23.02.2022 -


Ist bei einem Personalleiter die Vorlage einer Vollmacht im Zusammenhang mit dem Ausspruch/der Unterzeichnung einer Kündigung erforderlich? (credit:adobestock)

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einem aufschlussreichen Urteil mit zwei wichtigen Fragestellungen zum Kündigungsrecht befasst. Einmal ging es um die Frage, ob eine bestimmte sexuelle Belästigung als fristloser Kündigungsgrund anzusehen ist und zum anderen wurde geprüft, ob bei einem Personalleiter die Vorlage einer Vollmacht im Zusammenhang mit dem Ausspruch und der Unterzeichnung einer Kündigung erforderlich ist (BAG v. 20.5.2021, 2 AZR 596/20). Wir möchten die Kernaussagen für die Praxis hier besprechen.

Der Fall:

Der beklagte Arbeitgeber produziert Automobile. Der klagende Arbeitnehmer war bereits seit 2014, zuletzt in der Fertigung, beschäftigt.

In der Nachtschicht vom 1./2. Mai 2019 näherte sich der Kläger einem Leiharbeitnehmer und zog diesem unvermittelt mit beiden Händen die Arbeits- und die Unterhose herunter. Der Leiharbeitnehmer beschwerte sich darüber bei seiner Arbeitgeberin und blieb in der Folgenachtschicht der Arbeit fern.

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos mit Schreiben vom 21. Mai 2019. Vorsorglich wurden später noch zwei weitere fristlose Kündigungen nachgeschoben. Die Kündigungsschreiben waren vom Personalleiter des Arbeitgebers mit dem Zusatz „Leiter Personal“ und einer weiteren Mitarbeiterin unterzeichnet. Die Beifügung von zwei Unterschriften auf Kündigungsschreiben beruht bei dem Arbeitgeber auf einer bei ihm bestehenden Unterschriftenliste.

Der Kläger ließ das Kündigungsschreiben durch seinen Prozessbevollmächtigten wegen des Fehlens einer Originalvollmachtsurkunde mit Schreiben vom 23. Mai 2019 durch Einschreiben zurückweisen. Ebenso wurden die weiteren fristlosen Kündigungen zurückgewiesen.

Mit seiner Klage macht er die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Es liege bereits kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Im Übrigen sei die Kündigung wegen der erfolgten Zurückweisung nach § 174 BGB unwirksam.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Fall zur neuen Verhandlung an das Landesarbeitsgericht verwiesen.

I. Zurückweisung mangels Vollmacht

Eine Kündigung kann mangels Vollmacht nach § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen werden. Der Anwendungsfall dieser Vorschrift beschränkt sich auf solche Kündigungen, in denen nicht das Vertretungsorgan des Arbeitgebers persönlich unterzeichnet, sondern eine andere, bevollmächtigte Person mit der Unterzeichnung der Kündigung beauftragt wird. Unterzeichnet z.B. ein Personalreferent, bedarf es dann einer entsprechenden Originalvollmacht, die der Kündigung dann auch im Original beigelegt werden muss. Wird eine solche Vollmacht nicht beigefügt, kann der Gekündigte die Kündigung nach § 174 S. 1 BGB zurückweisen. Die Rechtsfolge ist bei einer wirksamen Zurückweisung die Unwirksamkeit der Kündigung.

Die Zurückweisung muss allerdings „unverzüglich“ erfolgen. Die Rechtsprechung legt hier eine Zeitspanne von einer Woche zugrunde. Das BAG hat dies nochmals bestätigt. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung ist daher ohne Vorliegen besonderer Umstände nach mehr als einer Woche nicht mehr unverzüglich.

Hinweis für die Praxis:

Die Frist beginnt mit der tatsächlichen Kenntnis des Empfängers von der Kündigung und der fehlenden Vorlage einer Vollmachtsurkunde. Zu achten ist aber auch darauf, dass die Zurückweisung dem Kündigenden innerhalb einer Woche tatsächlich zugeht. Das muss der Zurückweisende beweisen. Bei der Zurückweisung über ein Einschreiben muss daher genau geprüft werden, wann das Einschreiben mit der Zurückweisung dem Arbeitgeber zugegangen ist. Das war hier nicht geklärt, so dass das BAG die Entscheidung schon aus diesem Grunde aufgehoben hat.

II. Wer darf zurückweisen?

Das Zurückweisungsrecht ist nach der speziellen Regelung des § 174 S. 2 BGB dann ausgeschlossen, wenn der Gekündigte bereits Kenntnis von der Vollmacht hat. Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Arbeitnehmer, der über die Person des Personalleiters hinreichend in Kenntnis gesetzt ist, aus dieser Stellung folgern muss, dass der Personalleiter im Verhältnis zur Belegschaft eine alleinige Vertretungsmacht zum Ausspruch von Kündigungen inne hat. Sollte dies anders sein, müsste das der Arbeitnehmer beweisen.

Im vorliegenden Fall hatte der Unterzeichner mit dem Zusatz „Leiter Personal“ die Kündigung unterschrieben. Diese Voraussetzung wäre damit erfüllt.

Allerdings hatte auch eine weitere Mitarbeiterin mitunterzeichnet. Das BAG hat erneut darauf hingewiesen, dass die Mitunterzeichnung an der alleinigen Vertretungsmacht eines Personalleiters nichts ändert. Eine solche Mitunterzeichnung kann im Innenverhältnis durch eine vorhandene Unterschriftenliste erforderlich sein oder auch etwa zur Wahrung eines 4-Augen-Prinzips.

Hinweis für die Praxis:

Unterzeichnet ein Personalleiter ist also regelmäßig davon auszugehen, dass dieser das Kündigungsrecht inne hat. Dies hängt aber stets von den tatsächlichen Gegebenheiten des Betriebs ab. War der Personalleiter schon in der Vergangenheit nicht zur Kündigung berechtigt, kann er sich auf diesen Status auch für die Zukunft nicht berufen.

III. Sexuelle Belästigung als Kündigungsgrund!

Neben der Frage der Zurückweisung war hier auch zu klären, ob das Verhalten des Arbeitnehmers einen fristlosen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB dargestellt hat. Das BAG hat dieses grundsätzlich bejaht. Das Verhalten des Klägers ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund zu bilden. Es handelt sich um eine erhebliche Verletzung. So hat der Kläger einem Leiharbeitnehmer nicht nur die Arbeitshose, sondern auch die Unterhose heruntergezogen, so dass dieser für mehrere Sekunden im Genitalbereich entblößt gestanden hat. Er war dadurch den Blicken von mehreren Arbeitskollegen und sogar deren Gelächter ausgesetzt.

Damit lag eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG vor. Solche sexuellen Belästigungen sind als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung anerkannt. Auch eine einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweise kann den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen.

Das BAG hat sich dazu aber nicht abschließend festgelegt. Der Sachverhalt war durch das LAG noch nicht aufgeklärt. So gab es noch Bedarf an näherer Sachverhaltsaufklärung zu den Umständen des Vorfalls. Auch die Frage, ob der Leiharbeitnehmer seinerseits dem Kläger schon früher die Hose heruntergezogen hatte, könnte für eine Beurteilung wichtig sein.

Fazit:

Die Zurückweisung einer Kündigung kann für die Wirksamkeit einer Kündigung eine besondere Rolle spielen. Selbst wenn der Kündigungsgrund klar vorliegt, kann die Kündigung formal daran scheitern, dass die falsche Person unterzeichnet hat bzw. keine Vollmacht beigelegt war. Arbeitgeber sollten daher bei der Kündigung zwingend darauf achten, dass immer der Arbeitgeber in Person, also der Geschäftsführer oder der Vorstand, im Original unterzeichnet. Ist nach dem Gesellschaftsvertrag nur eine Gesamtvertretung zulässig, müssen alle gesamtvertretungsberechtigten Personen im Original unterzeichnen. Wird hingegen die Kündigungsbefugnis auf nachgeordnete Mitarbeiter verlagert, müssen diese mit einer Vollmacht ausgestattet werden. Fehler können hier zu empfindlichen Rechtsnachteilen führen.

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