13.11.2006

 

Ist der Unternehmer schon von der Insolvenz seiner GmbH gebeutelt, so möchte er wenigstens möglichst frühzeitig seinen Liquidationsverlust bzw. Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG steuerlich geltend machen. Oft kann durch die möglichst frühe Geltendmachung eines Auflösungsverlustes auch noch ein Verlustrücktrag erreicht werden. Diesem Ansinnen schieben Finanzämter und Finanzgerichte regelmäßig einen Riegel vor, so auch das FG München in seinem Beschluss vom 25. September 2006 (Aktenzeichen 9 V 2469/06).

Der Fall:

Über eine GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und schon nach kurzer Zeit zeigte der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeiten nach § 208 InsO an. Damit schien dem Gesellschafter klar, dass er im Rahmen der insolvenzbedingten Liquidation seines nicht fortführungsfähigen Unternehmens mit keiner Auskehrung eines Liquidationsüberschusses mehr rechnen konnte. Seine Kapitalanlage war endgültig verloren. Ebenso seine sonstigen Anschaffungskosten. Eben da aber liegt der Hase im Pfeffer, denn die endgültige Höhe der steuerlichen Anschaffungskosten, die im Zuge der Liquidation verloren gehen, stehen regelmäßig vor Abschluss des Insolvenzverfahrens noch nicht endgültig fest. Dies nimmt das FG München zum Anlass, einen vorzeitigen Liquidationsverlust insgesamt zu versagen.

Die Entscheidung:

Nach der Rechtsprechung des BFH entsteht ein Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG regelmäßig erst mit Abschluss des Liquidationsverfahrens, denn erst dann steht fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann und ferner, welche nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Veräußerungskosten bzw. Auflösungskosten der Gesellschafter persönlich zu tragen hat (vgl. BFH Urteil vom 25. Januar 2000, Aktenzeichen VIII R 63/98, BStBl. II 2000, 343).

Hiervon gibt es aber für den Steuerpflichtigen bedeutsame Ausnahmen, die es zu nutzen gilt. Denn ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Auflösungsverlust bzw. Liquidationsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Dann kann die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an den Gesellschafter ausgeschlossen werden.

Entscheidend für diese Beurteilung sei, wie sich die Vermögenslage auf der Ebene der Gesellschaft darstellt und wie sie sich in dem für die Gesellschaft günstigsten Fall entwickeln wird. Ist danach eine Auskehrung von Gesellschaftsvermögen ausgeschlossen, liegt auch der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsverlustes fest,

  • wenn bei einer Auflösung der Gesellschaft wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen die Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Gesellschaft fortgeführt wird und
  • wenn absehbar ist, ob und welcher Höhe bei den Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonst im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen werden.

Hier aber setzt die Finanzgerichtsbarkeit die Messlatte hoch, denn insofern dürfen keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten. Somit muss zur Beurteilung der Vermögenslage auf der Ebene der Gesellschaft die Beurteilung auf der Ebene des Gesellschafters hinzutreten.

Im Streitfall sah das FG München diese Ausnahmesituationen nicht gegeben, obwohl bereits durch den Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeiten nach § 208 InsO angezeigt war. Die GmbH war damit zwar faktisch vermögenslos, jedoch stand dies nicht endgültig fest.

  • Denn aus dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters ging hervor, dass das Stammkapital nicht in voller Höhe eingezahlt war und somit auch noch verwertbare Forderungen der GmbH gegen den Gesellschaft bestanden.
  • Zudem zeigte die letzte eingereichte Bilanz der GmbH eine Darlehensforderung gegenüber dem Gesellschafter und der Gesellschafter hatte im Zuge des finanzgerichtlichen Verfahrens keine schlüssige Erklärung über die Werthaltigkeit dieser Forderung abgeben können.
  • Außerdem waren die Verhandlungen mit den Banken, die den Gesellschafter als Bürgen in Anspruch genommen hatten, zum Ende des Jahres, in dem der Verlust geltend gemacht werden sollte, noch nicht abgeschlossen.

Aus diesen Umständen leitete das FG München ab, es sei noch nicht abzusehen, in welcher Höhe beim Antragsteller infolge einer zukünftigen Inanspruchnahme noch nachträgliche Anschaffungskosten oder zu berücksichtigende Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen würden.

Die Empfehlung:

Wer ausnahmsweise eine vorgezogene Verlustrealisierung im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG nutzen möchte, ist gut beraten, möglichst umgehend und zügig Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter und eventuell Banken und sonstigen Drittgläubigern, für die sich der Gesellschafter verbürgt hatte, in Verbindung zu setzen, um hier eine endgültige Regelung noch im selben Veranlagungszeitraum zu treffen. Denn nur dann kann er neben der Vermögenslosigkeit der GmbH und dem damit verbundenen Ausfall seiner Kapitalanlage auch die endgültige Höhe seiner noch zu erwartenden Anschaffungskosten auf die Beteiligung dokumentieren. Gelingt es dem Steuerpflichtigen und seinen Beratern nicht, entsprechende Vereinbarungen rechtzeitig zum Abschluss zu bringen (ggf. unter Einbeziehung von Verbesserungsscheinen bzw. Verschlechterungsscheinen), so wird die Finanzverwaltung regelmäßig nicht unterstellen, dass keine wesentlichen Änderungen in den Anschaffungskosten mehr zu erwarten sind. Die Verlustnutzung wird dann ggf. um mehrere Jahre verzögert.

Verfasser: Rechtsanwalt & Steuerberater Andreas Jahn, MEYER-KÖRING v. DANWITZ PRIVAT – Bonn

 

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

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    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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