvorliegen von Insolvenzgründen.

Die Verhaltenspflichten dienen dem Schutz des Anteilsbezugsrechts. Sie können etwa auf Beschluss einer Kapitalerhöhung gerichtet sein.

Veräußerung an Dritte

Aus der selbständigen Natur des Anteilsbezugsrechts folgt, dass die Person des Darlehensgebers und des Bezugsrechtsinhabers auseinanderfallen können. Es besteht selbstverständlich ein Interesse des Start-Ups, die Bezugsrechtsinhaber im Blick zu behalten. Veräußerungsbeschränkungen sind in praxi allerdings nur begrenzt möglich. Häufig wird jedenfalls ein Veräußerungsverbot mit Blick auf Konkurrenten vereinbart. Teilweise wird den Bestandgesellschaftern auch ein Vorerwerbsrecht eingeräumt. Eher selten sind dagegen Zustimmungsvorbehalte der Gesellschafter.

III. Sonstige Sicherheitenverträge

Neben dem Anteilsbezugsrechts werden Darlehensgeber häufig um weitere Sicherheiten bemüht sein. Allerdings entspricht es der Natur eines Start-Ups, dass das eigene Vermögen noch aufgebaut wird. Daher erlangen insbesondere die folgenden Vermögensgegenstände als Sicherheiten Bedeutung:

  • Bankkonten
    • Verpfändung von Kontoguthaben der Gesellschaft auf vertraglich festgelegte Konten
  • Forderungen
    • Abtretung von Forderungen z.B. aus Factoring-Verträgen
  • IP-Rechte/Know-how
    • Verpfändung von Patenten, Marken, Namensrechten, Urheberrechten oder Domains
  • Bewegliches Anlagevermögen
    • Übertragung von Miteigentum oder Anwartschaftsrechten

Erforderliche Dokumentation

Besondere Beachtung verdient die hinreichende Dokumentation der Auszahlungsbedingungen. Diese hat für Geldgeber eine essentielle Bedeutung. Es sind demnach mit Sorgfalt die erforderlichen Dokumente zusammenzustellen und aufzubewahren. Hierzu zählen insbesondere:

  • der unterschriebene Venture Debt-Darlehensvertrag;
  • das Warrant Agreement;
  • die Sicherheitenverträge;
  • das Directors Certificate;
  • der Business Plan für das laufende Geschäftsjahr.

IV. Fazit

Venture Debt ermöglicht jungen Unternehmen, Kapital aufzunehmen, ohne dabei ihre strategische Ausrichtung zu gefährden. Mit der richtigen Balance zwischen Eigenkapital und Fremdfinanzierung kann Venture Debt eine positive Rolle dabei spielen, die Innovationskraft und das Wachstum von Unternehmen in einer sich ständig wandelnden Wirtschaft zu fördern.


Autoren: Dr. Andreas Menkel, Constantin Dorschu

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „MEYER-KÖRING ist besonders renommiert für die gesellschaftsrechtliche Beratung.“
    (JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022)

Autor

Bild von Dr. Andreas Menkel
Partner
Dr. Andreas Menkel
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Fachanwalt für Steuerrecht
Ihr Ansprechpartner für
  • Gesellschaftsrecht
  • Transaktionen (M&A)
  • Führungskräfte

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen