24.03.2020

Um die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie abzufedern, hat der Bundestag heute (25. März 2020) ein umfangreiches Rettungspaket mit zahlreichen Rechtsänderungen beschlossen. Die notwendige Zustimmung des Bundesrats soll am Freitag erfolgen.

Theoretisch sind also im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen und Anpassungen möglich. Wir werden das Verfahren genau beobachten und über das Inkrafttreten der Maßnahmen detailliert berichten.


Die Bundes­re­gierung hat ein umfang­reiches Rettungs­paket in dreistelliger Milliardenhöhe und mit zahlreichen Rechts­än­de­rungen beschlossen. (Copyright: polack/adobe.stock)

1. Zivilrechtliche Maßnahmen

Im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) werden zeitlich befristet besondere Regelungen eingeführt, welche Verbrauchern und Kleinstunternehmen, die wegen der Covid-19-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, die Möglichkeit einräumen, die Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass hieran für sie nachteilige rechtliche Folgen geknüpft werden.

Dazu wird in Artikel 240 § 1 EGBGB ein Leistungsverweigerungsrecht für Schuldner begründet, die Ansprüche im Zusammenhang mit Verträgen, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden, derzeit wegen der Folgen der Covid-19-Pandemie nicht erfüllen können. Das Leistungsverweigerungsrecht ist zunächst bis zum 30.Juni 2020 befristet und betrifft nur „wesentliche Dauerschuldverhältnisse“.

  • Für Verbraucher definiert das Gesetz ein Dauerschuldverhältnis als wesentlich, wenn es sich um Vertragsbeziehungen handelt, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind (z.B. Strom, Gas, Telekommunikation, Pflichtversicherungen etc.)
  • Kleinstunternehmen (= weniger als 10 Beschäftigte und Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz bis max. 2 Mio. Euro) haben das Recht, Leistungen im Rahmen von wesentlichen Dauerschuldverhältnissen zu verweigern, wenn das Unternehmen die Leistungen nicht erbringen kann oder die Erbringung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre. Als wesentlich gilt das Dauerschuldverhältnis dann, wenn es zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich ist, zunächst bis zum 30. Juni 2020.

Für Miet- und Pachtverhältnisse über Grundstücke oder Räume (sowohl Wohn- als auch Gewerbeflächen) wird das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Dies muss der Mieter glaubhaft machen. Hierzu kann sich der Mieter entsprechender Nachweise, einer Versicherung an Eides statt oder sonst geeigneter Mittel bedienen. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt allerdings im Grundsatz bestehen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.

Darlehen
Für vor dem 15. März 2020 geschlossene Verbraucherdarlehensverträge gem. § 491 BGB wird in Art. 240 § 3 Abs. 3 EGBGB eine Stundungsregelung für zwischen dem 01. April und 30. Juni 2020 fällig werdende Zahlungen für die Dauer von drei Monaten und eine Vertragsanpassung nach Ablauf der Stundungsfrist eingeführt mit der Möglichkeit, für die Vertragsparteien, eine abweichende Vertragslösung zu finden.

Voraussetzung der Stundung ist zunächst, dass der Darlehensnehmer aufgrund der durch das Auftreten des SARS-CoV-2-Virus hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat. Dieshat der Darlehensnehmer ggf. darzulegen und zu beweisen. Weiter müssen die Einnahmeausfälle dazu führen, dass der Darlehensnehmer die geschuldete Leistung ohne Gefährdung seines oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner Unterhaltsberechtigten nicht zumutbar erbringen kann. Die Schwelle der relevanten Einnahmeminderung ist somit nicht pauschal festgelegt, sondern vom indivi-duellen Einzelfall abhängig. Der Darlehensnehmer hat die insoweit erforderlichen Nachweise zu erbringen.

Flankiert wird dies mit einer Kündigungsschutzregelung in Art. 240 § 3 Abs. 3 EGBGB und einer Regelung der Vertragsanpassung nach Ablauf der Stundungsfrist. Damit soll Verbrauchern, aber auch Gewerbetreibenden eine Schutzfrist eingeräumt werden, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, ihre Einnahmeausfälle zu kompensieren und das Darlehen wieder bedienen zu können. Damit soll auch die notwendige Zeit verschafft werden, um Hilfsprogramme im Rahmen von Covid-19 in Anspruch nehmen zu können.

Gleichzeitig wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Anwendungsbereich dieser Regelungen zu erweitern und insbesondere Kleinstunternehmen (s.o.) in den Anwendungsbereich einzubeziehen.

Das Gesetz sieht vor, dass die zivilrechtlichen Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen auch bis 30. September 2020 ausgedehnt werden können.

2. Insolvenzrechtliche Maßnahmen

Die Insolvenzantragspflicht und die gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbote bei eingetretener Insolvenzreife werden bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, es sei denn die Insolvenz beruht nicht auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie oder es besteht keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Das Gesetz schafft außerdem Möglichkeiten, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten, ohne in einem später doch noch durchzuführenden Insolvenzverfahren deswegen Nachteile zu erleiden.

Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird auch das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen, wenn der Eröffnungsgrund nicht schon am 01. März 2020 vorlag.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sowie die Regelung zum Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen soll im Verordnungswege bis zum 31. März 2021 verlängert werden können.

3. Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen

Um die betroffenen Rechtsformen in die Lage zu versetzen, auch bei weiterhin bestehenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten erforderliche Beschlüsse zu fassen und handlungsfähig zu bleiben, werden vorübergehend substantielle Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen der Aktiengesellschaft (AG), Kommanditge-sellschaft auf Aktien (KGaA), Europäische Gesellschaft (SE), General- und Vertreterversammlungen der Genossenschaft und Mitgliederversammlungen von Vereinen geschaffen. Erleichterungen für die Beschlussfassung in der GmbH sollen an anderer Stelle im Rahmen weiterer gesetzgeberischer Maßnahmen zur Wirtschaftsstabilisierung ermöglicht werden.

Wesentliche Aspekte der vorübergehenden Erleichterungen für die AG, KGaA und SE sind dabei die Möglichkeit, dass der Vorstand der Gesellschaft auch ohne Satzungsermächtigung eine Online-Teilnahme an der Hauptversammlung ermöglichen kann, die Möglichkeit einer präsenzlosen Hauptversammlung mit eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeiten, die Möglichkeit der Verkürzung der Einberufungsfrist auf 21 Tage sowie die Ermächtigung für den Vorstand, auch ohne Satzungsregelung Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn vorzunehmen. Zudem wird die Möglichkeit eröffnet, eine Hauptversammlung innerhalb des Geschäftsjahres durchzuführen, das heißt die bisherige Achtmonatsfrist wird verlängert.

Für Genossenschaften und Vereine werden ebenfalls vorübergehend Erleichterungen für die Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz oder die Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen, auch ohne entsprechende Satzungsregelungen geschaffen. Im Übrigen werden für Genossenschaften, Vereine und Wohnungseigentümergemeinschaften Regelungen für den vorübergehenden Fortbestand bestimmter Organbestellungen getroffen, sollten diese ablaufen, ohne dass neue Organmitglieder bestellt werden können. Um die Finanzierung der Gemeinschaften der Wohnungseigentümer sicherzustellen, wird angeordnet, dass der zuletzt beschlossene Wirtschaftsplan bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort gilt.

Im Umwandlungsrecht wird zudem die Frist gemäß § 17 Absatz 2 Satz 4 Umwandlungsge-setz (UmwG) auf zwölf Monate verlängert, um zu verhindern, dass aufgrund fehlender Ver-sammlungsmöglichkeiten Umwandlungsmaßnahmen an einem Fristablauf scheitern.

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