27.10.2021 -


Kündigung auf Grund von häuslicher Quarantäne? (credit: adobestock)

Gegenüber vielen Arbeitnehmern wird eine häusliche Quarantäne angeordnet, weil sie Kontaktpersonen sind. Das Gesundheitsamt erlässt dann eine entsprechende Verfügung, in der Regel für zwei Wochen. In vielen Fällen werden die Quarantäneanordnungen zunächst nur telefonisch mitgeteilt. Die schriftliche Bestätigung erfolgt dann häufig erst nach Ende der Quarantäne. Der Mitarbeiter kann also dann seinem Arbeitgeber zunächst keinen Nachweis vorlegen. Das Arbeitsgericht Köln hat nun entschieden, dass eine Kündigung in einem solchen Fall wegen Arbeitsverweigerung unzulässig ist. Dies an sich ist zunächst selbstverständlich. Das Gericht hat aber eine solche Kündigung sogar außerhalb der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, also im Kleinbetrieb, wegen Sittenwidrigkeit für unzulässig erachtet (ArbG Köln v. 15.4.2021, 8 Ca 7334/20).

Der Fall:

Der beklagte Arbeitgeber betreibt einen Dackdeckerbetrieb. Es handelt sich um einen Kleinbetrieb mit nicht mehr als zehn beschäftigten Arbeitnehmern. Ein Betriebsrat besteht nicht.

Zum 2. Juni 2020 wurde der gekündigte Arbeitnehmer als Monteur eingestellt.

Der Arbeitnehmer wohnt im Stadtgebiet der Stadt A. in einem Mehrfamilienhaus. In der zweiten Monatshälfte des Monats Oktober 2020 meldete sich das Gesundheitsamt der Stadt A. telefonisch beim Kläger und ordnete gegenüber diesem telefonisch eine häusliche Quarantäne aufgrund des Maßnahmenkataloges zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie an. Hintergrund war, dass der Bruder der Freundin des Klägers positiv auf das SARS-COV-2-Virus („Corona-Virus“) getestet worden war und der Arbeitnehmer dem Gesundheitsamt der Stadt A. insofern dann als Kontaktperson mitgeteilt worden war.

Der Kläger teilte dem Arbeitgeber die behördlich angeordnete Quarantäne mit und dass er aufgrund dieser vorerst nicht zur Arbeitsleistung erscheinen könne. Der Arbeitgeber bezweifelte die behördliche Quarantäneanordnung und verlangte hierüber einen schriftlichen Nachweis. Einen solchen schriftlichen Nachweis konnte der Arbeitnehmer aber seinem Arbeitgeber nicht vorlegen, da er selbst einen solchen noch nicht von der Stadt A. erhalten hatte. Auch auf telefonische Nachfrage des Arbeitnehmers beim Gesundheitsamt wurde ihm eine solche Quarantäneanordnung zwar in Aussicht gestellt, aber noch nicht erteilt.

Zwischen den Parteien kam es dann zu einer umfangreichen Korrespondenz über den Kurznachrichtendienst „Whatsapp“. Der Arbeitgeber stellte immer wieder die Kündigung in Aussicht und bezeichnete den Arbeitnehmer u.a. als „Abzocker“ und „Krankmacher“. Er übte massiven Druck auf den Arbeitnehmer aus und forderte ihn mehrfach auf, zur Vermeidung einer Kündigung zur Arbeit zu erscheinen.

Der Arbeitgeber kündigte dann das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. Oktober 2020. Der Arbeitnehmer nahm das Kündigungsschreiben erst am 2. November 2020 zur Kenntnis, da er nach eigenen Angaben dann erstmals wieder zu seinem Briefkasten nach Beendigung der Quarantäne gehen konnte.

Das Schreiben des Gesundheitsamtes erhielt der Kläger erst nach Ausspruch der Kündigung. Das Schreiben war auf den 30. Oktober datiert und enthielt die schriftliche Ordnungsverfügung über die Anordnung der Quarantäne bis einschließlich 31. Oktober 2020 (14 Tage).

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Der Arbeitgeber berief sich auf die Kleinbetriebsklausel. Er sei auch unzufrieden mit dem Kläger und seiner Arbeitsleistung gewesen. Im Kleinbetrieb bedürfe es keiner Begründung der Kündigung.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für unwirksam erklärt.

I. Kein Kündigungsschutz

Der Kündigungsschutz war hier in doppelter Hinsicht nicht gegeben. Zunächst befand sich der Kläger noch in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Innerhalb der ersten sechs Monate des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses besteht, unabhängig von der Größe des Betriebes, kein Kündigungsschutz. Darüber hinaus beschäftigte der Arbeitgeber aber auch unstreitig weniger als zehn Arbeitnehmer i.S.d. § 23 KSchG. Es handelte sich daher um einen Kleinbetrieb.

In einem Kleinbetrieb bzw. in der Wartezeit muss eine Kündigung nicht begründet werden und bedarf auch keines Kündigungsgrundes. Vielmehr kann der Arbeitgeber frei kündigen, auch aus rein subjektiven Erwägungen.

II. Ausnahme: Sitten- und Treuwidrigkeit einer Kündigung

Aus der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes folgt jedoch nicht die grenzenlose Zulässigkeit von Kündigungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und auch des Bundesverfassungsgerichts ist auch bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes der Arbeitnehmer vor willkürlichen Kündigungen geschützt. Als Ausfluss der zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138 BGB (Sittenwidrigkeit) sowie 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) hat ein Arbeitgeber ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu beachten. Willkürliche Kündigungen, die auf sachfremden Motiven beruhen, verstoßen gegen das allgemeine Anstandsgefühl und sind immer unzulässig, auch innerhalb der Wartezeit bzw. in einem Kleinbetrieb.

III. Kündigung und Quarantäne?

Die Anordnung der Quarantäne an sich schützte den Arbeitnehmer noch nicht vor einer zulässigen Kündigung. Auch während einer Quarantäne darf der Arbeitgeber im Kleinbetrieb jederzeit kündigen. Die Quarantäne führt nicht zu einem „Sonderkündigungsschutz“.

Aber: Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber wegen des verzögerten Eingangs der schriftlichen behördlichen Bestätigung die Quarantäne bezweifelt und den Arbeitnehmer einer Drucksituation ausgesetzt. Er sollte nämlich entweder gegen die behördliche Quarantäne verstoßen und seine Arbeit wiederaufnehmen oder aber die Kündigung erwarten. Der Verstoß gegen eine behördliche Quarantäneanordnung ist strafbewehrt. Insofern bestand also für den Kläger die Situation, entweder die häusliche Quarantäne zu befolgen oder aber bei Nichtbeachtung sich einer Strafe auszusetzen. Die Tatsache, dass die schriftliche Anordnung ihn erst mit Verzögerung erreichte, war nicht seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen, sondern allein der pandemiebedingten Überlastungssituation der Gesundheitsämter im Oktober 2020 geschuldet.

Hinweis für die Praxis:

Die Situation einer Quarantäne ist für beide Seiten unbefriedigend. Die Behörde erteilt fernmündlich eine Quarantäneanordnung. Der Arbeitnehmer ist dann verpflichtet, der Anordnung Folge zu leisten. Gleichzeitig kann er dann ab sofort seine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen. Umgekehrt hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an einem Nachweis. In einer solchen Situation sind beide Seiten gehalten, vernünftig und ruhig zu reagieren. Der Arbeitgeber ist auch nicht ungeschützt. Er hat zwar für einen gewissen Zeitraum bei Zweifeln eine ungewisse Situation hinzunehmen. Kann aber der Arbeitnehmer dauerhaft eine Quarantäneanordnung nicht nachweisen, verliert er seinen Lohnanspruch. Er kann auch abgemahnt werden. Ggf. verbleibt sogar auch nachträglich noch das Recht zur Kündigung. Wir können der Praxis nur empfehlen, besonnen und angemessen zu reagieren, um unnötige Rechtsstreite und damit verbundene Kosten zu vermeiden

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  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
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