18.07.2004

Nach § 33 Abs. 1 EStG kann die Einkommensteuer ermäßigt werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinn zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 EStG). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag (BFH-Urteil vom 29.11.1991 III R 74/87, BStBl II 1992, 290 m.w.N.).

Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Kosten eines Vaterschaftsfeststellungsprozesses ist, dass der Steuerpflichtige auf Feststellung der Vaterschaft und Zahlung eines Unterhalts verklagt wird. In diesem Fall kann die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen bejaht werden. Jedoch muss der Steuerpflichtige Zweifel an seiner Vaterschaft substanziiert darlegen und schlüssige Beweise vorbringen können, die gegen eine Vaterschaft sprechen.

Im Urteilsfall war durch einen Prozess beim Amtsgericht festgestellt worden, dass der Steuerpflichtige der Vater des Kindes ist. Ein Sachverständiger hatte eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,966 Prozent ermittelt. Die Kosten für den Vaterschaftsprozess, die sich auf 5.295 DM beliefen, machte der Steuerpflichtige als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt erkannte ebenso wie das Finanzgericht Münster die Kosten nicht an.

Auch der Bundesfinanzhof lehnte den Abzug der Kosten ab, hat aber in der Begründung seines Urteils die Zwangsläufigkeit der Zivilprozesskosten etwas genauer unter die Lupe genommen. Danach können Prozesskosten zwangsläufig entstehen, wenn der Steuerpflichtige trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen ist, einen Prozess zu führen, wenn dies der einzige Weg ist, das Klageziel zu erreichen. Dies ist beispielsweise bei einer Anerkennung einer Staatsbürgerschaft oder einer Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft oder bei der Ehescheidung der Fall. Prozesse, in denen es um die eigene Existenzgrundlage oder um einen Kernbereich menschlichen Lebens geht – das Erstreiten des Umgangsrechts mit den eigenen Kindern beispielsweise – können trotz unsicherem Ausgang zwangsläufig und unausweichlich sein.

Ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren ist jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht mit Prozessen vergleichbar, die stets als zwangsläufig anzusehen sind. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft berührt nicht unmittelbar die Existenz des Klägers und seine Lebensbedürfnisse. Denn auch bei Festsetzung von Unterhaltsansprüchen des Kindes bleibt dem Vater ein existenzsichernder Betrag.

Hätte der Vater jedoch durch schlüssige Beweise und substanziierte Darlegung ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft aufzeigen können, wäre durch die positive Erfolgsaussicht trotzdem ein steuerlicher Abzug möglich gewesen. Das konnte der Steuerpflichtige im vorliegenden Fall jedoch nicht darlegen. Die Kosten wurden nicht als außergewöhnliche Aufwendung anerkannt. (BFH-Urteil vom 18.3.2004, Az. III R 24/03).

(Mitgeteilt von RA & StB Andreas Jahn)

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