29.01.2006

Erneut hat sich ein Bundesgericht, hier der BFH in seinem Urteil vom 22. November 2005, Aktenzeichen VII R 21/05, mit den Problemen der Abführung von Lohnsteuer und Sozialabgaben bei drohender Insolvenz der Gesellschaft befasst. Im vorliegenden Fall hatte der Gesellschafter-Geschäftsführer einer insolvenzbedrohten GmbH Lohnzahlung aus seinem eigenen Vermögen an die Arbeitnehmer der Gesellschaft vorgenommen, weil die Gesellschaft hierzu nicht mehr in der Lage war. Eine vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung des Geschäftsführers, die Mittel aus seinem eigenen Vermögen aufzubringen, bestand nicht. Dennoch, so stellt der BFH klar, haftet ein Geschäftsführer bei Lohnzahlungen aus seinem eigenen Vermögen auch für die hierauf abzuführende Lohnsteuer.

Die Entscheidung des BFH:

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) haftet der Geschäftsführer einer GmbH (vgl. § 34 AO i.V.m. §35 Abs. 1 GmbHG), soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht erfüllt werden. Der Geschäftsführer hat also dafür Sorge zu tragen, dass bei jeder Lohnzahlung der GmbH die gesetzlich festgelegte Lohnsteuer einbehalten und innerhalb bestimmter Fristen an das Finanzamt abgeführt wird. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn Zahlungen auf die von der GmbH geschuldeten Löhne von einem Gesellschafter-Geschäftsführer aus seinem eigenen Vermögen ohne unmittelbare Berührung der Vermögenssphäre der Gesellschaft und ohne dieser gegenüber dazu schuldrechtlich verpflichtet zu sein erbracht werden.

Der BFH führt dazu wie folgt aus:

„Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteil vom 21.10.1986 VIIR144/83 (BFH/NV 1987, 286) darauf hingewiesen, es spiele für die rechtliche Beurteilung von Lohnzahlungen keine Rolle, ob die dafür verwendeten Mittel der GmbH zur Verfügung gestanden haben oder die Zahlung aus dem persönlichen Vermögen der Gesellschafter erfolgt ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 24.2.1978 VIR100/75, nicht veröffentlicht). Auch wenn ein Gesellschafter Lohnschulden der Gesellschaft aus seinem eigenen Vermögen tilgt und Lohnzahlungen zugunsten der Arbeitnehmer der Gesellschaft von seinem eigenen Konto ausführen lässt, ohne dass die Vermögensspäre der GmbH unmittelbar berührt wird, handelt er dabei in (möglicherweise verdeckter) Vertretung der Gesellschaft. Denn seine Leistungsbereitschaft beruht auf dem Gesellschaftsverhältnis, einerlei welches Rechtsverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft hinsichtlich der von ihm anstelle der Gesellschaft ausgeführten Zahlungen begründet werden mag, ob der Gesellschafter der Gesellschaft also die entsprechenden Beträge als Einlage oder als Darlehen gewährt und es folglich bei vollständiger Abwicklung dieser Rechtsbeziehungen zu einem Durchgangserwerb der Gesellschaft gekommen wäre und die unmittelbare Zahlung an die Arbeitnehmer der Gesellschaft mithin nur der Abkürzung des Zahlungsweges gedient hat; oder ob der Gesellschafter aufgrund seiner Zahlungen lediglich einen Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch gegen die Gesellschaft erwirbt (und möglicherweise sogar darauf verzichtet, diesen gegen die GmbH tatsächlich geltend zu machen). Ungeachtet der diesbezüglichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses zur Gesellschaft und erst recht der kontomäßigen und buchhalterischen Abwicklung der Lohnzahlungen stellen diese keine gleichsam privaten, lediglich seine Vermögenssphäre betreffenden Zuwendungen des Gesellschafters an die Arbeitnehmer der GmbH dar, die lediglich die Folge hätten, dass diese von ihrer Lohnschuld frei wird. Ein Gesellschafter, der Schulden der Gesellschaft begleicht, stellt dadurch vielmehr mittelbar der Gesellschaft Vermögensmittel in einer Weise zur Verfügung, die es rechtfertigt, die Gesellschaft steuerrechtlich genauso wie bei der entsprechenden Verwendung eigener Mittel zu behandeln.“

Die GmbH traf folglich steuerrechtlich die Pflicht, die auf die ausgezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen, wofür der Kläger als Geschäftsführer der GmbH zu sorgen hatte. Die durch § 41 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG begründete Verpflichtung, Lohnsteuer abzuführen, knüpfe zwar daran, dass der Arbeitgeber vom Lohn gemäß § 38 Abs. 3 EStG für Rechnung des Arbeitnehmers Lohnsteuer einzubehalten hat. Dies zu tun und der GmbH dadurch die zur Entrichtung der Lohnsteuer erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, sei dem Kläger aber nicht unmöglich. Denn er konnte über die Mittel, die er für die Lohnzahlungen verwand hat, verfügen, von diesen also die für die Begleichung der Lohnsteuer benötigten Mittel einzubehalten und der GmbH zuzuführen oder an deren Stelle unmittelbar an das Finanzamt abführen.

Diesen Pflichten konnte der Kläger nicht dadurch ausweichen, dass er es vermied, der GmbH die für die Lohnzahlungen bereitstehenden Mittel zuzuführen, um sie stattdessen unmittelbar selbst in vollem Umfang zur Tilgung deren Lohnschulden zur verwenden. Der Geschäftsführer hat danach seine Geschäftsführerpflichten verletzt, so dass ihn die Haftung für Lohnsteuer trifft.

Im entschiedenen Fall konnte der Kläger ausnahmsweise dennoch nicht in Anspruch genommen werden, da ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit fehlte. Denn das erstinstanzlich damit befasste FG Düsseldorf hatte in einem solchen Verhalten in einer Entscheidung aus dem Jahr 1992 einen haftungsbegründenden Tatbestand nicht zu erkennen vermocht. Wenn allerdings eine mit drei Berufsrechtlern besetzte Spruchkammer das Verhalten noch für rechtmäßig erachtete, kann einem Geschäftsführer nicht umgekehrt bei Befolgen des Urteils des FG Düsseldorf grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden. Nachdem der BFH die Rechtslage nunmehr geklärt hat, werden sich Geschäftsführer zukünftig nicht mehr auf eine unklare Rechtslage berufen können, so dass einer Haftung zukünftig nichts mehr im Wege steht.

Verfasser: RA & StB Andreas Jahn, MEYER-KÖRING v.DANWITZ PRIVAT – Bonn

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