18.09.2004 -

Für die Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat von Gesellschaften, die zwischen 500 und 2000 Arbeitnehmer beschäftigen, galten bis zum 30. Juni 2004 die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 (BetrVG 1952). Das BetrVG 1952 ist vom Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) im Rahmen der Änderungen durch das 2. Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat abgelöst worden (Das zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat ist im Bundesgesetzblatt Teil 1 Nr. 25 vom 27. Mai 2004, S. 974 veröffentlicht und kann in der Leseversion unter www.bundesanzeiger.de eingesehen werden).

 

Die wesentlichen Neuerungen wollen wir nachfolgend kurz zusammenfassen.

 

I. Ablösung BetrVG 1952

 

Das Drittelbeteiligungsgesetz ersetzt seit dem 1. Juli 2004 die §§ 76 ff. BetrVG 1952 zur Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Mit der Neufassung sind einige inhaltliche Änderungen verbunden. Im Wesentlichen handelt es sich jedoch um eine redaktionelle Neufassung, die das bisherige Recht vollständig und systematischer gliedert.

 

II. Anwendungsbereich

 

Der Anwendungsbereich des DrittelbG bleibt gegenüber dem BetrVG 1952 im Wesentlichen unverändert. Nach § 1 DrittelbG werden Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften, GmbHs, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, erfasst.

 

In § 2 DrittelbG findet sich die Begriffsbestimmung des Konzerns. Danach nehmen an der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens eines Konzerns (vgl. § 18 Abs. 1 AktG) auch die Arbeitnehmer der übrigen Konzernunternehmen teil. Dabei wird nunmehr auf den gesamten Abs. 1 des § 18 AktG verwiesen und nicht mehr lediglich auf die ersten beiden Sätze des § 18 Abs. 1 AktG, wie dies noch in § 76 Abs. 4 BetrVG 1952 der Fall war. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 DrittelbG stellt somit nunmehr den faktischen Unterordnungskonzern dem Vertragskonzern des § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG gleich.

 

III. Bestimmung der Begriffe Arbeitnehmer und Betrieb

 

§ 3 DrittelbG verweist zur Begriffsbestimmung für Arbeitnehmer auf § 5 BetrVG. Eine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist mit der Neufassung aber nicht vorgesehen. Insbesondere sind die leitenden Angestellten weiterhin vom aktiven Wahlrecht – anders als im Mitbestimmungsgesetz – ausgeschlossen.

 

Für die Bestimmung des Betriebsbegriffs verweist § 3 Abs. 2 DrittelbG ebenfalls auf das Betriebsverfassungsgesetz, § 4 BetrVG.

 

IV. Zusammensetzung des Aufsichtsrats

 

Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bleibt nach der Neufassung des Gesetzes unverändert. Der neue § 4 DrittelbG entspricht insofern dem bisherigen § 76 Abs. 1 und 2 BetrVG 1952.

 

Aufgenommen wurde in § 4 Abs. 3 DrittelbG darüber hinaus in Anlehnung an § 7 Abs. 3 MitbestimmungsG eine Regelung zu den persönlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen. Nunmehr besteht das Erfordernis einer 1-jährigen Unternehmenszugehörigkeit. Maßgeblich ist die 1-jährige Unternehmenszugehörigkeit in dem Unternehmen, dessen Aufsichtsrat neu gewählt wird. Ausreichend ist aber auch die 1-jährige Zugehörigkeit zu einem anderen Unternehmen, dessen Arbeitnehmer gem. § 2 DrittelbG an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens teilnehmen.

 

Nach § 4 Abs. 4 DrittelbG sollen Frauen und Männer entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Unternehmen vertreten sein. Anders als in § 15 Abs. 2 BetrVG 2001 hat der Gesetzgeber jedoch auf eine zwingende Mussvorschrift verzichtet. Vielmehr handelt es sich um eine Sollvorschrift, so dass Verstöße nicht zur Ungültigkeit eines Wahlvorschlages führen. Auch kann eine Wahlanfechtung nicht auf den Verstoß gegen diese Sollvorschrift gestützt werden.

 

V. Wahlvorschriften

 

Die allgemeinen Wahlgrundsätze und das aktive Wahlrecht werden in § 5 DrittelbG geregelt. Wie auch schon nach dem BetrVG 1952 findet die Wahl nach dem Mehrheitswahlrecht statt; gewählt ist danach, wer die meisten Stimmen erhalten hat.

 

Auch Leiharbeitnehmer sind durch den ausdrücklichen Verweis auf § 7 Satz 2 BetrVG 2001 wahlberechtigt, wenn sie mehr als 3 Monate im Unternehmen eingesetzt werden. Nach der neusten Rechtsprechung des BAG vom 16. April 2003 sind diese Leiharbeitnehmer aber nicht bei den Schwellenwerten mitzuzählen. Es gilt der Grundsatz Leiharbeitnehmer wählen, aber zählen nicht.

Wahlvorschläge können bisher auch gem. § 6 DrittelbG von den Betriebsräten und den Arbeitnehmern erfolgen. Anders als noch im BetrVG 1952 ist nun auch die Wahl von Ersatzmitgliedern ausdrücklich in § 7 DrittelbG geregelt. Die Vorschrift des § 17 MitbestimmungsG wurde entsprechend angewandt.

 

VI. Bekanntmachung der Mitglieder des Aufsichtsrats

 

Die Veröffentlichungspflicht ist nun, anders als im BetrVG 1952, ausdrücklich in § 8 DrittelbG geregelt. Die Bekanntmachung hat durch das zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugte Organ in den Betrieben des Unternehmens und im elektronischen Bundesanzeiger zu erfolgen. Die in § 25 AktG zum 1. Januar 2003 eingeführte Vereinfachung ist damit auch im DrittelbG nachvollzogen.

 

VII. Weitere Vorschriften

 

Die weiteren Vorschriften des neuen DrittelbG wollen wir hier nicht ausdrücklich wiedergeben. Hinzuweisen ist auf den Schutz vor Benachteiligung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 9 DrittelbG. Der Wahlschutz ist in § 10 Absätze 1 und 2 DrittelbG geregelt. Die Pflicht des Unternehmens, die Wahlkosten zu tragen, findet sich in § 10 Abs. 3 DrittelbG.

 

Das im BetrVG 1952 nicht geregelte, dennoch in Rechtsprechung und Literatur anerkannte Anfechtungsrecht ist nun ausdrücklich in § 11 DrittelbG aufgenommen worden.

 

Die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern in § 12 DrittelbG entspricht der Altregelung des § 76 Abs. 5 BetrVG 1952; lediglich der Begriff Widerruf ist durch Abberufung ersetzt worden.

 

VIII. Übergangsregelungen

 

Übergangsregelungen finden sich in § 15 DrittelbG. Das DrittelbG findet generell auf Wahlen oder Abberufungen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer Anwendung, die ab dem 1. Juli 2004 eingeleitet werden.

 

IX. Neue Wahlordnung

 

Grundlage für das Wahlverfahren ist neben dem DrittelbG die aufgrund der Ermächtigungsnorm in § 13 DrittelbG erlassene Rechtsverordnung zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem DrittelbG (WODrittelbG). Sie löst die Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz 1952 (WO 1952) ab.

 

Die Wahlordnung vom DrittelbG ist gegenüber dem bisherigen Recht detaillierter und systematischer und wurde eng an die Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz angelegt. Hingegen wurden nur wenige Änderungen des materiellen Rechts vorgenommen.

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

 

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