18.05.2003

Der Bundesgerichtshof hat seine bisherige Rechtsprechung in einem neuen Urteil vom 07. April 2003 völlig geändert und festgestellt, dass derjenige, der in eine BGB-Gesellschaft eintritt, für sog. Altverbindlichkeiten der Gesellschaft auch mit seinem Privatvermögen haftet.

 

Leitsätze:

a)  Der in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eintretende Gesellschafter hat für vor seinem Eintritt begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich auch persönlich und als Gesamtschuldner mit den Altgesellschaftern einzustehen.

 

b)  Dieser Grundsatz gilt auch für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, in denen sich Angehörige freier Berufe zu gemeinsamer Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Ob für Verbindlichkeiten aus beruflichen Haftungsfällen dieser Gesellschaften eine Ausnahme zu machen ist, bleibt offen.

 

 

Schon die bisherige Rechtsprechung des BGH hatte eine Haftung des neu eintretenden Gesellschafters für Altschulden anerkannt. Diese beschränkte sich allerdings auf das Gesellschaftsvermögen, der Neu-Gesellschafter haftete also für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft nur in Höhe der von ihm geleisteten Einlagen. Das Privatvermögen blieb hingegen grundsätzlich unangetastet, es sei denn, es lag ein besonderer Verpflichtungsgrund vor (z.B. ein Schuldbeitritt).

 

In dem vom BGH entschiedenen Fall nahm die Klägerin drei Anwälte, die sich im Jahre 1998 zu einer Anwaltssozietät zusammengeschlossen hatten, gesamtschuldnerisch auf Rückzahlung eines ohne Rechtsgrund geleisteten Honorarvorschusses in Anspruch. Der Vorschuss war allerdings bereits 1997 geleistet worden, als der Beklagte zu 2) noch nicht als Rechtsanwalt zugelassen war. Trotzdem muss der Beklagte zu 2) laut BGH grundsätzlich für diese Altschuld mit seinem gesamten Privatvermögen haften.

 

Der BGH begründet seine Entscheidung zusammengefasst wie folgt:

 

Der Gedanke, dass ein neu in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eintretender Gesellschafter auch ohne besondere Verpflichtungserklärung gegenüber den Gläubigern mit dem Erwerb der Mitgliedschaft auch in die bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft eintritt und damit nicht anders als die Altgesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft ohne Unterscheidung nach dem Zeitpunkt ihrer Begründung haftet, entspricht sowohl dem Wesen der Personengesellschaft als auch einer „im Verkehrsschutzinteresse zu Ende gedachten Akzessorietät der Haftung“. Das Wesen der Personengesellschaften besteht in der persönlichen Haftung aller Gesellschafter in ihrem jeweiligen personellen Bestand. Diese gründet sich wiederum auf dem Umstand, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (anders als z.B. die GmbH) kein eigenes, zu Gunsten ihrer Gläubiger gebundenes garantiertes Haftkapital besitzt. Das Gesellschaftsvermögen steht vielmehr dem jederzeitigen Zugriff der Gesellschafter uneingeschränkt und sanktionslos offen. Die persönliche Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist daher vor diesem Hintergrund nicht nur die alleinige Grundlage für die Wertschätzung und Kreditwürdigkeit der Gesellschaft; sie ist vielmehr das notwendige Gegenstück zum Fehlen jeglicher Kapitalerhaltungsregeln.

 

Die Entscheidung des BGH ist auch keineswegs ein überraschendes Geschenk an die Gläubiger der Gesellschaft, sondern es handelt sich um das Ergebnis einer Abwägung der legitimen Interessen der Gläubiger und des Neueingetretenen. Dieses Abwägungsergebnis ist auch durchaus gesetzeskonform, denn das kodifizierte deutsche Recht sieht überall dort, wo es eine ausdrückliche Regelung getroffen hat, zumindest eine grundsätzliche Mithaftung neu eintretender Gesellschafter vor (§ 130 HGB, § 173 HGB, § 8 Abs. 1 PartGG). Außerdem können durch die Haftungserweiterung des Neu-Gesellschafters inakzeptable Ergebnisse im Haftungssystem der GbR vermieden werden, die insbesondere drohen, wenn der Neu-Gesellschafter für das vor seinem Beitritt begründete Dauerschuldverhältnis nicht persönlich haftet und gleichzeitig die persönliche Haftung der ausgeschiedenen Alt-Gesellschafter gemäß §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 HGB beendet ist.

 

Für den Gläubiger besteht künftig der Vorteil, dass er sich gegenüber dem Neu-Gesellschafter nicht auf den u.U. heiklen Streit über den Zeitpunkt des Entstehens seiner Forderung und die Mitgliedschaft des in Anspruch genommenen Gesellschafters einlassen muss. All dies gilt auch für BGB-Gesellschaften, die von Angehörigen freier Berufe gegründet worden sind. Dies lässt sich nicht zuletzt aus § 8 Abs. 1 PartGG  entnehmen, der in Satz 2 ausdrücklich auf § 130 HGB und die damit verbundene Haftung mit dem Privatvermögen verweist.

 

Der BGH deutet schließlich an, dass eine Ausnahme in beruflichen Haftungsfällen möglich sei, da sie, wie § 8 Abs. 2 PartGG zeigt, eine Sonderstellung einnehmen. Die Beantwortung dieser Frage hat der BGH allerdings ausdrücklich offen gelassen.

 

Fazit:

Der BGH knüpft mit dieser Entscheidung an seine frühere Rechtsprechung an, wonach Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft nach dem Vorbild der OHG akzessorisch für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Das Haftungsrisiko des Neu-Gesellschafters hat sich durch die Entscheidung des BGH erhöht. Dem Neu-Gesellschafter steht es offen,  dieses Risiko durch Freistellungsvereinbarung mit seinen Mitgesellschaftern im Innenverhältnis teilweise zu verringern. Dadurch ändert sich freilich nichts an seiner Haftung im Außenverhältnis.

  

 Verfasser: Ref. Alexander Wolf, LL.M.

 

 

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