Ein Überblick über die Pflichten, die Haftung und die Haftungsvermeidung eines Aufsichtsrates – was Sie wissen sollten!

Die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied erscheint auf den ersten Blick weniger haftungsanfällig als die Mitwirkung im Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG). Allerdings haben auch die Aufsichtsratsmitglieder eine ganze Reihe an Pflichten zu beachten. Werden diese Pflichten verletzt, kann der AG ein hoher Schaden entstehen und den Aufsichtsratsmitgliedern droht in entsprechender Höhe eine Haftung gegenüber der AG.

Die Tätigkeit im Aufsichtsrat einer AG birgt daher Pflichten und Herausforderungen, von denen seine Mitglieder häufig erst im Haftungsfall erfahren. Dieser Beitrag versucht daher, über Haftungsrisiken aufzuklären und Vorschläge zu unterbreiten, um eine Haftung präventiv zu vermeiden.

Die Haftung des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft. Ein Überblick über Pflichten, Haftungsverrmeidung – was Sie wissen müssen
Aufsichtsratsmitglieder haben eine ganze Reihe an Pflichten zu beachten. (credit: adobestock)

1. Was sind die Pflichten des Aufsichtsrates?

Dem Aufsichtsrat und seinen Mitgliedern obliegen zahlreiche Binnenpflichten. Nehmen sie diese nicht oder nur unzureichend war, kann dem Aufsichtsratsmitglied ein Schadensersatzanspruch drohen. Neben der Pflicht, Gesetz und Recht einzuhalten (Legalitätspflicht), und der organschaftlichen Treuepflicht treten unter anderem die nachstehenden Aufsichtsratspflichten.

Personalkompetenz:

Dem Aufsichtsrat obliegt es, den Vorstand zu bestellen, anzustellen, abzuberufen und zu kündigen. Er schließt daher auch mit den Vorstandsmitgliedern die entsprechenden Vorstandsverträge ab. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Kompetenz, sondern auch um eine Binnenpflicht des Aufsichtsrates.

Beratungsfunktion:

Neben der Personalkompetenz kommt dem Aufsichtsrat eine beratende Funktion zu. Durch die Beratung des Vorstandes kann der Aufsichtsrat gewissermaßen präventive Kontrolle ausüben. Der Aufsichtsrat kann zudem bestimmen, dass bestimmte Geschäfte seiner Zustimmung bedürfen (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Diese Form des Zustimmungsvorbehaltes führt dazu, dass der Aufsichtsrat mittelbar Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen kann.Selbst darf er aber nicht die Geschäftsführung ausüben; diese Kompetenz steht allein dem Vorstand zu.

Kommt der Aufsichtsrat nicht oder nicht ordnungsgemäß seiner Beratungsfunktion nach, kann er binnenpflichtwidrig handeln.

Kontroll- und Überwachungsfunktion:

Weiterhin ist der Aufsichtsrat verpflichtet, die Entscheidungen des Vorstands auf Recht- und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Dieser Überprüfungspflicht kommt der Aufsichtsrat nach, indem er verschiedene Informationsinstrumente einsetzt. Der Vorstand ist gegenüber dem Aufsichtsrat zur Berichterstattung verpflichtet (§ 90 Abs. 1, 2 AktG). Neben den regelmäßigen Berichtspflichten kann ein Aufsichtsratsmitglied vom Vorstand ad-hoc-Berichte zu Geschäftsvorgängen verlangen, die auf die Lage der Gesellschaft erheblichen Einfluss haben könnten (§ 90 Abs. 3 AktG).

Daneben kann der Aufsichtsrat Einsicht in die Geschäftsbücher und Kassenbestände der Gesellschaft verlangen (§ 111 Abs. 2 Satz 1 AktG).

Die Aufsichtsratsmitglieder sind dabei verpflichtet, die Instrumente, die ihnen zustehen, so zu nutzen, dass eine ausreichende Informationsgrundlage zur Wahrnehmung der Überwachungs- und Kontrollpflichten besteht. Kommen die Aufsichtsratsmitglieder dem nicht nach, kann ein haftungsträchtiger Binnenrechtsverstoß vorliegen.

Können die Pflichten des Aufsichtsrats variieren?

Ja. Eine allgemeine Umschreibung der Pflichten eines Aufsichtsratsmitglieds ist aufgrund ihrer erheblichen Abhängigkeit vom Einzelfall und den jeweiligen unternehmensspezifischen Besonderheiten kaum möglich.

So genügt es etwa dann nicht, auf die Berichte des AG-Vorstands zu vertrauen, wenn besonders risikoreiche Geschäftsmaßnahmen infrage stehen oder sich die Gesellschaft in einer Krise befindet. Dann kommt der Aufsichtsrat seiner Pflicht zur Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage nur nach, wenn er eigene Informationsquellen nutzt.

Außerdem kann der Aufsichtsrat die Überwachungs- und Kontrollpflichten an einen Ausschuss übertragen. Dann sind die übrigen Aufsichtsratsmitglieder wiederrum zur Überwachung des Ausschusses verpflichtet.

Welche Pflichten das Aufsichtsratsmitglied im Einzelfall erwarten, bedarf einer kritischen Betrachtung der relevanten unternehmensspezifischen Umstände. Insofern kann die obige Darstellung als bloße Übersicht fungieren.

2. Was sind die Haftungsvoraussetzungen?

Damit der AG ein Haftungsanspruch gegen den Aufsichtsrat zusteht, ist es erforderlich, dass Aufsichtsratsmitglieder eine Pflicht schuldhaft verletzen und daraus ein auf der Pflichtverletzung beruhender Schaden entsteht. Erteilt beispielsweise der Aufsichtsrat seine Zustimmung zu einer zustimmungsbedürftigen Maßnahme, obwohl diese bei pflichtgemäßen Handeln hätte unterbleiben müssen, haften die Aufsichtsratsmitglieder neben den Vorstandsmitgliedern mit ihrem Privatvermögen in voller Höhe. Hierbei verweist das Aktiengesetz in § 116 Satz 1 AktG auf § 93 AktG. Die Voraussetzungen der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder laufen daher grundsätzlich parallel zu jenen der Haftung der Vorstandsmitglieder der AG; dazu näher hier.

Dem Aufsichtsratsmitglied muss die Verletzung einer Pflicht vorzuwerfen sein. Diese muss schuldhaft erfolgen. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG haben die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt anzuwenden, die zur ordentlichen und gewissenhaften Erfüllung ihrer Pflichten notwendig ist. Es handelt sich also um einen verobjektivierten Sorgfaltsmaßstab. Es ist auf den Maßstab eines gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds abzustellen. Eine vertragliche Erleichterung des Sorgfaltsmaßstabes scheidet aus.

Zur Darlegung der pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung tragen die Aufsichtsratsmitglieder die Beweislast (§ 93 Abs. 2 Satz 2 AktG). Die Beweislastumkehr kann den Aufsichtsratsmitgliedern im Einzelfall einiges abverlangen. Darüber hinaus muss dem Anspruchssteller aus der Pflichtverletzung ein kausaler Schaden erwachsen sein. Als Anspruchssteller kommt grundsätzlich die AG selbst in Betracht. Darüber hinaus kann ein Aufsichtsratsmitglied auch Dritten gegenüber nach allgemeinen Regeln haften, wobei insbesondere eine deliktische Haftung (§§ 823 ff. BGB) zu erwägen ist.

3. Vermeidung von Haftungsrisiken – was kann der Aufsichtsrat unternehmen?

Aufgrund der oftmals hohen Haftungssummen sollten die Ansätze zur Reduzierung oder Vermeidung eines Haftungsrisikos genutzt werden. Dadurch kann das Risiko der persönlichen Haftung eines Aufsichtsratsmitglieds deutlich verringert werden.

Abschluss einer D&O-Versicherung:

Insbesondere ist der Abschluss einer D&O-Versicherung Mitgliedern des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft ans Herz zu legen. Diese sichert dem Versicherten im Schadensfall zu, für die Ersatzansprüche der Gesellschaft aufzukommen. Dadurch können die finanziellen Folgen einer persönlichen Haftung für das Vorstandsmitglied abgefedert werden.

Zwar wird meist die Versicherung von der AG abgeschlossen. Wurde eine solche Versicherungsübernahme aber nicht vereinbart, empfiehlt sich jedenfalls eine Direktversicherung durch das Aufsichtsratsmitglied.

Business Judgment Rule:

Soweit das Aufsichtsratsmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, sofern es sich um eine unternehmerische Entscheidung handelte (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Ein Aufsichtsratsmitglied handelt dabei jedenfalls dann nicht zum Wohle der Gesellschaft, wenn es seine eigennützigen Interessen über die Belange der Gesellschaft stellt. Dem Aufsichtsrat ist es insoweit zu empfehlen, stets zu dokumentieren, aus welchen Gründen und auf welcher Tatsachenbasis eine Entscheidung getroffen wurde.

Keine Anwendung findet die Business Judgment Rule, wenn ein Verstoß gegen das Gesetz oder die Satzung der AG im Raum steht. Denn die Legalitätspflicht setzt der Business Judgment Rule grundsätzlich eine inhaltliche Grenze.

Zustimmung der Hauptversammlung:

Stimmt die Hauptversammlung einer Maßnahme des Aufsichtsrates zu, scheidet eine Haftung des Aufsichtsrates gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich aus.

Verzicht durch die AG:

Ein Verzicht der AG ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 Satz 3 und Satz 4 AktG zulässig. Danach müssen drei Jahre seit der Entstehung des Anspruchs der AG vergangen sein. Ferner muss die Hauptversammlung dem Verzicht durch Beschluss zugestimmt haben und es darf dabei keine Minderheit, deren Anteile mehr als 10 % des Grundkapitals der AG erreichen, dem Verzicht widersprochen haben.

Einholung von Expertenratschlägen:

Lässt sich der Aufsichtsrat beraten und holt Einschätzungen von Experten (z.B. Rechtsanwälten) ein, kann dies ihm Einzelfall dazu führen, dass sich der Aufsichtsrat entlasten kann. Er handelt dann also nicht binnenpflichtwidrig oder jedenfalls nicht schuldhaft.

Verjährung:

Die Ansprüche der AG gegen ihre Aufsichtsratsmitglieder verjähren regelmäßig fünf Jahre nachdem Kenntnis über den aus der schuldhaften Pflichtverletzung des Aufsichtsrates entstandenen Schadens bestand (§ 93 Abs. 6 AktG). Bei börsennotierten Aktiengesellschaften verjähren die Ansprüche erst nach zehn Jahren.

Fazit:

Es lässt sich feststellen, dass sich der Aufsichtsrat einer AG aufgrund seines weitreichenden Pflichtenkatalogs Haftungsrisiken ausgesetzt sieht. Insoweit ist es Aufsichtsratsmitgliedern zu empfehlen, etwaigen Risiken präventiv zu begegnen. Aus den oben genannten Möglichkeiten zur Haftungsvermeidung und -begrenzung sind daher folgende für das Aufsichtsratsmitglied besonders zielführend:

  • Abschluss einer D&O-Versicherung, soweit die AG keine abgeschlossen hat
  • Verschaffung der erforderlichen Informationsgrundlage. Neben den regelmäßigen Berichten des Vorstands muss der Aufsichtsrat unter Umständen andere Informationsquellen nutzen. Soweit der Aufsichtsrat insoweit zum Wohle der AG handelt, kann er sich exkulpieren
  • Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung
  • Einholung von Expertenrat

Gerne berät Sie der Autor dieses Beitrags zu den Themen der persönlichen Haftung als Aufsichtsratsmitglied und der Haftungsvermeidung.

Autor: Dr. Karl Brock

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  • „MEYER-KÖRING ist besonders renommiert für die gesellschaftsrechtliche Beratung.“
    (JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022)

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