07.07.2025 -
Der BFH äußert Zweifel an der Steuerbarkeit disquotaler Einlagen in die Kapitalrücklage einer GmbH - relevante Klarstellung für Steuerberater und Unternehmer.
BFH: Mehr Sicherheit für Gesellschaftern und Beratern – Nicht jede disquotale Einlage führt zur Besteuerung nach § 7 Abs. 8 ErbStG (credits: adobestock).

1. Einleitung: Worum geht es?

    Mit Beschluss vom 06.06.2025 (Az. II B 43/24 (AdV)) hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Rahmen eines AdV-Verfahrens (Aussetzung der Vollziehung) wesentliche Zweifel an der Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG geäußert, wenn Gesellschaftereinlagen in die Kapitalrücklage einer GmbH individuell (= gesellschafterbezogen) zugeordnet werden. Der Fall betrifft eine häufige Konstellation im Gesellschafts- und Steuerrecht: Disquotale Einlagen einzelner Gesellschafter ohne entsprechende Satzungsregelung, aber mit schuldrechtlicher Vereinbarung. Die Entscheidung ist für Unternehmer und Berater von hoher praktischer Bedeutung.

    2. Sachverhalt

    Beteiligungsverhältnisse und Kapitalmaßnahmen

    Gesellschafter der XGmbH waren A, B, C, D und die Antragstellerin E mit Beteiligungsquoten von jeweils 20 %. Die Gesellschafter vereinbarten mehrfach kapitalmäßige Nachschüsse zur Finanzierung von Beteiligungserwerben. Diese Einlagen wurden nicht quotal, sondern disquotal – also nicht entsprechend der Beteiligungsverhältnisse – geleistet, insbesondere durch A. E leitete keine Einlagen.

    Diese Einlagen wurden jeweils der Kapitalrücklage zugeführt und in den Jahresabschlüssen personenbezogen ausgewiesen. Ergänzend wurde vereinbart, dass diese Kapitalrücklagen im Liquidationsfall oder bei Ausschüttung ausschließlich dem einzahlenden Gesellschafter zustehen sollten.

    Satzungsänderung zur Gewinnverteilung

    Zudem wurde die Satzung angepasst: Gewinne wurden nicht mehr nach den Beteiligungsquoten, sondern im Verhältnis zur Finanzierung der Beteiligungserwerbe verteilt. Die Regelung sah eine quotal proportionale Ausschüttung nach Höhe der Refinanzierung (Darlehen oder Einlage) vor.

    Finanzamt und Finanzgericht

    Das Finanzamt (FA) beurteilte die Einzahlungen als schenkungsteuerpflichtige Vorgänge nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. Es erließ vier Schenkungsteuerbescheide gegenüber der Antragstellerin, die auf eine (fingierte) freigebige Zuwendung von A und B abstellten. Die Antragstellerin beantragte erfolglos beim FA die Aussetzung der Vollziehung, anschließend scheiterte sie auch beim FG Nürnberg (Beschluss vom 22.07.2024, 4 V 206/24).

    Das FG argumentierte, eine schuldrechtliche Abrede reiche nicht aus, um eine steuerbare Werterhöhung zu verhindern; es fehle an einer satzungsmäßigen Grundlage für disquotale Einlagen und gesellschafterbezogene Rücklagen.

    3. Entscheidungsgründe des BFH

    Zweifel an § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG im konkreten Fall

    Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG liegt eine Schenkung vor, wenn durch eine Leistung an eine Kapitalgesellschaft der Wert eines Anteils eines (Mit-)Gesellschafters steigt. Die Vorschrift soll Steuerumgehungen verhindern, insbesondere bei disquotalen Einlagen, also wenn ein Gesellschafter mehr einzahlt, als es seinem Anteil entspricht.

    Voraussetzung: Wertsteigerung des Anteils

    Eine steuerbare Zuwendung liegt nur dann vor, wenn der gemeine Wert des Anteils nach der Leistung höher ist als vorher. Die Feststellungslast liegt beim Finanzamt.

    Kein Vorteil bei personenbezogener Kapitalrücklage

    Der BFH stellt klar:

    Der Eintritt einer solchen Werterhöhung […] ist […] ausgeschlossen, wenn dem einlegenden Gesellschafter anlässlich seiner Leistung zusätzliche Rechte gewährt werden […], oder dem einlegenden Gesellschafter seine Einlageleistung über eine schuldrechtlich vereinbarte personenbezogene Kapitalrücklage […] zugeordnet wird.“

    Der BFH erkennt an, dass die Einlagen:

    • jeweils personenbezogen zugeordnet wurden,
    • diese Zuordnung in Gesellschafterbeschlüssen und Jahresabschlüssen festgehalten wurde,
    • die Einleger im Fall der Liquidation alleinige Anspruchsberechtigte sind.

    Dies sei bei summarischer Prüfung ausreichend, um ernstliche Zweifel an einer „Endvermögensverschiebung“ zu begründen.

    Bei summarischer Prüfung ist die in den Bilanzen […] ausgewiesene betrags- und personenbezogene Zuordnung […] als rechtlich bindend anzusehen.“

    Kein Erfordernis einer Satzungsregelung?

    Das FG hatte eine fehlende Satzungsregelung bemängelt. Der BFH hält dagegen, dass die Rechtsprechung hierzu nicht abschließend ist. Im Schrifttum wird überwiegend vertreten, dass eine schuldrechtliche Abrede ausreichend sei.

    Die getroffene Abrede über die personenbezogene Zuordnung der Kapitalrücklage entfaltete […] Bindungswirkung gegenüber sämtlichen Gesellschaftern. Die XGmbH konnte diese Abrede jedem Gesellschafter, der im Liquidationsfall einen höheren als den vereinbarten Anteil an der Kapitalrücklage geltend macht, nach § 328 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entgegenhalten“

    Verwaltungsanweisung bestätigt BFH-Sichtweise

    Die Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR 2019) bestätigen, dass eine schuldrechtlich gebundene Kapitalrücklage der Schenkungsteuer nicht unterliegt, wenn keine endgültige Vermögensverschiebung eintritt (R E 7.5 Abs. 11 Sätze 13 und 14).

    Weitere Argumente nicht entscheidungserheblich

    Ob daneben noch wegen einer Gegenleistung in Form quotaler Gewinnausschüttung keine Werterhöhung vorliegt, lässt der BFH offen.

    4. Einordnung und Empfehlungen

    Der Beschluss des BFH gibt Gesellschaftern und Beratern im Fall disquotaler Einlagen etwas mehr Sicherheit: Nicht jede disquotale Einlage führt zur Besteuerung nach § 7 Abs. 8 ErbStG. Entscheidend ist, ob eine effektive Werterhöhung der Mitgesellschafter eintritt. Wird eine Einlage personenbezogen zugeordnet und besteht keine Bereicherung Dritter, liegt regelmäßig keine steuerbare Zuwendung vor.

    Für GmbH-Gesellschafter wichtig:

    • Eine schuldrechtliche Vereinbarung zur gesellschafterbezogenen Zuordnung der Einlage kann im Einzelfall ausreichen.
    • Eine satzungsmäßige Regelung ist nicht zwingend, ist aber dennoch vorsorglich anzuraten, insbesondere, wenn langfristige Rechtssicherheit oder Anteilsübertragungen geplant sind.
    • Der Jahresabschluss mit personenbezogenen Kapitalrücklageausweisen kann eine relevante Beweiskraft entfalten.
    • Dokumentation ist entscheidend: Kapitalzuführungen sollten durch Gesellschafterbeschluss und Jahresabschluss klar dokumentiert und personenbezogen ausgewiesen sein.

    Autor: RA & StB Andreas Jahn

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