13.10.2006

Infolge teilweise erheblicher Erhöhungen der Gaspreise nehmen die Auseinandersetzungen zwischen Gaskunden und Versorgungsunternehmen zu. Während in der Vergangenheit und vor allem im Bereich der Tarifkunden hauptsächlich über die Frage gestritten wurde, ob Preiserhöhungen des jeweiligen Versorgers der Billigkeit im Sinne von § 315 BGB entsprechen, hat die Auseinandersetzung nun für den Bereich der sogenannten Sonderkunden eine neue Wendung genommen, nachdem das Landgericht Bremen (LG Bremen, Urteil vom 24.03.2006 – 8 O 1065/05) und ihm folgend auch andere Gerichte (LG Dresden, Urteil vom 30.06.2006 – 10 O 3613/05; LG Berlin, Urteil vom 19.06.2006 – 34 O 611/05) entschieden haben, dass Preisänderungsklauseln in den jeweiligen Verträgen unter bestimmten Voraussetzungen unwirksam sind.

Das Landgericht Bonn wendet sich in einem aktuellen Urteil gegen diese Rechtsprechung. Das Urteil befasst sich auch mit der Billigkeit von Gaspreiserhöhungen nach § 315 BGB. Dieser Aspekt soll aber für das hiesige Thema außer Betracht bleiben und wird gesondert erörtert.

Hintergrund

In Gaslieferverträgen mit sogen. Sonderkunden werden häufig einfache Preisänderungsvorbehalte wie z.B.

„XYZ ist berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten der XYZ erfolgt“

vereinbart. Das Landgericht Bremen (LG Bremen, Urteil vom 24.03.2006 – 8 O 1065/05) und ihm folgend auch andere Gerichte (LG Dresden, Urteil vom 30.06.2006 – 10 O 3613/05; LG Berlin, Urteil vom 19.06.2006 – 34 O 611/05) haben entschieden, dass derartige Preisänderungsklauseln in den jeweiligen Verträgen nach § 307 BGB unwirksam sind, weil sie eine unangemessene Benachteiligung des Kunden darstellen. Folge ist, dass die darauf basierenden Preiserhöhungen unwirksam sind. Nach Auffassung des LG Bremen fehlt eine hinreichend klare Beschreibung der für eine Preiserhöhung maßgeblichen Bezugsfaktoren und deren Gewichtung im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Gaspreises.

Bedenklich sei auch, dass die verwendeten Klauseln es theoretisch rechtfertigten, jede auch prozentual geringfügige Kostensteigerung weiterzugeben. Die Klausel treffe auch keine Regelung darüber, ob und mit welcher Folge zunächst geringe Steigerungen gewissermaßen „angespart“ werden könnten.

Ferner verpflichteten die Klauseln das Versorgungsuntemehmen auch nicht dazu, auf eine rückläufige Kostensituation zu reagieren, indem sie in einem solchen Fall Preissenkungen vornehmen. Auch dies sei eine nach.
§ 307 Abs. 1 BGB unangemessene Benachteiligung der Kunden.

Für den Bereich der Tarifkunden gestattet § 4 Abs. 2 AVBGasV allerdings Preisänderungen, ohne dass dort detaillierte Regelungen zu den vorgenannten Punkten getroffen sind.

Die Entscheidung des LG Bonn:

Das Landgericht Bonn hat in einer aktuellen Entscheidung zu diesem Komplex ebenfalls Stellung genommen und im Ergebnis die Zulässigkeit einfacher Preisänderungsklauseln bejaht.

LG Bonn, Urteil vom 07.09.2006 – 8 S 146/05.

Das Gericht hält derartige Anpassungsklauseln aus folgenden Erwägungen für zulässig:

Es müsse zunächst berücksichtigt werden, dass die einzig denkbare Alternative zu einem einseitigen Preisanpassungsrecht ein faktischer Zwang des Versorgungsunternehmens zu regelmäßigen Änderungskündigungen bzw. vorsorglichen Risikoaufschlägen schon bei Vertragsschluss wären, um künftige Kostenerhöhungen auffangen zu können. Beides könne nicht im Sinne des Kunden sein.

Derartige Klauseln entsprechen inhaltlich § 4 Abs. 2 AVBGasV. Folgte man der Gegenauffassung, würde dies letztlich zum Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit bzw. Unangemessenheit der AVBGasV führen und damit zu einer Ungleichbehandlung mit Tarifkunden führen, die sich wegen § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen können.

Maßstab für die Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung sei die Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV. Denn diese Bestimmung verkörpere eine Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber im Tarifkundenbereich unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Kunden und Versorgungsunternehmen getroffen hat, und enthalte somit einen gewichtigen Hinweis auf das, was auch im Verhältnis zu Sonderabnehmern als angemessen zu betrachten ist.

Hinweis für die Praxis:

In der Rechtsprechung ist grundsätzlich anerkannt, dass bei langfristigen Dauerschuldverhältnissen dem Lieferanten die Möglichkeit der Preisanpassung grundsätzlich zustehen muss, das Recht zur Preisänderung also nicht per se unbillig sein kann.

BGH, Urteil vom 11. 6. 1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518, 2519

Dies ergibt sich für Dauerschuldverhältnisse auch aus § 309 Nr. 1 BGB.

Sind im Tarifkundenbereich Anpassungen aufgrund § 4 Abs. 2 AVBGasV zulässig, kann eine entsprechende Klausel auch in Sonderkundenverträgen nicht unwirksam sein. Denn gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel (nur) dann vor, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Zwar handelt es sich bei den AVBGasV im Sonderkundenbereich nicht um eine „gesetzliche Regelung“ im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil deren Geltung auf den Bereich der Tarifkunden beschränkt ist. Gleichwohl enthalten die Vorschriften der AVBGasV eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne“.

BGH, Urteil vom 25. 2. 1998 – VIII ZR 276-96,
NJW 1998, 1640, 1642, dort III. 2. b) aa)

Sie verkörpern eine Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber im Tarifkundenbereich unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Gaskunden und Energieversorgungsunternehmen getroffen hat, und enthalten somit einen gewichtigen Hinweis auf das, was auch im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern als angemessen zu betrachten ist.

Schließlich wird diese Leitbildfunktion auch durch den Entwurf der Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV-E) verstärkt, der in § 5 Abs. 2 GasGVV-E eine gegenüber § 4 Abs. 2 AVBGasV nur unwesentlich modifizierte Regelung enthält. Wenn der Verordnungsgeber in Kenntnis der Kritik der Rechtsprechung an § 4 Abs. 2 AVBGasV festhält, liegt hierin eine Bestätigung des bisherigen gesetzlichen Grundgedankens.

Für die Leitbildfunktion des § 4 AVBGasV im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB kommt es auch nicht darauf an, ob die AVBGasV wirksam in den Vertrag einbezogen wurden oder nicht. Denn es geht bei der Inhaltskontrolle nur um einen Vergleich mit der gesetzlichen Regelung, was notwendigerweise voraussetzt, dass diese nicht ohnehin Vertragsbestandteil ist.

Fazit:

Der Auffassung des Landgerichts Bonn ist zu folgen. Sie orientiert sich am Willen des Verordnungsgebers bei Erlass der AVBGasV bzw. GasGVV und folgt der Rechtsprechung des BGH zur Leitbildfunktion der AVBGasV.

Hieraus folgt jedenfalls die Wirksamkeit solcher Preisänderungsvorbehalte, deren Regelungsgehalt sich am Wortlaut des § 4 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV orientiert.

Verfasser: Rechtsanwalt Alexander Knauss, Büro Bonn

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