22.10.2025 -
LAG Köln: Kein Anspruch auf bessere Konditionen bei neuen Freiwilligenprogrammen nach Aufhebungsvertrag.
LAG Köln: Kein Anspruch auf nachträgliche Anpassung eines Aufhebungsvertrags bei Freiwilligenprogramm mit verbesserten Ausscheidenskonditionen (credits: adobestock).

In vielen großen Unternehmen werden sogenannte Freiwilligenprogramme aufgesetzt. Im Rahmen einer doppelten Freiwilligkeit bietet der Arbeitgeber großen Arbeitnehmergruppen die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden. Das bietet sich vor allem dann an, wenn die Grundsätze der Sozialauswahl umgangen werden sollen und der Arbeitgeber frei entscheiden möchte, von welchen Mitarbeitern er sich trennen möchte. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte nun die interessante Frage zu entscheiden, inwieweit ein abgeschlossener Aufhebungsvertrag aus einem solchen Freiwilligenprogramm angepasst werden muss, wenn der Arbeitgeber sich später entschließt, ein neues, verbessertes Freiwilligenprogramm auszurollen (LAG v. 11.3.2025, 7 SLa 512/24).

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war bereits seit 1990 bei dem beklagten internationalen US-amerikanischen Automobilhersteller als Mechatroniker beschäftigt. Der Arbeitgeber setzte über die Jahre immer wieder sogenannte Freiwilligenprogramme zum Abschluss von Aufhebungsverträgen auf. Die Programme waren auf einen gewissen Zeitraum begrenzt und wurden je nach Zielerreichung und Budgetlage ggf. verlängert. Die Freiwilligenprogramme sahen dabei stets eine „doppelte Freiwilligkeit“ vor.

Im März 2019 wurde ein neues Freiwilligenprogramm verkündet. Es enthielt u.a. die Möglichkeit, dass die Beschäftigten vorzeitig ab einem Lebensalter von 55 Jahren aus ihrem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Dafür konnten sie bis zum 63. Lebensjahr 55 % des letzten Bruttomonatsentgelts als Überbrückungszahlung sowie einen Pauschalbetrag von 300 € zur Sozialversicherung im Monat erhalten. Der Arbeitgeber befristete das Programm zunächst bis 31.12.2019 und verlängerte es später zweimal um jeweils ein Jahr, zuletzt also bis zum 31.12.2021.

Im Programmflyer findet sich auszugsweise folgende Formulierung:

„Es gilt Doppelte Freiwilligkeit: Eigeninteresse des Mitarbeiters und Zustimmung durch Arbeitgeber notwendig. Die Abfindungssumme ist nicht individuell verhandelbar. Unterzeichnung des Vertrages in 2020 mit den zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung geltenden Konditionen. Es erfolgt nach Unterzeichnung keine spätere Anpassung der Konditionen. Die Konditionen werden sich im Laufe der Zeit nicht verbessern.“

Im Dezember 2021 schlossen die Parteien unter Anwendung dieses Freiwilligenprogramms einen Aufhebungsvertrag und vereinbarten das Ausscheiden des Klägers zum 31.7.2023 zu den genannten Konditionen.

In der Folgezeit fanden mit dem Betriebsrat Gespräche statt, in denen sich die Betriebsparteien darauf verständigten, dass ein weiterer Personalabbau vorzugswürdig über Freiwilligenprogramme stattfinden solle. Im Rahmen der Verhandlungen wurde deutlich, dass zur Realisierung der Abbauziele, basierend auf den Erfahrungen aus der Vergangenheit, bessere Konditionen der Freiwilligenprogramme erforderlich sein werden.

Daraufhin verkündete der Arbeitgeber die sofortige Beendigung aller Freiwilligenprogramme. Im Anschluss einigten sich die Betriebspartner auf eine Rahmenbetriebsvereinbarung über ein Freiwilligenprogramm mit verbesserten Ausscheidenskonditionen. Insbesondere wurde die Überbrückungszahlung von 55 % auf 65 % angehoben.

Der Kläger hat daraufhin geltend gemacht, dass ihm die besseren Konditionen des neuen Freiwilligenprogramms zustünden. Der Arbeitgeber hätte mit dem neuen Freiwilligenprogramm und den Zusagen aus dem Programmflyer gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen. Er habe daher einen Anspruch auf Anpassung des geschlossenen Aufhebungsvertrages.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Wegfall der Geschäftsgrundlage?

Das LAG hat zunächst klargestellt, dass es nicht Geschäftsgrundlage des abgeschlossenen Aufhebungsvertrages geworden ist, dass sich die Konditionen für Aufhebungsverträge bei dem Arbeitgeber nie mehr verbessern werden. Für eine solche Geschäftsgrundlage finden sich weder in dem abgeschlossenen Aufhebungsvertrag noch in dem Programmflyer Anhaltspunkte. Sinn und Zweck des seinerzeitigen Freiwilligenprogrammes und den Zusagen in dem Programmflyer war es zu verhindern, dass Mitarbeiter nur deshalb mit der Interessenbekundung warten, weil sie auf bessere Konditionen zum Ende der Laufzeit hoffen. Ferner sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die Konditionen des Freiwilligenprogramms über seine gesamte Laufzeit feststehen und nicht individuell verhandelbar sind.

Dass der Arbeitgeber für alle zukünftigen Programme eine Art „Ewigkeitsgarantie“ für eine Deckelung der Programmkonditionen ungeachtet nicht vorhersehbarer wirtschaftlicher und sonstiger Entwicklung abgeben wollte, konnte von einem objektiven Betrachter nach Ansicht des LAG nicht so verstanden werden.

Hinweis für die Praxis:

Das LAG hat ergänzend klargestellt, dass sich ein Anspruch auf Anpassung des Aufhebungsvertrages auch deshalb nicht ergeben kann, weil es dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht unzumutbar ist, am Aufhebungsvertrag in unveränderter Form festzuhalten. Der Arbeitgeber zahlte dem Kläger Gesamtleistungen in Höhe von 110.587,62 € brutto, was das LAG als durchaus üppig dotiert ansah.

II. Keine Pflichtverletzung

Auch die Tatsache, dass der Arbeitgeber weit über ein Jahr nach Abschluss des Aufhebungsvertrages mit anderen Arbeitnehmern aufgrund eines anderen Freiwilligenprogramms besser dotierte Aufhebungsverträge abgeschlossen hat, verletzt keine Pflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Kläger. Jeder Arbeitgeber ist berechtigt, zu einem späteren Zeitpunkt andere Arbeitnehmer besser zu behandeln. Die Konditionen für Aufhebungsverträge können sich über die Jahre ändern. Allein die Tatsache, dass ein Mitarbeiter zu einem späteren Zeitpunkt eine bessere und höhere Abfindung erhält, begründet keinerlei Pflichtverletzungen gegenüber bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern.

Hinweis für die Praxis:

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Freiwilligenprogrammen nicht um verbindliche Angebote handelt. Diese werden vielmehr stets im Wege der doppelten Freiwilligkeit zugesagt. Vor diesem Hintergrund ist es bereits nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber dem Kläger auch zu den neuen und besseren Abfindungsprogrammen ein Angebot gemacht hätte. Auch das wäre aber Grundlage eines Anspruches gewesen.

Fazit:

Freiwilligenprogramme sind ein probates Mittel, um sich von einer Vielzahl von Mitarbeitern ohne Kündigung zu trennen. Gerade das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit führt dann aus Arbeitgebersicht dazu, dass genau ausgewählt werden darf, wem ein Aufhebungsvertrag angeboten wird und wem nicht. Allerdings ist in der Praxis durchaus auf eine Gleichbehandlung und klare Strukturen zu achten. Nur dann werden solche Programme allgemein akzeptiert.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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