27.11.2006 -

In vielen Unternehmen und Betrieben werden Kündigungen nicht von dem gesetzlichen Vertretungsorgan ausgesprochen und unterzeichnet, sondern von hierzu gesondert bevollmächtigten Personen. Dieses Vorgehen birgt jedoch Risiken. Denn solche Kündigungen können wegen fehlender Vollmachtsvorlage nach § 174 BGB zurückgewiesen werden. In einem praxisrelevanten Urteil hatte sich nun das LAG Berlin mit zahlreichen Fragen aus diesem Themengebiet zu befassen (Landesarbeitsgericht Berlin, Urt. v. 28.06.2006 – 15 Sa 632/06 -). Siehe auch den Beitrag Grundsätze zur Zurückweisung einer Kündigung nach § 174 BGB von N. Besgen in B+P (Betrieb und Personal) Heft 2/2005, 101 f.

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Der Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber als Baumaschinenvorarbeiter bereits seit 1968 beschäftigt. Der Arbeitgeber erbringt Baulogistikleistungen. In der Niederlassung Ost / Berlin wurden zuletzt 24 Arbeitnehmer beschäftigt, u.a. der Kläger. Weder die Niederlassung noch der Arbeitgeber selbst verfügten über eine eigene Personalabteilung. Diese war vielmehr zentral bei der Konzernholding gebildet.

Das dort gebildete Personalmanagementcenter wird als Dienstleister für die verschiedenen Baubetriebe der Holding tätig. Die beiden Leiter werden als Geschäftsführer bezeichnet. Das Personalmanagement ist in sieben Regionen aufgeteilt. Für diese Regionen sind sieben Bereichsleiter zuständig.

Dem Arbeitnehmer wurde am Freitag, 23. September 2005, eine vom Niederlassungsleiter und einem Bereichsleiter der Holding unterschriebene Kündigung ausgehändigt. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 27. September 2005 wurde die Kündigung mangels Fehlen einer beigefügten Vollmacht gem. § 174 BGB zurückgewiesen.

Der Arbeitnehmer berief sich darauf, dass sein Niederlassungsleiter nicht kündigungsbefugt gewesen sei und für den Bereichsleiter der Holding fehle es an einer vorgelegten Vollmacht. Ein angeblicher Aushang am schwarzen Brett über die Kündigungsbefugnisse dieser Person sei ihm nicht bekannt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kündigungen seien ordnungsgemäß ausgesprochen worden. § 174 BGB greife zugunsten des Arbeitnehmers nicht ein.

Die Entscheidung des LAG:

Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Kündigung mangels Vollmachtvorlage nach § 174 BGB für unwirksam erklärt.

I. Abgrenzung zur gesetzlichen Vertretungsmacht

Die Zurückweisung einer Kündigung nach § 174 BGB ist immer dann ausgeschlossen, wenn es sich um einen Fall der gesetzlichen Vertretungsmacht handelt. Kraft Gesetzes vertretungsberechtigt sind bspw. die Geschäftsführer einer GmbH und die Vorstände einer AG.

II. Vorlage der Vollmachtsurkunde

Die Vorschrift des § 174 BGB verlangt von dem Kündigenden, dass er die Vollmachtsurkunde im Zusammenhang mit dem Kündigungsausspruch vorlegt. Dabei ist es nicht ausreichend, wenn lediglich eine Kopie überreicht wird. Wirksam ist allein die Aushändigung der Vollmachtsurkunde im Original.

Ferner verlangt § 174 Satz 1 BGB, dass die Vollmachtsurkunde zugleich mit der Kündigung ausgehändigt wird. Die bloße Ankündigung, die Vollmachtsurkunde später nachzureichen, ist damit nicht ausreichend.

III. Ausnahme: Kenntnis der Vollmacht

Im vorliegenden Fall hat sich nun der Arbeitgeber darauf berufen, der Arbeitnehmer habe von der Kündigungsvollmacht der beiden unterschreibenden Personen wegen eines Aushangs am schwarzen Brett Kenntnis gehabt.

1. Schwarzes Brett

Ein schwarzes Brett ist nach der ständigen Rechtsprechung kein geeignetes Instrument, um Mitteilungen über die Kündigungsvollmacht anderer Mitarbeiter zu verbreiten (Vgl. BAG, Urt. v. 03.07.2003 – 2 AZR 235/02 -, NZA 2004, 1547; LAG Köln, Urt. v. 03.05.2002 – 4 Sa 1285/01 -, NZA-RR 2003, 194). Die so genannten „schwarzen Bretter“ werden typischerweise zu ganz unterschiedlichen Mitteilungen verwandt. Dort können sich Aushänge des Betriebsrats, der Gewerkschaften oder sogar einzelne Anzeigen von Arbeitnehmern, die Gegenstände erwerben oder verkaufen wollen, befinden. Es kann deshalb nicht als allgemein üblich angesehen werden, dass an diesem Ort Vollmachtsurkunden und ähnliches ausgehängt werden.

2. Personalleiter

Unterschreibt der Personalleiter des Unternehmens, geht die Rechtsprechung von folgenden Grundsätzen aus: Ein Personalleiter übt regelmäßig eine Position aus, die üblicherweise die Kompetenz zum Ausspruch von Kündigungen umfasst. Bei einem Personalleiter ist daher regelmäßig eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB ausgeschlossen. Das Bundesarbeitsgericht geht hier ohne ausdrückliche Information an die Belegschaft von einer entsprechenden Bekanntmachung aus. Dies gilt jedoch nicht für nachgeordnete Mitarbeiter bzw. Sachbearbeiter der Personalabteilung, sondern nur für den Personalleiter selbst.

Im vorliegenden Fall hat der Niederlassungsleiter unterzeichnet. Der Niederlassungsleiter war kein Personalleiter. Er stand auch nur einer relativ kleinen Einheit von 24 Arbeitnehmern vor. Er übte damit nicht die Funktion eines Personalleiters aus. Er hätte deshalb eine Kündigungsvollmacht im Original vorlegen müssen. Der Bereichsleiter des Personalmanagementcenters war ebenfalls nicht Personalleiter. Zudem war er nicht bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt, sondern bei der Holding. Besondere Kündigungsbefugnisse dieser Person hätten deshalb ebenfalls der Belegschaft zur Kenntnis gebracht werden müssen. Dies war jedoch nicht der Fall.

3. Sonderfall: Generalvertretung

Im vorliegenden Fall hatten zwei Personen unterzeichnet. Es handelte sich damit um einen Fall der so genannten Generalvertretung. Vertreten zwei Personen den Arbeitgeber nach außen gemeinsam, dann ist auf jede dieser Personen § 174 BGB anwendbar. Ist der Arbeitnehmer bezüglich einer Person vom Vollmachtgeber nicht von dessen Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden, dann ist die Kündigung allein deswegen unwirksam, wenn eine Vollmacht nicht vorgelegt worden war und der Arbeitnehmer die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen hat.

Hinweis für die Praxis:

In Fällen der Generalvertretung erhöht sich also das Zurückweisungsrisiko für den Arbeitgeber beträchtlich. Selbst wenn eine Person die Kündigungsbefugnis nachweisen kann, könnte die Kündigung deshalb dennoch wegen fehlender Vollmacht der weiteren Person zurückgewiesen werden.

Fazit:

Die Entscheidung macht deutlich, dass selbst bei Vorliegen echter Kündigungsgründe die Wirksamkeit der Kündigung allein an dem formalen Hindernis der fehlenden Vollmachtsurkunde scheitern kann. Die Vorschrift des § 174 BGB kann damit zu bösen Überraschungen im Kündigungsschutzprozess führen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Kündigung wegen fehlender Vollmachtsvorlage unverzüglich von dem Arbeitnehmer zurückgewiesen wird. Soweit dies geschieht, sollte der Arbeitgeber nochmals die zugrunde liegenden Bevollmächtigungen und alle Wirksamkeitserfordernisse äußerst kritisch überprüfen. In Zweifelsfragen ist zu empfehlen, eine erneute Kündigung auszusprechen.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn

 

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