BVerwG v. 07.03.2024 – 2 C 12.23

Der Fall
Ein Bundesbeamter wurde als Lehrbeauftragter an eine Hochschule und damit an das Land Baden-Württemberg abgeordnet. Anfang April 2020 kam bei der Leitung der Hochschule der Verdacht auf, dass der Beamte im Unterricht gegenüber einzelnen Studiengruppen konkrete Angaben zu den Fragen der anstehenden Prüfungen gemacht habe. Daraufhin leitete der Präsident der Hochschule ein Disziplinarverfahren nach dem Landesdisziplinargesetz ein. Zuvor hatte der bisherige Dienstvorgesetzte beim Bund es abgelehnt, das Verfahren an sich zu ziehen. Der Präsident der Hochschule übersandte dem Beamten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen und legte ihm schließlich auf Grundlage des Landesdisziplinargesetztes Baden-Württemberg eine Geldbuße in Höhe von 3.000 € auf. Zuvor hatte der Präsident der Hochschule hierfür das Einverständnis des bisherigen Dienstvorgesetzten beim Bund eingeholt. Der Beamte klagte gegen die Disziplinarverfügung.
Die Entscheidung
Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Disziplinarverfügung, so wie zuvor schon das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof, für rechtswidrig. Der Kläger unterfalle als Bundesbeamter trotz seiner Abordnung zum Land Baden-Württemberg disziplinarrechtlich nur dem Bundesdisziplinargesetz. Die auf Grundlage des Landesdisziplinargesetzes ergangene Disziplinarverfügung der Hochschule sei schon deshalb rechtswidrig.
Die Abordnung zu einem Land gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) sei eine vorübergehende Maßnahme, die das zum Bund bestehende Dienst- und Treueverhältnis unberührt lasse. § 77 Abs. 3 BBG bestimme ausdrücklich, dass sich die Verfolgung von Dienstvergehen nach dem Bundesdisziplinargesetz (BDG) richte. Das BDG gelte in persönlicher Hinsicht für Bundesbeamte und in sachlicher Hinsicht für die während des Beamtenverhältnisses begangenen Dienstvergehen. Nach § 30 Nr. 3 BBG endet das Beamtenverhältnis, wenn eine „Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach dem Bundesdisziplinargesetz“ erfolgt. Daraus lasse sich ableiten, dass Bundesbeamte wegen eines Dienstvergehens eben nur nach Maßgabe des Bundesdisziplinargesetzes aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden könnten. Aber nicht nach Maßgabe eines Landesdisziplinargesetzes, so das BVerwG.
Für Bundesbeamte gilt Bundesdisziplinargesetz
Zwar seien gemäß § 27 Abs. 5 BBG im Falle der Abordnung die für den Bereich des aufnehmenden Dienstherrn geltenden Vorschriften über die Pflichten und Rechte der Beamtinnen und Beamten entsprechend anzuwenden. Dies beziehe sich aber nur auf die mit dem konkret wahrzunehmenden Dienstposten im Zusammenhang stehenden Entscheidungen; so das BVerwG, etwa auf die Gewährung von Urlaub. Die den rechtlichen Status des Beamten betreffende Befugnisse (etwa Beförderung, Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, Versetzung in den Ruhestand) verblieben demgegenüber beim abgebenden Dienstherrn.
Im Übrigen, so das BVerwG, wäre es auch mit den Grundprinzipien des Dienst- und Treueverhältnisses unvereinbar, wenn der aufnehmende Dienstherr (hier das Land Baden-Württemberg) die Disziplinarbefugnis für Bundesbeamte ausüben dürfe. Dann sei dieser nämlich in letzter Konsequenz bei schwerwiegenden Dienstvergehen dazu befugt, den Bundesbeamten zurückzustufen oder gar das zum Bund bestehende und auf Lebenszeit begründete Dienst- und Treueverhältnis zu beenden. Die Abordnung sei aber lediglich vorübergehend. Es bestehe kein Anlass, dem aufnehmenden Dienstherrn die Befugnis zu Disziplinarmaßnahmen gegen den abgeordneten Bundesbeamten einzuräumen, die zeitlich weit über die Dauer der Abordnung hinauswirken können. Der aufnehmende Dienstherr sei auch nicht besonders schutzwürdig. Dieser könne die Abordnung einseitig beenden. Ein Disziplinarverfahren gegen den Bundesbeamten einzuleiten, sei aber Sache des Bundes.
Dass der bisherige Dienstvorgesetzte des Bundesbeamten sein Einverständnis gegeben habe, ändere an der Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung nichts. Ein Bundesbeamter habe Anspruch darauf, dass gegen ihn wegen des Verdachts eines Dienstvergehens nur nach Maßgabe des Bundesdisziplinargesetzes ermittelt und seine Dienstpflichtverletzung allein nach diesem Gesetz geahndet werde, so das BVerwG. Schließlich gebe es auch Unterschiede zwischen Bundes- und Landesrecht.
Fazit
Nach dem Wortlaut von § 17 Abs. 4 S. 2 BDG geht bei einer Abordnung die Disziplinarbefugnis zwar grundsätzlich auf den neuen Dienstvorgesetzten über, soweit dieser nicht ihre Ausübung den anderen Dienstvorgesetzten überlässt oder soweit nichts anderes bestimmt ist. Das BVerwG hat aber klargestellt, dass insoweit Vorsicht angebracht ist: Wenn ein Bundesbeamter zu einem Land abgeordnet wird, übernimmt der Dienstvorgesetzte beim aufnehmenden Land nicht die Disziplinarbefugnis.
Zuständig wäre der bisherige Dienstvorgesetzte beim Bund gewesen, auch wenn dieser an der konkreten Thematik „weniger nah dran war“. Wie es sich bei Abordnungen von einem Bundesland zu einem anderen verhält, ist dann anhand des jeweils beim „abgebenden“ Bundesland einschlägigen Disziplinarrechts zu ermitteln. Zumindest einige Wertungen des BVerwG werden übertragbar sein.
Wenn „der falsche Dienstherr“ das Disziplinarverfahren einleitet, kann dies erhebliche Konsequenzen haben. Einer Ahndung des Dienstvergehens durch den „richtigen Dienstherrn“ steht gegebenenfalls das Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs entgegen (vgl. § 15 BDG).
Autor: Dr. Christopher Rinckhoff
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