22.03.2021 -

Ob Geschäftsführer, Vorstände oder Aufsichtsräte – die Anzahl der wegen binnenpflichtwidrigen Verhaltens in Haftung genommenen Führungskräfte hat in den letzten Jahrzehnten signifikant zugenommen. Daher bringt die Managerhaftung nicht nur in pandemiebedingten Krisenzeiten eine spürbare Gefahr für Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte sämtlicher Unternehmensgrößen und Wirtschaftsbranchen mit sich. Nicht selten muss das in die Haftpflicht genommene Organmitglied sogar mit existenzgefährdenden Konsequenzen für sich und seine Familie rechnen.

Unternehmen, Geschäftsleiter und Aufsichtsräte können allerdings durch gezielte unternehmerische Strategien und Compliance-Systeme sowie mittels konkreter taktischer Vorgehensweisen im Haftpflichtfall auf den rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgang der Organhaftung deutlichen Einfluss nehmen. Für die Führungsriege ist es daher stets zu empfehlen, durch kontinuierliche rechtliche und fachliche Beratung sich auf den aktuellsten Stand der gesetzlichen Unternehmens- und Managerpflichten zu halten. Dies gilt im Jahr 2021 vor allem hinsichtlich des durch die COVID-19-Pandemie bedingten Pflichtenkanons. Allein auf diese Weise können Gesellschafterstreitigkeiten als auch Geschäftsführerkonflikte zivil- oder strafrechtlicher Art von vornherein vermieden oder im Nachgang schadensmindernd sowie geräuschlos abgewickelt werden.


Haftung von Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten im Jahr 2021 (Copyright: N. Theiss/adobe.stock).

In einer Krise – wie in der momentanen COVID-19-Pandemie – gelten gerade erhöhte Anforderungen an die allgemeinen Sorgfaltspflichten der Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder. Dies birgt nicht nur ein erhöhtes zivilrechtliches Haftungsrisiko in sich, sondern eröffnet auch der strafrechtlichen Organhaftung Tür und Tor. Vor allem die zivilrechtliche Gefahr der Managerhaftung wird in Krisenzeiten dadurch verschärft, dass den Führungskräften bei einer Haftungsklage – ex lege (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG) – die prozessuale Beweislast für ihr sorgfaltspflichtgemäßes Verhalten aufgebürdet wird.

Managerhaftung (Überblick)

1. Weites Haftungsfeld

Im Falle einer vorsätzlichen aber auch bloß fahrlässigen Pflichtverletzung haftet ein Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied seiner Gesellschaft gegenüber für den durch das pflichtvergessene Verhalten entstandenen Schaden (Haftung für omnis culpa – vgl. § 43 Abs. 2 GmbHG).

Zu den auftretenden Haftungssituationen für Leitungsorgane gehören insbesondere:

  • Verletzung der Legalitätspflicht (vgl. §§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG);
  • Fehlende oder unzureichende Binnenorganisation der Gesellschaft (Compliance-Management-System – Legalitätskontrolle);
  • Überspannung des unternehmerischen Ermessens wegen nicht hinreichender Sachprüfung bei Vertragsabschluss (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG);
  • Haftung in der finanziellen Krise der Gesellschaft (vgl. §§ 15a, 15b InsO);
  • Missachtung von Weisungen der GmbH-Gesellschafterversammlung (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG);
  • Verstoß gegen gesellschaftsvertragliche Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats (vgl. § 112 Abs. 4 AktG) bzw. der Gesellschaftsversammlung (vgl. § 37 GmbHG);
  • Betrug (vgl. § 263 StGB) und Untreue (vgl. § 266 StGB) zulasten der Gesellschaft;
  • Nicht ordnungsgemäße Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. § 266a StGB).

Die Mitglieder von Überwachungsorganen der Gesellschaft – wie die Aufsichtsratsmitglieder einer AG – sehen sich im Speziellen dem Haftungsrisiko (i) der nicht ordnungsgemäßen Überwachung der Geschäftsleitung sowie (ii) der nicht hinreichenden Verfolgung von pflichtvergessenen Managern ausgesetzt (vgl. die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH). Den Geschäftsführern, Vorständen oder Aufsichtsräten wird überdies bei der Abwehr einer Haftungsklage noch erschwerend auferlegt, dass sie die prozessuale Darlegungs- und Beweislast für ihr sorgfaltspflichtgemäßes Verhalten tragen (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG). Diese „prozessuale Umkehrsituation“ erleichtert es der Gesellschaft spürbar, Schadensersatzansprüche gegenüber Managern erfolgsversprechend durchzusetzen.

Bei unternehmerischen Entscheidungen kommt den Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten aber freilich die Business Judgment Rule zugute, nach der eine Binnenpflichtverletzung des Organmitgliedes nicht vorliegt, wenn es bei seiner unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Demzufolge ist es jedem Organmitglied zu raten, den konkreten Prozess seiner Entscheidungsfindung informiert durchzuführen und angemessen zu dokumentieren. Dies gilt auch unter dem Blickwinkel einer strafrechtlichen Managerhaftung (z.B. §§ 263, 266 StGB).

2. Haftung in Zeiten der COVID-19-Krise

In der Krise sind – wie oben bereits erwähnt – die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten von Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten deutlich erhöht: So hat der Manager generell die Planung der Liquidität sowie die Planung der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens fortdauernd sicherzustellen, zu prüfen und – auch um des Willens eigener Exkulpation – ausführlich zu dokumentieren.

Des Weiteren kann die Inanspruchnahme von staatlichen Fördermitteln bei unzutreffenden oder unvollständigen Angaben ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Subventions- (§ 264 StGB) oder Kreditbetrug (§ 265b StGB) nach sich ziehen. Auch stehen die Manager in Krisenzeiten weiterhin uneingeschränkt unter strafrechtlicher Verantwortlichkeit, wenn es um die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB) oder die finanziell ordnungsgemäße Verwaltung der Gesellschaft (§§ 263, 266 StGB) geht. Mit dieser strafrechtlichen Haftung läuft oftmals eine zivilrechtliche Anspruchsverfolgung durch die Gesellschaft und/oder Dritte parallel.

Auch hat der Manager die krisenbedingte Gesetzesentwicklung – oftmals durch Hinzuziehung von rechtlicher Expertise – stets im Blick zu behalten. So hat der deutsche Gesetzgeber auf die COVID-19-Pandemie mit zahlreichen Neuregelungen reagiert – unter anderem mit dem:

  • Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVID-19-Gesetz);
  • COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG);
  • Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG);
  • Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 (VerG).

Es wurde etwa die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch das SanInsFoG sowie durch das VerG in § 1 Abs. 3 COVInsAG für aufgrund der COVID-19-Pandemie insolvenzreife Unternehmen nochmals bis einschließlich 30. April 2021 verlängert. Dies gilt allerdings lediglich für Unternehmen, die im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise beantragt haben, sofern (i) diese staatlichen Soforthilfen noch nicht ausgezahlt sind und (ii) der Antrag nicht offensichtlich erfolglos bzw. die Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist. Für die Zeit nach dem 30. April 2021 sieht § 1 COVInsAG derzeit noch keine weiteren Erleichterungen hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht vor. Wird der Gesetzgeber bis dahin nicht erneut tätig, verbleibt es ab dem 1. Mai 2021 grundsätzlich bei den allgemeinen Bestimmungen der §§ 15a ff. InsO zur Antragspflicht und Geschäftsleiterhaftung. Dies haben Manager von in der Krise befindenden Unternehmen zwingend auf der Agenda zu haben.
Die sich bis dato aus dem COVID-19-Gesetz, COVInsAG, SanInsFoG oder VerG ergebenden Erleichterungen dürfen aber insgesamt nicht als Persilschein für Manager missverstanden werden, weil im Übrigen die normierten Organpflichten aus den rechtsformspezifischen Gesetzen also auch dem Straf- und Steuergesetzen weiterhin fortbestehen.

D&O-Versicherung (Überblick)

Jedenfalls die vermögensrechtliche Managerhaftung kann durch eine Vermögenschadenshaftpflichtversicherung im Sinne einer Directors & Officers-Versicherung (D&O-Versicherung) abgefedert werden. Eine D&O-Versicherung ist eine Haftpflichtversicherung, die die Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder für den Fall versichert, dass sie wegen eines nicht pflichtkonformen Verhaltens von ihrer Gesellschaft und/oder Dritten in Anspruch genommen werden. Dabei schließt in aller Regel das Unternehmen als Versicherungsnehmer – als präventive Maßnahme – den D&O-Versicherungsvertrag mit dem Versicherungsunternehmen zugunsten des Managers als aus dem Versicherungsvertrag begünstigte Person ab. Auch den Versicherungsbeitrag trägt das Unternehmen, wobei dem versicherten Organmitglied allerdings eine Selbstbeteiligung obliegt. In der Praxis eher unüblich, aber von einzelnen Versicherungsunternehmen dennoch angeboten, sind Direktversicherungen, bei denen das Organmitglied unmittelbarer Vertragspartner ist.

Die D&O-Versicherungsverträge weisen regelmäßig Sonderregelungen auf, die das Unternehmen sowie auch seine versicherten Organmitglieder im Hinterkopf behalten sollten: Hierunter fällt beispielsweise das Claims-Made-Prinzip, nach dem der Versicherungsfall bereits mit der erstmaligen Inanspruchnahme der versicherten Person auf Schadenersatz eintritt. Dieser Zeitpunkt bestimmt dann prinzipiell, welche Regelungen und allgemeinen bzw. speziellen Versicherungsbedingungen (z.B. Umfang des Versicherungsschutzes) auf den konkreten Versicherungsfall Anwendung finden. Insbesondere beim Umfang des Versicherungsschutzes sollte man darauf achten, dass dieser neben dem zivilrechtlichen Haftpflichtschutz auch einen straf- und insolvenzrechtlichen Schutz beinhaltet.

Resümee

Das Pflichtenprogramm der Manager ist ein weites Feld, das erhebliche Haftungsrisiken im Gepäck hat. Dies gilt insbesondere in Krisenzeiten wie die COVID-19-Krise. Neben dem Abschluss einer umfassenden D&O-Versicherung bleibt es den Managern nur übrig, im besonderen Maße die vom Gesetz und Recht vorgegebenen Pflichten dezidiert zu prüfen, diese unverzüglich zu befolgen und sodann alles hinreichend zu dokumentieren. Nicht selten wird der Manager dabei auf rechtlichen Rat zurückgreifen müssen.

Zur Vertiefung des Themas „Managerhaftung“ siehe auch die hierzu veröffentlichen Fachbeiträge des Autors – exemplarisch (nicht abschließend): Brock, BB 2020, 1292 („Legalitätspflicht des Geschäftsführers bei auslandsbezogenen Rechtsverletzungen“), Brock, WM 2019, 350 („Geschäftsführer-Innenhaftung bei Publikums-Kommanditgesellschaften), Brock, WM 2016, 2209 ((„Regressreduzierung im Vorstandsrecht in der prozessualen Umsetzung“).

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Kanzlei für Arbeits­recht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht 
    (FOCUS SPEZIAL 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeits­recht: Ebba Herfs-Röttgen 
    (WirtschaftsWoche 2023,2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeits­recht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (Wirtschafts­Woche 2023, 2020)

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