07.05.2006

Die Koalitionsparteien haben sich nun nach jahrelangem Konflikt über das Antidiskriminierungsgesetz geeinigt. Das Gesetz geht weiterhin über die Vorgaben der Europäischen Union hinaus – es erhält aber einen neuen Namen und heißt jetzt Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dabei hat man den rot-grün geprägten Begriff (Antidiskriminierungsgesetz) gegen die gängige Terminologie (Gleichbehandlungsgesetz) in anderen EU-Staaten (z.B. Österreich) ausgewechselt. CDU und CSU akzeptieren, dass künftig auch eine Benachteiligung wegen der sexuellen Identität verboten wird, was die Union bislang abgelehnt hatte. Der Gesetzentwurf soll bereits kommende Woche in den Bundestag eingebracht werden. Er könnte am 01.08.2006 in Kraft treten.

I. Umsetzungsdruck durch die EU

Deutschland ist verpflichtet, vier Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft umzusetzen, die den Schutz vor Diskriminierung regeln. Die Richtlinien betreffen viele Bereiche unserer Rechtsordnung – der Schwerpunkt liegt im Bereich von Beschäftigung und Beruf, die Bestimmungen gelten gleichermaßen etwa für Arbeitnehmer, Auszubildende oder für den öffentlichen Dienst. Betroffen ist aber auch das Zivilrecht, also Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen – insbesondere Verträge mit Lieferanten, Dienstleistern oder Vermietern. Die Umsetzungsfrist war längst abgelaufen, so dass bereits ein Klageverfahren der EU-Kommission mit der Androhung eines Bußgeldes von 900.000 Euro pro Tag anhängig ist. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) geht jetzt allerdings davon aus, dass der Streit gütlich beigelegt wird. Sie will der EU sofort mitteilen, dass in Deutschland das Gesetzgebungsverfahren läuft.

II. Diskriminierungsschutz im Arbeitsrecht

1. Um Benachteiligungen in Beschäftigung und Beruf wirksam begegnen zu können, wird ein Benachteiligungsverbot normiert, das alle Diskriminierungsmerkmale aus Art. 13 EG-Vertrag (Geschlecht, Rasse oder ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Alter, Behinderung und sexuelle Identität) berücksichtigt. An diesen Katalog der Diskriminierungsmerkmale ist der deutsche Gesetzgeber gebunden. § 611a BGB wird entfallen und ins AGG übernommen.
2. Nicht jede unterschiedliche Behandlung ist eine verbotene Benachteiligung. So erlauben die Richtlinien z.B. die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand. Spezifische Fördermaßnahmen zum Ausgleich bestehender Nachteile (z.B. Frauenförderung, Maßnahmen für Behinderte) bleiben ebenfalls zulässig.
3. Im nun erzielten Kompromiss konnte die SPD neben einem Verbot der sexuellen Diskriminierung auch ein Klagerecht für Betriebsräte umsetzen, die so gegen Benachteiligungen eines Arbeitnehmers vorgehen dürfen. Auf das Konto der Union geht das Recht der Kirchen, auch künftig eine Beschäftigung von der Religionszugehörigkeit abhängig machen zu dürfen. Die Union setzte auch durch, dass die Antidiskriminierungsstelle in dem von ihr geleiteten Familienministerium eingerichtet wird.

III. Keine Anwendung bei Vermietung von Wohnraum

Grundsätzlich bleiben nach dem Gesetz Benachteiligungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verboten. Eingeschränkte oder keine Anwendung findet das Gesetz bei der Vermietung von Wohnraum. Ein Wohnungseigentümer, der nach bestimmten Kriterien seine Mieter auswählt, darf dies auch weiter tun. Gastwirte hingegen, die etwa Behinderte ausschließen wollen, können künftig in Anspruch genommen werden.

IV. Diskriminierungsschutz im Zivilrecht

Der Diskriminierungsschutz wird – über die derzeit geltenden europarechtlichen Vorgaben hinaus – auch auf die Merkmale Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Religion oder Weltanschauung erstreckt. Nach dem Muster der vierten Gleichstellungs-Richtlinie wird für die o. g. Merkmale der Anwendungsbereich auf Massengeschäfte (z.B. Verträge mit Hotels, Gaststätten, Kaufhäusern) und privatrechtliche Versicherungen beschränkt. Massengeschäfte sind Geschäfte, bei denen das Ansehen der Person keine oder nur eine nachrangige Rolle spielt. Mit der Beschränkung auf Schuldverhältnisse über Güter oder Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit ohne oder mit jedenfalls nur nachrangigem Ansehen der Person zur Verfügung stehen, ist zum einen der gesamte private Lebensbereich (z.B. Verkauf des gebrauchten Pkw) ausgenommen. Erfasst werden nur Geschäfte, die generell mit jedermann abgeschlossen werden. Denn bei diesen Geschäften ist die Zurückweisung wegen eines der genannten Gründe besonders demütigend. Zum anderen bleiben aber auch hier sachlich gerechtfertigte Unterscheidungen zulässig.

V. Glaubhaftmachung der Benachteiligung ausreichend

Eine Benachteiligung muss von dem Betroffenen durch Tatsachen glaubhaft gemacht werden. Die Beweislast trägt dann die andere Partei. Bei Diskriminierungen kann der Benachteiligte eine Beseitigung, Schadensersatz und eine Entschädigung verlangen sowie auf Unterlassung klagen. Im Arbeitsrecht werden bei einem Verstoß die bereits zu § 611a BGB entwickelten Grundsätze aufrecht erhalten. Jedoch soll den Bundesländern das Recht eingeräumt werden, Diskriminierungsklagen zunächst ein obligatorisches außergerichtliches Schlichtungsverfahren vorzuschalten, damit die Gerichte entlastet werden. Problematisch bleibt die Ausfüllung des Begriffs der sog. „Massengeschäfte“. Dort bleibt der Gesetzgeber gefordert, eine klare gesetzliche Regelung zu schaffen.

Verfasser: Rechtsanwalt Dr. Sören Langner, LL.M., Bonn

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