23.09.2020 -

Im Rahmen der aktiven Betriebsratsarbeit kommt es immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Betriebsratsmitgliedern und Vertretern des Arbeitgebers. Eine Pflicht zur Einigkeit besteht selbstverständlich nicht. Allerdings muss die Auseinandersetzung sachlich geführt werden. Kommt es zu Beleidigungen oder sonstigen „Entgleisungen“ kann dies zu arbeitsrechtlichen Sanktionen führen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich nun mit einem speziellen Fall einer fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen respektlosen Verhaltens zu befassen (LAG Berlin-Brandenburg v. 17.12.2019, 7 TaBV 1479/19). Wir möchten die Entscheidung zum Anlass nehmen, auf die wichtigen Grundsätze der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds hinzuweisen und die hohen Anforderungen darzustellen.


Betriebsräte genießen einen besonders hohen Kündigungsschutz (Copyright: RioPatuca Images/adobe.stock).

Der Fall

Der Arbeitgeber betreibt einen metallverarbeitenden Betrieb mit ca. 60 Mitarbeitern. Es besteht ein Betriebsrat.

Ein Mitglied des Betriebsrates wurde bereits im November 2017 wegen „respektlosen Verhaltens gegenüber Vorgesetzten“ abgemahnt. Die Abmahnung stützte sich auch auf einen „Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht“.

Im November 2018 kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen dem Betriebsratsmitglied und diesmal dem Leiter der Instandhaltungsabteilung, Herrn Sergej H. Die Auseinandersetzung ging über den Umgang mit einer Mitarbeiterin, die sich geradezu geweigert hatte, eine Maschine zu starten, um Mitarbeiter einer externen Reinigungsfirma nicht zu gefährden. Der Arbeitgeber wirft dem Betriebsratsmitglied in diesem Zusammenhang vor, er sei gegenüber seinem Vorgesetzten respektlos, in einer dessen Vorgesetztenstellung untergrabenden und beleidigenden Art und Weise aufgetreten und habe kurz nach dieser Auseinandersetzung vorsätzlich einen schweren Ziehsteinhalter fallen lassen.

So habe Herr H. die Mitarbeiterin angewiesen, die Maschine weiter zu fahren bzw. wieder zu starten und habe auch erklärt, er werde mit den Mitarbeitern der externen Firma sprechen. Das Betriebsratsmitglied habe dann im Beisein anderer Mitarbeiter Herrn H. in einem aufbrausenden, lauten, respektlosen und unverschämten Ton mit folgenden Worten beschimpft:

„Sergej, es geht gar nicht, dass Du mit Frau Katrin G. so redest bzw. umgehst und dass Dir die Sicherheit der Mitarbeiter intern und extern als Sicherheitsverantwortlicher der Firma scheißegal ist. Ich stelle Deine Fachkompetenz gegenüber den Kollegen hiermit in Frage und werde mich darüber beschweren.“

Dabei habe das Betriebsratsmitglied Herrn H. ins Gesicht gelacht.

Nur fünf Minuten nach diesem Vorfall habe Herr H. einen lauten Krach vernommen und festgestellt, dass das Betriebsratsmitglied einen großen Ziehsteinhalter (Gewicht ca. 50 kg) lautstark und aggressiv habe fallen lassen. Mutmaßlich habe das Betriebsratsmitglied den Ziehstein absichtlich fallen lassen, was einen Riesenlärm verursacht habe und aufgrund des Gewichtes den Boden hätte zerkratzen können. Er habe daraufhin das Betriebsratsmitglied zur Rede gestellt und ihn gefragt:

„Frank, was machst Du da? Wie gehst Du mit dem Eigentum der Firma um? Das geht gar nicht!“

Das Betriebsratsmitglied habe ihm dann grinsend bzw. lachend geantwortet, der Ziehstein sei ihm aus der Hand gerutscht.

Der Arbeitgeber ist der Auffassung, diese Entgleisungen stellten eine grobe Pflichtverletzung dar, die einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung rechtfertigten.

Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 103 BetrVG hat der Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung verweigert. Im Zustimmungsersetzungsverfahren hat dann das Arbeitsgericht die Zustimmung nicht ersetzt.

Die Entscheidung

Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichtes vollumfänglich bestätigt.

I. Spezielles Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG

Betriebsräte genießen bekanntlich Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG. Eine Kündigung ist nur aus wichtigem Grund möglich. Zudem muss der Betriebsrat nicht nur nach § 102 BetrVG angehört werden, sondern muss ausdrücklich seine Zustimmung zur Kündigung nach § 103 BetrVG erteilen. Wird die Zustimmung nicht erteilt, muss der Arbeitgeber unter genauer Beachtung der speziellen Fristen ein Zustimmungsersetzungsantrag beim Arbeitsgericht einreichen.

Hinweis für die Praxis:

Das Verfahren nach § 103 BetrVG ist besonders fehleranfällig. Liegen Gründe für eine fristlose Kündigung vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die engen Fristen genau zu beachten. Jeder Fehler kann hier zu Rechtsnachteilen führen. Insoweit verweisen wir für eine weitere Vertiefung der Thematik auf die Spezialliteratur (Vgl. zum Ganzen ausführlich: Nicolai Besgen, Besonderheiten des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 BetrVG, NZA 2011, 133 – 137).

II. Verletzung von Nebenpflichten als Kündigungsgrund?

Als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils. Eine in diesem Sinne erhebliche Pflichtverletzung stellen u.a. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar.

Gemessen an diesen Grundsätzen reichten im vorliegenden Fall die Verstöße des Betriebsratsmitglieds aber erkennbar nicht aus. Es ist zwar richtig, dass Mitarbeiter ihre Vorgesetzten nicht durch respektlosen Umgang lächerlich machen dürfen. Denn dann entsteht nicht mehr die sachliche Kritik im Vordergrund, sondern die Herabwürdigung der Person.

Im vorliegenden Fall enthielten die Vorwürfe des Arbeitgebers aber zahlreiche Wertungen, die ihrerseits nicht mit Tatsachen unterlegt wurden. Die Pflichtverletzungen waren auch nicht so schwerwiegend, dass es dem Arbeitgeber unzumutbar wäre, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Zu berücksichtigen ist auch, dass es im Vorfeld des Gespräches um eine Auseinandersetzung über Sicherheitsaspekte ging. Hierüber hatten die Beteiligten unterschiedliche Positionen vertreten. Solche Auseinandersetzungen sind für sich genommen nicht unzulässig. Die Äußerungen enthielten auch keine Beleidigungen und hielten sich noch im Rahmen betrieblicher Auseinandersetzungen. Der von dem Arbeitgeber geschilderte Streit erreicht auch nicht ein Ausmaß, dass eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machte.

Fazit

Betriebsräte genießen einen besonders hohen Kündigungsschutz. Die ordentliche Kündigung ist, abgesehen von einer Betriebsschließung, nicht möglich. Nur bei schwerwiegenden Verfehlungen kommt eine fristlose Kündigung in Betracht. Zwar kann – theoretisch – der respektlose Umgang mit Vorgesetzten eine solche fristlose Kündigung im Einzelfall rechtfertigen. Letztlich werden aber die hohen Anforderungen regelmäßig nicht erfüllt sein. Sinnvoller erscheint es in diesen Fällen, die Mitarbeiter zunächst abzumahnen oder aber ein Gespräch mit dem gesamten Betriebsratsgremium über die Art und Weise der betrieblichen Kommunikation zu führen.

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