11.11.2025 -
Kann eine Übertragung eines Nachlassgrundstücks auf eine personen- und beteiligungsidentische GbR als Teilung des Nachlasses steuerfrei erfolgen? (credit:adobestock)

Wenn eine Erbengemeinschaft Grundstücke auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) überträgt, an der dieselben Personen beteiligt sind, stellt sich regelmäßig die Frage: Muss dafür Grunderwerbsteuer gezahlt werden? Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem am 30.10.2025 veröffentlichten Urteil vom 04.06.2025 (II R 42/21) eine bedeutsame Entscheidung getroffen, die für die Praxis von Steuerberatern, Fachanwälten für Erbrecht und Erbengemeinschaften gleichermaßen relevant ist.

Das Gericht präzisiert, wann eine steuerfreie Übertragung im Rahmen der Nachlassteilung (§ 3 Nr. 3 GrEStG) vorliegt – und unter welchen Bedingungen diese Befreiung nachträglich ganz oder teilweise entfällt, etwa wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an der erwerbenden Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren ändern.

I. Sachverhalt

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), wurde am 10. Juli 2014 von sechs Geschwistern gegründet – darunter A, der Kläger, und fünf seiner Geschwister.

Diese sechs Personen bildeten zugleich die Erbengemeinschaft nach ihrem verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörten drei Grundstücke (Flurstücke 1, 2 und 3) in C.

Mit notariell beurkundetem Teil-Erbauseinandersetzungsvertrag vom selben Tag übertrugen die Miterben die Flurstücke 2 und 3 auf die neu gegründete GbR. In der Urkunde hieß es ausdrücklich, dass die Übertragung zur Teilung des Nachlasses erfolge und der Erwerber keinerlei Gegenleistung schulde.

Zeitgleich erwarb die GbR von einer anderen Gesellschaft ein weiteres Grundstück (Flurstück 4) und übertrug dieses noch am selben Tag auf A. Im Gegenzug wurde A’s Beteiligung an der GbR von ursprünglich 1/6 auf 0,55 % reduziert.

Das Finanzamt setzte für die Übertragung der Flurstücke 2 und 3 Grunderwerbsteuer in Höhe von 3.808 € fest. Es gewährte die Steuerbefreiung nur anteilig (zu 83,85 %), da sich die Beteiligung des A unmittelbar nach dem Grundstücksübergang verringert hatte.

Die Klägerin erhob Einspruch und machte geltend, die Übertragung sei vollständig nach § 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei, weil sie zur Auseinandersetzung des Nachlasses erfolgt sei. Der Einspruch blieb ebenso erfolglos wie die Klage vor dem Finanzgericht Köln (Urteil vom 06.10.2021, 5 K 756/20). Das FG argumentierte, eine „Teilung des Nachlasses“ liege nicht vor, da die Erbengemeinschaft wegen des verbliebenen Grundstücks (Flurstück 1) fortbestanden habe und die Übertragung der übrigen Grundstücke auf die GbR faktisch nur der grunderwerbsteuerfreien Weiterübertragung an A gedient habe.

II. Entscheidung des Bundesfinanzhofs

Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück – allerdings mit einer differenzierten Begründung.

  1. Grundsatz: Teilung des Nachlasses auch bei Übertragung auf personenidentische GbR

Zunächst stellte der BFH klar, dass das FG zu Unrecht davon ausgegangen sei, eine Übertragung einzelner Nachlassgegenstände auf eine personen- und beteiligungsidentische GbR könne keine Teilung des Nachlasses darstellen.

Zitat:

„Das Merkmal ‚zur Teilung des Nachlasses‘ ist erfüllt, obwohl die Erbengemeinschaft […] nicht beendet, sondern im Hinblick auf das Flurstück 1 fortgesetzt wurde. Das Herauslösen nur der Flurstücke 2 und 3 aus dem Nachlass stellt bereits einen Schritt zur Teilung des Nachlasses dar.“

Damit bestätigt der BFH, dass eine Teilauseinandersetzung genügt, um die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG auszulösen. Die Übertragung an eine GbR ist unschädlich, gerade wenn diese personen- und beteiligungsidentisch mit der Erbengemeinschaft ist, da sie ein eigenständiges Rechtssubjekt darstellt.

  • Grenzen der Steuerbefreiung – Beteiligungsminderung innerhalb von fünf Jahren

Trotz dieser Klarstellung versagte der BFH der Klägerin die vollständige Steuerbefreiung. Maßgeblich war § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG i.V.m. § 5 Abs. 3 GrEStG: Wenn sich der Anteil eines Gesellschafters innerhalb von fünf Jahren nach dem Grundstücksübergang verringert, entfällt die Steuervergünstigung anteilig.

Da A seine Beteiligung am selben Tag von 16,66 % auf 0,55 % reduzierte, war die Befreiung nur noch zu 83,85 % zu gewähren.

  • Systematische Herleitung

Der BFH begründet diese Einschränkung mit einer analogen Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG: Eine GbR selbst kann keine Miterbin sein; die Steuerbefreiung kann daher nur im Umfang der Beteiligung ihrer miterbenden Gesellschafter gewährt werden. Sinkt dieser Anteil, entfällt die Befreiung anteilig – genauso wie bei den Sonderregelungen zur Steuerfreiheit bei Übertragungen innerhalb von Personengesellschaften.

  • Keine Bedeutung der Motive der Erben

Für die Beurteilung, ob eine Übertragung „zur Teilung des Nachlasses“ erfolgt, sind die Beweggründe der Erben ohne Bedeutung:

III. Einordnung und Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil führt mehrere Linien der bisherigen BFH-Rechtsprechung zusammen und präzisiert sie:

  • Der BFH bestätigt, dass auch eine teilweise Auseinandersetzung des Nachlasses genügt. Entscheidend ist, dass durch die Übertragung die Gesamthand der Erbengemeinschaft aufgehoben und das Grundstück einem neuen Rechtsträger zugeordnet wird – auch wenn dieser personenidentisch ist. Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG ist somit auch dann denkbar, wenn nur einzelne Nachlassgegenstände übertragen werden.
  • Eine GbR, an der alle Miterben beteiligt sind, ist ein anderes Zuordnungssubjekt als die Erbengemeinschaft. Damit liegt grunderwerbsteuerrechtlich ein Erwerbsvorgang vor, der grundsätzlich nach § 3 Nr. 3 GrEStG befreit sein kann.
  • Die Steuerbefreiung entfällt, soweit sich die Beteiligung eines Miterben an der GbR innerhalb von fünf Jahren reduziert. Diese Frist dient der Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen, etwa wenn Beteiligungen gezielt nach einer steuerfreien Übertragung verändert werden.
  • Der BFH verknüpft § 3 Nr. 3 GrEStG mit den Befreiungsvorschriften des § 5 und § 6 GrEStG. Damit wird deutlich, dass die Steuerfreiheit bei Nachlassteilungen über Personengesellschaften nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang des Grunderwerbsteuerrechts zu verstehen ist.

Fazit:

Die Übertragung eines Nachlassgrundstücks auf eine personen- und beteiligungsidentische GbR kann als Teilung des Nachlasses steuerfrei erfolgen – allerdings nur anteilig und unter Einhaltung einer fünfjährigen Beteiligungsfrist.

Autor: Andreas Jahn

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