10.12.2025
Klagefrist bei Schwerbehinderung: Arbeitnehmer kannn sich nicht auf die Vorteile einer etwaigen Schwerbehinderung berufen, wenn Arbeitgeber keine Kenntnis der Schwerbehinderung hat.
Klagefrist bei Schwerbehinderung: Arbeitnehmer kannn sich nicht auf die Vorteile einer etwaigen Schwerbehinderung berufen, wenn Arbeitgeber keine Kenntnis der Schwerbehinderung hat. (credits: adobestock)

Arbeitnehmer müssen wegen Kündigungen bekanntlich innerhalb von drei Wochen Klage erheben, § 4 KSchG. Hängt allerdings die Kündigung von der Zustimmung einer Behörde ab, läuft die dreiwöchige Frist erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab, § 4 S. 4 KSchG. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte jetzt zu entscheiden, ob dem Arbeitgeber die Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung bzw. eines Fachvorgesetzten von der Schwerbehinderung des gekündigten Arbeitnehmers zugerechnet werden kann mit der Folge, dass dann die versäumte dreiwöchige Klagefrist ausnahmsweise keine Auswirkungen wegen der vorgenannten Regelungen hatte (LAG v. 7.5.2025, 4 SLa 438/24).

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer war bereits seit 1987 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Der Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1991 hatte unter Bezug auf eine gleichlautende Arbeitsordnung folgende Regelung:

Das Arbeitsverhältnis endet – ohne dass es einer Kündigung bedarf – mit dem Zeitpunkt, von dem an Sie Altersruhegeld beziehen, spätestens mit dem letzten Arbeitstag des Monats, in dem Sie das gesetzliche Rentenalter erreichen oder in dem Ihnen durch Zustellung des Bescheids eines Sozialversicherungsträgers die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mitgeteilt wird. Der Rentenbescheid ist der Personalabteilung nach Zugang unverzüglich vorzulegen.“

Der Kläger erhielt zunächst befristet für die Zeit vom 1.3.2011 bis zum 30.9.2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Als der Kläger den entsprechenden Bescheid dem Arbeitgeber übergab, legte dieser ihm ein Schreiben folgenden Inhalts vor, welches beide Parteien unterschrieben:

Ende des Arbeitsverhältnisses wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit – Wiedereinstellungszusage

Sehr geehrter Herr Y,

gemäß dem uns am 3.11.2011 von Ihnen vorgelegten Bescheid Ihres Sozialversicherungsträgers erhalten Sie ab dem 1.12.2011 eine Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung bis zum 30.9.2013.

Die Arbeitsordnung der F-GmbH in der Fassung vom 1.5.2003 regelt gemäß Ziff. L, Ende des Beschäftigungsverhältnisses – Beendigungsarten –, Nr. 1, unter anderem, dass mit dem Zeitpunkt, in dem dem Beschäftigten durch die Zustellung des Bescheides eines Sozialversicherungsträgers die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mitgeteilt wird, das Arbeitsverhältnis endet.

Zu den nachstehenden Bedingungen sichern wir Ihnen Ihre Wiedereinstellung zu

– mit dem Angebot für eine zumutbare Tätigkeit, sobald rechtskräftig das Ende Ihrer vollen Erwerbsminderung festgestellt wurde,

– wenn Ihr Arbeitsangebot spätestens am Tage nach dieser Feststellung in der für Sie zuständigen Personalabteilung erfolgt,

– und der betriebsärztliche Dienst (Gesundheitsdienst der F-GmbH) Ihre Einsatzfähigkeit für die angebotene oder eine andere vergleichbare Tätigkeit festgestellt hat.

Ihre bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zurückgelegte Betriebszugehörigkeit wird Ihnen angerechnet, wenn während der Zeit Ihrer vollen Erwerbsminderung kein anderes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Bitte legen Sie dieses Schreiben mit Ihrem Arbeitsangebot vor.

Ihr Einverständnis mit diesen Regelungen bestätigen Sie uns bitte durch Ihre Unterschrift.“

Der Arbeitgeber gewährte dann nachfolgend dem Arbeitnehmer für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit eine Betriebsrente. Der Arbeitnehmer stellte weitere Anträge auf Gewährung einer befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente, zuletzt bis zum 29.2.2020. Sein Antrag auf Gewährung einer unbefristeten Erwerbsunfähigkeitsrente wurde von der Rentenversicherung abgelehnt. Das hiergegen gerichtete sozialgerichtliche Verfahren war erfolglos und endete mit Klagerücknahme am 27.11.2023. Am gleichen Tag informierte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über die erfolgte Klagerücknahme unter Hinweis auf die ihm erteilte Wiedereinstellungszusage. Die Beklagte lehnte eine Wiedereinstellung mit der Begründung ab, der Kläger habe sich zu spät bei ihr gemeldet und deswegen den Anspruch auf Wiedereinstellung verwirkt.

In der Personalakte des Arbeitgebers befindet sich lediglich ein Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Wiedereinstellungszusage sei bindend und das Arbeitsverhältnis bestehe fort. Zudem sei sein Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft erfolgreich gewesen. Sein Fachvorgesetzter und auch die Gesamtschwerbehindertenvertretung habe davon Kenntnis gehabt.

Der Arbeitgeber hat hingegen die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei durch Eintritt der auflösenden Bedingung der Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente beendet worden. Der Kläger habe es versäumt, innerhalb von drei Wochen dagegen Klage zu erheben, §§ 21, 17 S. 2 TzBfG.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Auflösende Bedingung und Klagefrist

Zunächst hat das LAG klargestellt, dass es sich bei der Vereinbarung im Arbeitsvertrag um eine auflösende Bedingung gehandelt hat. Die Parteien haben als auflösende Bedingung vereinbart, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Zeitpunkt endet, in dem der Kläger durch Zustellung des Bescheids eines Sozialversicherungsträgers die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mitgeteilt wird.

Dies war hier der Fall. Die auflösende Bedingung löst ebenso wie bei einer Kündigung eine dreiwöchige Klagefrist aus, § 21 i.V.m. § 17 S. 2 TzBfG i.V.m. § 7 KSchG. Diese Frist war hier nicht eingehalten worden.

Hinweis für die Praxis:

Die erteilte Einstellungszusage ändert daran nichts. Formal endete das Arbeitsverhältnis wegen des Eintritts der auflösenden Bedingung. Das Arbeitsverhältnis besteht bei Erteilung einer Einstellungszusage nicht unverändert fort, sondern vielmehr muss dann auf Neueinstellung geklagt werden, was der Arbeitnehmer hier versäumt hatte.

II. Ausweg fehlende Zustimmung des Integrationsamtes?

Der Arbeitnehmer hatte sich nunmehr ergänzend darauf berufen, wenn tatsächlich eine auflösende Bedingung das Arbeitsverhältnis schon im Jahre 2011 beendet haben sollte, hätte die dreiwöchige Klagefrist nicht zu laufen begonnen, weil er zum damaligen Zeitpunkt bereits schwerbehindert gewesen ist. In Anwendung der Vorschrift des § 4 S. 4 KSchG beginnt im Fall von Kündigungen wegen dieser Ausnahmeregelung die Klagefrist erst, wenn dem Arbeitnehmer eine Zustimmung des Integrationsamtes der beabsichtigten Kündigung mitgeteilt wurde. Eine solche Zustimmung gab es hier aber nicht.

Diese Argumentation ist zwar formal zutreffend, änderte hier aber zugunsten des Klägers nichts. Die Schwerbehinderung des Klägers war nämlich dem Arbeitgeber nicht bekannt. Der Arbeitnehmer hatte es versäumt, die Schwerbehinderung mitzuteilen. Die Kenntnis eines Dritten, hier des Fachvorgesetzten oder der Gesamtschwerbehindertenvertretung, ändert daran nichts. Der Arbeitgeber muss sich die Kenntnis eines Dritten nur dann zurechnen lassen, wenn dessen Stellung im Betrieb nach den Umständen erwarten lässt, dass er sich adäquat um personalrechtliche Belange kümmert. Diese Person muss also eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb haben und in einer ähnlichen Stellung stehen wie ein rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers. Weder die Schwerbehindertenvertretung noch der Fachvorgesetzte des Klägers haben eine Stellung, die einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Arbeitgebers ähnlich ist. Daher war die Klagefrist tatsächlich abgelaufen.

Fazit:

Die Entscheidung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten von Bedeutung. Zunächst greift im Fall einer vereinbarten auflösenden Bedingung ebenfalls die dreiwöchige Klagefrist und muss zwingend beachtet werden. Eine Fristversäumung führt unweigerlich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, selbst bei rechtlichen Mängeln. Die dreiwöchige Klagefrist des § 17 S. 1 TzBfG erfasst alle Unwirksamkeitsgründe. Eine Wiedereinstellungszusage muss dann gesondert geltend gemacht werden. Zum anderen muss eine bestehende Schwerbehinderung dem Arbeitgeber auch mitgeteilt werden. Liegt diese Mitteilung nicht vor, kann sich der Arbeitnehmer auch nicht auf die Vorteile einer etwaigen Schwerbehinderung berufen, insbesondere greift dann nicht die spezielle Regelung des § 4 S. 4 KSchG.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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