18.06.2025 -
Annahmeverzugslohn: LAG Köln präzisiert BAG-Rechtsprechung – wichtige Hinweise zur Mitwirkungspflicht von Arbeitnehmern bei unwirksamer Kündigung.
Wie sollten Arbeitgeber vor Zahlung von Annahmeverzugslohnansprüchen an ihren unwirksam gekündigten Arbeitnehmer vorgehen? Erfahren Sie genaueres zum Auskunftsanspruch des Arbeitgebers hinsichtlich der Bewerbungsbemühungen des Arbeitnehmers! (credits: adobestock).

In der Praxis kommt es immer wieder zu Streit über den Umfang und das Bestehen von Annahmeverzugslohnansprüchen. Diese Ansprüche entstehen u.a. dann, wenn ein unwirksam gekündigter Arbeitnehmer weiterbeschäftigt wird. Die Zeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. ab dem Datum der fristlosen Kündigung bis zum Zeitpunkt der Weiterbeschäftigung müssen dann in vollem Umfange, abzüglich etwaiger übergegangener Ansprüche, nachgezahlt werden. Den Arbeitnehmer treffen aber auch Pflichten für diesen Nachzahlungszeitraum. Er muss zumutbare Arbeiten annehmen und sich auch entsprechend um eine anderweitige Tätigkeit bemühen, um die Annahmeverzugslohnansprüche zu minimieren. Bleibt der Arbeitnehmer untätig, entstehen keine Annahmeverzugslohnansprüche. Das Landesarbeitsgericht Köln hat die bestehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu diese Frage in einem aktuellen Urteil weiter präzisiert (LAG Köln v. 7.1.2025, 7 SLa 78/24). Die Entscheidung ist von großer praktischer Relevanz und soll daher hier besprochen werden.

Der Fall:

Der beklagte Arbeitgeber gehört zum E-Verbund und übernimmt die Eigentransporte von Waren, die in den E-Märkten verkauft werden. Der klagende Arbeitnehmer ist dort als Berufskraftfahrer seit dem 28. April 2015 beschäftigt. Er ist verheiratet und drei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet.

Bei dem beklagten Arbeitgeber fährt er ausschließlich Sattelzüge und LKW mit Tandemachsanhänger.

Der Kläger war vom 14. Juli 2022 bis zum 12. August 2022 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 27. Juli 2022 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 14. April 2023 u.a. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die vorgenannten Kündigungen nicht beendet wurde.

Der Kläger wird seit dem 15. Mai 2023 von der Beklagten weiterbeschäftigt und seit diesem Zeitpunkt wieder vergütet. Für die Zeit vom 28. Juli 2022 bis zum 14. Mai 2023 hat er hingegen, trotz der Unwirksamkeit der Kündigungen, keinen Annahmeverzugslohn von der Beklagten erhalten.

Der Arbeitgeber hat dazu die Auffassung vertreten, dem Kläger sei böswillig nicht erzielter Zwischenverdienst anzurechnen. Er habe den Auskunftsanspruch über erfolgte Bewerbungen nicht vollumfänglich erfüllt. Die genannten Bewerbungsbemühungen seien nicht ausreichend gewesen. Es habe sich lediglich um Scheinbewerbungen gehandelt.

Der Kläger hat zu seinen Auskunftsbemühungen mitgeteilt, er habe 65 Bewerbungen geschrieben. Diese hat er im Prozess auch aufgelistet. In 62 Fällen habe er aber keine Antwort erhalten. Zudem habe er sich auf entsprechende Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit gemeldet.

Wegen des einbehaltenen Lohnes hat er Klage auf Entgelt aus Annahmeverzug für den Zeitraum vom 28. Juli 2022 bis zum 14. Mai 2023 erhoben. Er hat dazu die Auffassung vertreten, ihm stünde ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn in der geltend gemachten Höhe zu. Die vom Bundesarbeitsgericht geforderten Auskünfte über Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit sowie seine Eigenbemühungen bei der Bewerbung habe er vollumfänglich erfüllt.

Das Arbeitsgericht hat erstinstanzlich der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat hingegen das Landesarbeitsgericht die Zahlungsklage ganz überwiegend abgewiesen. Nur in Höhe der Entgeltfortzahlungsansprüche bis zum 12. August 2022 wurde der Klage stattgegeben.

I. Annahmeverzug bei unwirksamer Kündigung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerät der unwirksam kündigende Arbeitgeber gem. §§ 293 ff. BGB in Annahmeverzug, ohne dass es eines auch nur wörtlichen Arbeitsangebotes des Arbeitnehmers bedarf. Denn in der Kündigung des Arbeitgebers liegt zugleich die Erklärung, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bei der fristlosen Kündigung nach deren Zugang nicht mehr anzunehmen.

Der Kläger wurde hier am 27. Juli 2022, zugegangen am Folgetag, fristlos gekündigt. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich Annahmeverzug. Hingegen bestand der Annahmeverzug nicht sofort, da der Kläger noch bis zum 12. August 2022 wegen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht leistungsfähig war. Der Arbeitgeber gerät aber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken. Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers sind vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitnehmer hatte also einen Anspruch auf Vergütung aus Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zum 12. August 2022, § 3 Abs. 1 EFZG. Annahmeverzug und Leistungsunfähigkeit aufgrund einer Erkrankung schließen sich aus. Das Gesetz sieht ein böswilliges Unterlassen während eines bestehenden Anspruchs auf Entgeltfortzahlung nicht vor.

II. Auskunftspflichten des Arbeitnehmers

Einem Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzug kann der Arbeitgeber die Einwendung nach § 11 Nr. 2 KSchG entgegenhalten. Danach muss sich der Arbeitnehmer anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 615 Satz 2 BGB. Hieraus folgt eine Auskunftspflicht des Arbeitnehmers. Kommt er seinen Auskunftspflichten nicht oder nicht ausreichend nach, muss der Arbeitgeber keinen Annahmeverzugslohn zahlen (jedenfalls bis zur Klärung und Erteilung der Auskunft). Bei dem Auskunftsbegehren handelt es sich um eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis gem. § 242 BGB.

III. Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs

Das Bundesarbeitsgericht stellt folgende fünf Voraussetzungen auf:

  1. Das Vorliegen einer besonderen rechtlichen Beziehung,
  2. die dem Grund nach feststehende oder (im vertraglichen Bereich) zumindest wahrscheinliche Existenz eines Leistungsanspruchs des Auskunftsfordernden gegen den Anspruchsgegner,
  3. die entschuldbare Ungewissheit des Auskunftsfordernden über Bestehen und Umfang seiner Rechte,
  4. die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung durch den Anspruchsgegner sowie
  5. das nicht erfolgende Unterlaufen der allgemeinen Beweisgrundsätze durch die Zuerkennung des Auskunftsanspruchs.

Alle fünf Voraussetzungen lagen hier vor. Insbesondere bestand die geforderte Wahrscheinlichkeit, dass die Einwendung böswillig unterlassener anderweitiger Arbeit begründet war. Der Arbeitgeber hatte zutreffend vermutet, dass es sich um „Scheinbewerbungen“ gehandelt habe. Der Kläger hat angegeben, auf 65 Bewerbungen in 62 Fällen keine Reaktion erhalten zu haben. Eine Bewerbung in unangemessener Form ist aber einer Nichtbewerbung gleichzusetzen. Eine solche Gleichsetzung ist gerechtfertigt, wenn ein Bewerbungsschreiben allein schon wegen seines objektiven Inhalts bzw. seiner Form von Arbeitgebern gemeinhin von vornherein als unbeachtlich oder offensichtlich unernst gemeint behandelt wird. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Inhalt oder die Form des Bewerbungsschreibens so abschreckend oder widersprüchlich ist, dass der Bewerber schon allein wegen des Schreibens aus der Auswahl für den Arbeitgeber ausscheidet.

Hinweis für die Praxis:

Im vorliegenden Fall erfolgte keine Reaktion von nahezu 95 % der potentiellen Arbeitgeber. Offenbar hatte der Kläger in seinen Bewerbungen auf Umstände hingewiesen, die eine Nichtreaktion provozieren sollten. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn ein ungefragter Hinweis auf ein laufendes Gerichtsverfahren mit dem bisherigen Arbeitgeber erfolgt. Ein solcher Hinweis entspricht nicht dem üblichen Verhalten einer tatsächlich um eine Beschäftigung bemühten Person.

IV. Leistungsverweigerungsrecht

Der Kläger hat weitere Auskünfte über seine Bewerbungsbemühungen nicht erteilt. Insbesondere hat er auf Nachfrage die Bewerbungsunterlagen nicht vorgelegt. Da er aber diese Auskünfte nicht erteilt hat und er zur Auskunft verpflichtet war, kann der Arbeitgeber die Zahlung hinsichtlich des gesamten Annahmeverzugszeitraums solange verweigern, bis die Auskunft erteilt wird. Damit ist der Anspruch auf Annahmeverzug unbegründet.

Hinweis für die Praxis:

Dem Arbeitnehmer bleibt es freilich unbenommen, die Auskünfte noch vorzulegen. Dann muss im Einzelfall geprüft werden, ob es sich tatsächlich um Scheinbewerbungen gehandelt hat. Im vorliegenden Falle weigerte sich der Arbeitnehmer jedoch, die Bewerbungsunterlagen vorzulegen.

Fazit:

Annahmeverzugslohn entsteht nicht automatisch in allen Fällen. Arbeitgeber sind daher gut beraten, sich vor Zahlung des Annahmeverzugslohns beim Arbeitnehmer über dessen Eigenbewerbungen und auch über den Erfolg der Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit zu informieren. Nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln sind Arbeitnehmer über den Umfang und die Form dieser Bemühungen auskunftspflichtig. Werden keine Auskünfte erteilt, besteht (ggf.) ein Leistungsverweigerungsrecht. Ungeklärt ist die Frage, ob ein solches Leistungsverweigerungsrecht in allen Fällen besteht oder aber, wie im vorliegenden Fall, jedenfalls der begründete Verdacht von Scheinbewerbungen bestehen muss. In jedem Fall sollten Arbeitgeber aber alle Auskünfte verlangen und einholen, um den Umfang und die Reichweite des Annahmeverzugslohnanspruchs genau prüfen zu können.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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