04.12.2023 -

Was versteht man unter gemeinnützigen Kooperationen?

Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften sind in der Praxis häufig anzutreffen und haben eine große Relevanz in der anwaltlichen Beratung von gemeinnützigen Organisationen. Dabei stand noch bis Ende des Jahres 2020 oftmals infrage, ob gemeinnützige Körperschaften wie gemeinnützige Vereine und Stiftungen sowie gGmbHs mit der Erbringung von Service- und Funktionsleistungen ihre Satzungszwecke unmittelbar im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgten oder damit jenseits der gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben agierten.

Durch das Jahressteuergesetz 2020 hat der Gesetzgeber sodann für die Zeit ab dem Jahr 2021 in § 57 Abs. 3 Satz 1 AO („Planmäßiges Zusammenwirken von Körperschaften“) festgeschrieben, dass die „satzungsgemäße“ Erbringung von Dienst-, Service- und sonstigen Funktionsleistungen zugunsten anderer gemeinnütziger Körperschaften sowie auch zugunsten von BgA (Betrieben gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts) eine unmittelbar gemeinnützige Tätigkeit ist. Mit dieser neuen Gesetzesbestimmung wollte der Gesetzgeber Kooperationen zwischen gemeinnützigen Organisationen weitflächig ermöglichen und steuerlich privilegieren. Damit sollten praktischen Bedürfnissen Rechnung getragen werden.

Gemeinnützige Kooperationen: Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften sind in der Praxis häufig anzutreffen und haben eine große Relevanz in der anwaltlichen Beratung von gemeinnützigen Organisationen.
Das sog. „doppelte Satzungserfordernis“ hatte bislang in der Praxis zahlreiche gemeinnützige Kooperationen rechtlich unmöglich gemacht. Nach dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg bleibt jedoch abzuwarten, ob auch der BFH das „doppelte Satzungserfordernis“ ablehnen wird (credits: adobestock).

Was versteht die Finanzverwaltung unter dem doppelten Satzungserfordernis?

Beim planmäßigen Zusammenwirken von gemeinnützigen Organisationen wie gemeinnützige Vereine, gGmbHs u.Ä. legte die Finanzverwaltung in der Vergangenheit den § 57 Abs. 3 Satz 1 AO allerdings zulasten der NPOs restriktiv aus. So verlangte und verlangt die Finanzverwaltung noch bis heute, dass die Erbringung von Dienst-, Service- und sonstigen Funktionsleistungen nicht nur in der Satzung einer leistungserbringenden Körperschaft als Art der Zweckverwirklichung, sondern zusätzlich auch in der Satzung einer leistungsempfangenden Organisation abgebildet sein müsse. Dieses sog. „doppelte Satzungserfordernis“ ist im Schrifttum und bei den NPOs auf heftige Kritik gestoßen und machte in der Praxis zahlreiche nützliche Kooperationen zwischen „Gemeinnützern“ rechtlich unmöglich.

Das FG Hamburg lehnt nun das doppelte Satzungserfordernis ab!

Auf die Klage einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) hat das Finanzgericht Hamburg nunmehr aber per Urteil entschieden, dass § 57 Abs. 3 AO das von der Finanzverwaltung angenommene doppelte Satzungserfordernis nicht kenne und gesetzlich nicht vorsehe (so FG Hamburg, Urt. vom 26. September 2023, 5 K 11/23). Demnach reiche es aus, wenn die Erbringung von Dienst-, Service- und sonstigen Funktionsleistungen allein in der Satzung der leistungserbringenden Körperschaft verankert sei. Eine weitergehende satzungsmäßige Implementierung bei der leistungsempfangenden Organisation sei gerade nicht notwendig.

Das Finanzgericht Hamburg hat allerdings die Revision zum BFH (Bundesfinanzhof) zugelassen. Das unterlegene Finanzamt hat auch – soweit ersichtlich – tatsächlich Revision eingelegt. Damit ist das Urteil des FG Hamburg noch nicht bestandskräftig.

Aus Sicht der Praxis bleibt nunmehr abzuwarten, ob der BFH sich der Rechtsauffassung des Finanzgerichts Hamburg anschließt, was aus praktischen Gründen zu begrüßen wäre. Solange der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zur § 57 Abs. 1 AO aber nicht abgeändert wird, bleiben die Finanzämter verwaltungsintern an das Erfordernis des „doppelten Satzungserfordernisses“ gebunden, sodass auch für andere gemeinnützige Körperschaften derzeit nur der Weg zu den Finanzgerichten verbleiben sollte, wollte man sich gegen das doppelte Satzungserfordernis zu Wehr setzen.

Die Prüfung des doppelten Satzungserfordernisses bereits im Feststellungsverfahren?

Ferner scheint es das Finanzgericht Hamburg nach der Urteilsbegründung grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass ein Finanzamt vor Erteilung eines Feststellungsbescheids nach § 60a AO an die antragstellende Körperschaft prüft, ob eine Kooperation gemäß § 57 Abs. 3 AO auch in der Satzung aller anderen Kooperationspartner abgebildet ist. Diese Rechtseinschätzung dürfte nur dann praktische Bedeutung haben, wenn man – entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Hamburg – dem von der Finanzverwaltung angenommenen doppelten Satzungserfordernis überhaupt zustimmt. Dieser Ansicht kann man durchaus mit guten Gründen kritisch gegenübertreten: Denn die Frage, ob eine gemeinnützige Kooperation auch in der Satzung einer leistungsempfangenden Körperschaft abgebildet ist, tangiert ausschließlich die faktische Umsetzung des § 57 Abs. 3 AO und damit im Ergebnis die tatsächliche Geschäftsführung sämtlicher an der Kooperation beteiligten gemeinnützigen Organisationen. Dies dürfte aber erst im Veranlagungsverfahren virulent werden und dort näher zu prüfen sein.

Welche Anforderungen sind an die Formulierung der Satzung zu stellen?

In dem Urteil des Finanzgerichtes Hamburg war es indes nicht entscheidungserheblich, ob die gemeinnützigen Kooperationspartner in der Satzung namentlich bezeichnet oder anderweitig individualisiert werden müssen und wie konkret die Art und Weise der Kooperation beschrieben werden muss. Das Finanzgericht Hamburg hatte insoweit keine Beanstandung an der Formulierung, wonach die Kooperation „in Form der Erbringung von Service- und Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen” erfolgt. Richtig dürfte es dabei sein, dass – wie auch bei anderen Zweckverwirklichungsmaßnahmen – eine nicht abschließende Aufzählung („insbesondere”) ausreichend sein müsste. Hier sollte dann auch eine allgemeine Bezugnahme beispielsweise auf Leistungen im administrativen Bereichen als ausreichend anzusehen sein.

Sollten Sie Fragen im Zusammenhang mit gemeinnützigen Kooperationen oder zu sonstigen gemeinnützigkeitsrechtlichen Themen nach §§ 51 ff. AO haben, können Sie sich gerne an den Autor dieses Beitrages wenden. Wir beraten Sie umfassend im Gemeinnützigkeitsrecht.

Autor: Dr. Karl Brock

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    (JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2023)

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