16.10.2005 -

Internetnutzung als Kündigungsgrund?

Missbraucht der Arbeitnehmer die ihm zur Verfügung gestellten Kommunikationseinrichtungen (Telefon, E-Mail, Internet) stellt sich die Frage nach den möglichen Sanktionen. Vorrangig kommen die üblichen arbeitsrechtlichen Disziplinarmaßnahmen in Betracht, also Abmahnung, ordentliche oder außerordentliche Kündigung. Der Grad der Sanktion hängt dabei von dem Umfang des Verstoßes ab und auch von der Form der erlaubten bzw. unerlaubten Nutzung. Je unklarer die betriebliche Regelung ausgestaltet ist, desto weniger Sanktionen stehen dem Arbeitgeber zur Verfügung. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln macht deutlich, dass die Rechtsprechung grundsätzlich großzügig mit Verstößen umgeht und Arbeitgeber gut beraten sind, wenn sie den Umfang der Nutzung genau regeln (LAG Köln, Urt. v. 11.02.2005 – 4 Sa 1018/04 -,).

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall streiten die Parteien um den Anspruch der klagenden Arbeitnehmerin auf volle Auszahlung ihrer Vergütung und das Bestehen von Gegenansprüchen des beklagten Arbeitgebers wegen privater Telefon- und Internetnutzung.

Die Arbeitnehmerin war als Anwaltsgehilfin in der Kanzlei des Beklagten tätig. Sie führte während der Arbeitszeit vom Büro aus mehrfach private Telefonate. Zudem nutzte sie in der Arbeitszeit den Internetanschluss zu Privatzwecken. Während des Arbeitsverhältnisses wurde sie weder zum Ausgleich für die anlässlich der Privatgespräche entstandenen Telefonkosten herangezogen noch wurde ihr deswegen eine Abmahnung erteilt.

Im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses zahlte der Arbeitgeber nicht den vollen Nettobetrag aus, sondern rechnete mit einem Teil des Gehalts auf. Er ist der Ansicht, dass ihm Schadensersatz zustehe, weil die Klägerin durch das Führen zahlreicher Privattelefonate und das Surfen im Internet zu Privatzwecken ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Ihm entstehe daher ein Anspruch auf Ersatz nicht nur der Kosten für die privat geführten Gespräche, sondern auch hinsichtlich der ihm dadurch verlorenen bezahlten Arbeitszeit zu. Die anderweitigen Beschäftigungen hätten jeweils zu Arbeitsunterbrechungen geführt. Zudem verlangte er Ersatz für den zeitlichen Aufwand zur Ermittlung der einzelnen Telefonverbindungen.

Der Arbeitgeber behauptete weiter, der Klägerin von Anfang an untersagt zu haben, am Arbeitsplatz privat zu telefonieren oder das Internet zu nutzen. Dennoch habe sie in einer Gesamtdauer von 25 Stunden und 22 Minuten am Arbeitsplatz private Gespräche geführt und für insgesamt etwa sechs Stunden privat die Internetleitung genutzt, hauptsächlich zum Abruf ihrer privaten E-Mails.

Die Arbeitnehmerin verteidigte sich in erster Linie mit der Behauptung, der Umfang der Nutzung sei nicht zutreffend wiedergegeben worden. Auch habe es keine Einwände während des Arbeitsverhältnisses gegen die private Nutzung gegeben. Sie sei deshalb davon ausgegangen, dass die Privatnutzung geduldet werde. Wäre dies anders gewesen, hätte der Arbeitgeber seine Forderungen bereits im Verlauf des Arbeitsverhältnisses zeitnah geltend machen können.

In der Berufungsinstanz stritten die Parteien dann zwar nur noch über 28,28 €. Unabhängig von diesem geringen Betrag haben die Ausführungen des LAG Köln jedoch grundsätzliche Bedeutung.

Die Entscheidung des LAG:

Das LAG Köln hat einen Anspruch der Arbeitnehmerin auf Zahlung der noch offenen 28,28 € bejaht.

I. Privatnutzung als Pflichtverletzung?

Das Landesarbeitsgericht Köln hat zunächst die Frage nach einer Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin geprüft. Ob und in welchem Umfang ein Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung begeht, richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen, insbesondere nach dem Bestehen eines Verbotes durch den Arbeitgeber. Fehlt eine solche ausdrückliche Regelung, kann der Arbeitnehmer in der Regel berechtigterweise von der Duldung derartiger Handlungen ausgehen. Dies gilt nach Auffassung des LAG Köln insbesondere für moderne Kommunikationseinrichtungen. Die Gestattung des Arbeitgebers zur Privatnutzung von im Betrieb vorhandenen technischen Einrichtungen in angemessenem Umfang durch die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer stellt eine im Privat- und Arbeitsleben sozialtypische Erscheinung dar, da Kommunikationshandlungen häufig termingebunden sind und der Arbeitnehmer während der Dauer seines Aufenthalts im Betrieb private Kommunikationsmittel nicht oder nur eingeschränkt ansetzen kann.

Ist also die private Nutzung nicht ausdrücklich verboten, legt die Rechtsprechung dies als eine Duldung des Arbeitgebers zur privaten Nutzung aus!

II. Kontrolle von Verboten notwendig!

Das LAG Köln weist weiter darauf hin, dass es der Arbeitgeber nicht dabei belassen kann, die private Nutzung zu verbieten. Ein solches Verbot muss auch, jedenfalls stichprobenartig, kontrolliert werden. Wird die Kontrolle hingegen nicht durchgeführt, lässt dies darauf schließen, dass das Verbot für den Arbeitgeber nicht so wichtig ist, so das LAG Köln.

Hinweise für die Praxis:

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Interessenlagen nicht unterschiedlicher sein könnten. Angesichts der weiten Verbreitung von Computern und Internetzugängen fehlt den Arbeitnehmern häufig das Unrechtsbewusstsein, wenn sie die ihnen zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel auch für private Erledigungen oder privates Surfen einsetzen. Umgekehrt ist auf Arbeitgeberseite regelmäßig bei einer unerlaubten Nutzung das Interesse an einer sofortigen Sanktion besonders hoch.

Für die unerlaubte Internetnutzung und die möglichen Sanktionen existiert mittlerweile eine eigenständige und grundsätzlich äußerst einheitliche Rechtsprechung in den Instanzgerichten. Verstöße können grundsätzlich nur mit einer Abmahnung geahndet werden. Ausnahmen bestehen nur bei extrem exzessiver Nutzung oder aber dem Besuch von strafbaren Internetseiten (z.B. gewaltverherrlichende Darstellungen, Kinderpornographie). Der Inhalt der Seiten, die privat genutzt werden, ist deshalb regelmäßig irrelevant.

Sind keine klaren betrieblichen Regelungen für ein Verbot oder den Umfang der privaten Nutzung vorhanden, gehen diese Unsicherheiten grundsätzlich zu Lasten des Arbeitgebers. Die Rechtsprechung verlangt von dem Arbeitgeber klare Regelungen. Wird ein Missbrauchsfall aufgedeckt, sollte deshalb spätestens dieser Vorfall zum Anlass genommen werden, für die Zukunft klare Regelungen zu schaffen. Zudem sollte sich der Arbeitgeber vorbehalten, in regelmäßigen Abständen das Nutzungsverhalten stichprobenartig zu kontrollieren. Auf diese Weise dokumentiert er die Ernsthaftigkeit des Verbotes. Wird die Privatnutzung grundsätzlich erlaubt, sollte ihr zulässiger Umfang beziffert werden, bspw. nicht mehr als 10/20 Minuten täglich während der Arbeitszeit oder aber private Nutzung nur innerhalb der Pausen oder außerhalb der Arbeitszeit.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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