
Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist für Immobiliengesellschaften ein zentrales Instrument: Sie garantiert die Gewerbesteuerfreiheit reiner Grundstücksverwaltung – allerdings nur, wenn das Unternehmen „ausschließlich“ eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Streit entsteht regelmäßig, sobald Betriebsvorrichtungen, die bewertungsrechtlich nicht zum Grundbesitz gehören, ins Spiel kommen: Aufzüge, Rolltreppen, Heizanlagen oder Lagereinbauten können die Begünstigung schnell gefährden.
Mit seinem Urteil vom 25.09.2025 – IV R 31/23 hat der BFH nun eine besonders praxisrelevante Konstellation entschieden: Ist die erweiterte Kürzung ausgeschlossen, wenn ein Lastenaufzug – eine typische Betriebsvorrichtung – mitvermietet wird, obwohl er fest mit dem Gebäude verbunden ist?
Die Entscheidung schafft ein wenig mehr Rechtssicherheit in einem sensiblen Abgrenzungsfeld zwischen grundstücksbezogener Vermögensverwaltung und gewerbesteuerpflichtigen Nebentätigkeiten. Der BFH arbeitet heraus, wann die Mitvermietung fest verbundener Betriebsvorrichtungen als zwingend notwendiger Bestandteil einer sinnvoll gestalteten Grundstücksnutzung anzusehen ist – und deshalb unschädlich bleibt.
I. Sachverhalt
Die klagende GmbH & Co. KG besitzt drei Geschäftshausgrundstücke in zentraler Innenstadtlage, geeignet für Warenhäuser. Bis 2005 betrieb sie dort eigene Kaufhäuser, seitdem erfolgt ausschließlich Vermietung. Zwei Objekte sind an die X-KG, ein weiteres an W (Einzelhandel) vermietet.
Im Objekt B-Stadt umfasst der Mietvertrag Verkaufsflächen, Lagerflächen und Sozialräume mit insgesamt ca. 1.235 m². Das Gebäude verfügt über:
- eine Laderampe
- einen Personenaufzug
- einen Lastenaufzug, der bereits 1987 beim Bau installiert wurde; Herstellungskosten: nur rund 19.920 €.
Die Klägerin beantragte für alle Streitjahre 2016–2020 die erweiterte Kürzung.
Das Finanzamt versagte während einer späteren Prüfung die erweiterte Kürzung wegen Mitvermietung einer Betriebsvorrichtung. Es erließ geänderte Gewerbesteuermess- und Verlustfeststellungsbescheide und berücksichtigte nur die einfache Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG. Das FG Düsseldorf (14 K 1037/22 G,F) gab der Klage statt. Es wertete den Lastenaufzug als unschädliches Nebengeschäft, da er für den Betrieb eines mehrstöckigen Kaufhauses zwingend erforderlich sei.
Der BFH hob das Urteil auf die Revision des Finanzamts zwar auf – allerdings nur aus verfahrensrechtlichen Gründen, da das FG den positiven Gewerbeertrag nicht konkret ermittelt hatte. In der Sache hingegen bestätigte der BFH die Rechtsauffassung des FG:
II. Die Entscheidung des BFH
1. Vorbemerkung: Erweiterte Kürzung und Betriebsvorrichtungen
a. Sinn und Zweck der erweiterten Kürzung
Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG wird der Gewerbeertrag für Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, um diesen Teil vollständig gekürzt. Der Zweck besteht darin, die Erträge von lediglich der Rechtsform nach gewerbesteuerpflichtigen Gesellschaften aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer zum Zwecke der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur private Vermögensverwaltung betreiben.
Schon geringfügige nicht begünstigte Tätigkeiten können die Kürzung vollständig ausschließen, da es keine Geringfügigkeitsgrenze außerhalb echter Nebengeschäfte gibt.
b. Betriebsvorrichtungen als Ausschlussgrund
Nach § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG zählen Betriebsvorrichtungen nicht zum Grundvermögen. Die Rechtsprechung ist seit Jahrzehnten konsistent. Deren Mitvermietung schließt die erweiterte Kürzung aus, und zwar auch dann, wenn sie einen nur geringfügigen Umfang annimmt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vorrichtung fest mit dem Gebäude verbunden ist.
Der Lastenaufzug ist eine solche Betriebsvorrichtung, weil er unmittelbar der Ausübung des Gewerbes dient, nämlich dem Warenverkehr zwischen Lager- und Verkaufsflächen.
c. Das entscheidende Abgrenzungsmerkmal: Mitvermietung der fest mit dem Grundstück […] verbundenen Betriebsvorrichtung als begünstigungsunschädliches Nebengeschäft
Ein Nebengeschäft ist unschädlich, wenn es:
- zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung ist (funktionale Notwendigkeit), und
- quantitativ geringfügig bleibt (wirtschaftliche Unbedeutendheit).
Dabei macht der BFH deutlich:
- Die reine feste Verbindung mit dem Gebäude macht eine Betriebsvorrichtung nicht automatisch unschädlich. Sie kann aber ein Indiz sein.
- Besonders hervorgehoben wird die funktionale Ausrichtung des Gebäudes: Gehört die fest mit dem Gebäude verbundene Betriebsvorrichtung zur typischen Infrastruktur eines entsprechenden Objekts, ist die Mitvermietung regelmäßig nicht begünstigungsschädlich.
- Es erfolgt keine Prüfung hypothetischer Alternativnutzungen. Nicht relevant ist, ob der Mietvertrag auch ohne Überlassung hätte abgeschlossen werden können. Die Rechtsprechung verlangt nicht, dass die Mitvermietung alternativlos oder einzig denkbar sein muss.
2. Entscheidungsgründe im Einzelnen
- Der Lastenaufzug war wesentlicher Bestandteil der funktionalen Struktur eines Warenhauses. Ohne Lastenaufzug wäre ein wirtschaftlicher Betrieb eines mehrstöckigen Kaufhauses faktisch ausgeschlossen. Somit gehört der Lastenaufzug zur typischen Infrastruktur eines mehrgeschossigen Kaufhauses.
- Quantitative Geringfügigkeit. Mit Anschaffungs-/Herstellungskosten von rund 20.000 € gegenüber Gesamtgebäudekosten von über 2,6 Mio. € besteht ein klares Missverhältnis, so dass die Grenzen eines unbedeutenden Nebengeschäfts nicht überschritten sind.
Der BFH musste das Urteil – trotz inhaltlicher Richtigkeit – zurückverweisen. Denn das FG hatte den positiven Gewerbeertrag vor Verlustabzug nicht konkret ermittelt.
III. Bedeutung für die Praxis
Das Urteil liefert recht gut handhabbare Kriterien dafür, wann fest verbaute Betriebsvorrichtungen nicht zur Versagung der erweiterten Kürzung führen:
- Die funktionale Ausrichtung des Gebäudes ist entscheidend.
- Bei Warenhäusern sind Lastenaufzüge typischer infrastruktureller Bestandteil.
- Entscheidend bleibt die quantitative Unbedeutendheit.
Für Betreiber von Einkaufszentren, Logistikimmobilien oder bestimmten Sonderimmobilien (z. B. Hotels, Krankenhäuser, Parkhäuser) ist die Entscheidung ein wichtiges Hilfsmittel zur Abgrenzung zwischen Grundvermögen und Betriebsvorrichtung.
Bedeutung für Mietvertragsgestaltung und Due Diligence
Bei gewerblichen Immobilien sollten folgende Aspekte künftig Standard sein:
- Auflistung aller technischen Anlagen und baulichen Installationen im Mietvertrag.
- Prüfung, ob diese als Betriebsvorrichtungen oder Gebäudebestandteile zu qualifizieren sind.
- Bewertung ihrer funktionalen Notwendigkeit für die typische Nutzung.
- Ggf. gesonderte mietvertragliche Ausweisung oder Zuordnung, um spätere Streitpunkte zu vermeiden.
Fazit
Die Mitvermietung fest mit dem Gebäude verbundener Betriebsvorrichtungen führt nicht automatisch zum Verlust der erweiterten Kürzung. Entscheidend ist die funktionale Notwendigkeit für die wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Immobilie sowie die quantitative Unbedeutendheit.
Für Warenhäuser – und andere Nutzungsarten mit vergleichbaren technischen Anforderungen – gehört ein Lastenaufzug regelmäßig zur zwingenden Grundausstattung.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
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