06.07.2017 -

Die Entgeltansprüche der Betriebsratsmitglieder sind in § 37 Abs. 3 BetrVG detailliert geregelt. Was aber fällt alles unter vergütungspflichtige Betriebsratstätigkeit? Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage nun im Hinblick auf Wege-, Fahrt- und Reisezeiten in einem aktuellen Beschluss für die Praxis geklärt (BAG v. 27.07.2016 – 7 AZR 255/14).

Der Fall:
Der beklagte Arbeitgeber ist ein gemeinnütziger Verein für Menschen mit Behinderung. Das klagende Betriebsratsmitglied ist in dem Fachbereich „Assistenz in Schulen“ als persönliche Assistentin für behinderte Schüler tätig.

Während der jährlich für einen Zeitraum von 12 Wochen anfallenden Schulferien werden die Assistenten nicht zur Arbeitsleistung herangezogen. Diese nehmen in der Ferienzeit ihren Erholungsurlaub und sind teilweise freigestellt, erhalten aber aufgrund eines speziellen Vergütungssystems weiterhin Vergütung. Erforderliche Betriebsratstätigkeit fällt auch während der Schulferien an.

Die Betriebsrätin war während der Schulferien an drei Tagen, außerhalb ihres regulären Urlaubs, an insgesamt 13,5 Stunden im Betrieb anwesend, um an ordentlichen Betriebsratssitzungen teilzunehmen. Sie wandte zu diesem Zweck eine Stunde pro Tag, insgesamt also drei Stunden, für die Fahrten von ihrer Wohnung zum Betrieb und zurück auf.

Für diese dreistündigen Fahrzeiten verlangte sie Vergütung entsprechend dem vereinbarten Stundenlohn. Dieser Anspruch bestehe nach § 37 Abs. 3 BetrVG. Die Vergütung der Fahrzeiten sei geboten, da sie andernfalls gegenüber Beschäftigten ohne Betriebsratsmandat benachteiligt werde. Der Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit in den Ferien und damit außerhalb ihrer Arbeitszeit hätten wegen der vorgegebenen Arbeitszeitverteilung betriebsbedingte Gründe zugrunde gelegen. Die Fahrten von der Wohnung zum Betrieb stünden in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Teilnahme an den Betriebsratssitzungen und seien nur deswegen erforderlich gewesen.

Der Arbeitgeber hat hingegen Klageabweisung beantragt. Es handele sich bei dem Betriebsratsamt um ein unentgeltliches Ehrenamt. Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte seien auch vor dem Hintergrund des Begünstigungsverbotes des § 78 Satz 2 BetrVG nicht ausgleichspflichtig.

Das Arbeitsgericht hat den Anspruch im Hinblick auf die Fahrzeiten von drei Stunden abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht hingegen dem Zahlungsantrag stattgegeben.

Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Zahlungsanspruch abgewiesen.

I. Grundsatz
Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeiten, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen sind, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren. Ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten, § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG.

II. Anspruch auch auf Fahrzeiten?
Auch Wege-, Fahrt- und Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Erfüllung erforderlicher betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben außerhalb seiner Arbeitszeit aufwendet, können einen Anspruch auf Freizeitausgleich gem. § 37 Abs. 3 BetrVG auslösen. Dann müssen sie aber mit der Durchführung der ihnen zugrundeliegenden Betriebsratstätigkeit in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang stehen.

Allerdings dürfen Betriebsratsmitglieder nach § 78 Satz 2 BetrVG wegen ihrer Betriebsratstätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Für die Bewertung von Fahrt- und Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben aufwendet, können danach keine anderen Maßstäbe gelten als für Fahrzeiten, die ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Arbeitspflicht aufwendet. Zur Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeit erforderliche Fahrzeiten können demnach dann, wenn entsprechende Fahrzeiten von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der Erfüllung der Arbeitspflicht nicht vergütungspflichtig sind, keinen Anspruch auf Freizeitausgleich gem. § 37 Abs. 3 BetrVG und keinen Vergütungsanspruch nach § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG auslösen.

III. Wegezeiten regelmäßig nicht zu vergüten
Wegezeiten von Arbeitnehmern ohne Betriebsratsmandat von der Wohnung zur Betriebsstätte sind in der Regel nicht als Arbeitszeit zu vergüten. Solche Wegezeiten sind der Privatsphäre des Arbeitnehmers zugeordnet. Ob überhaupt und in welchem Umfang sie anfallen, hängt maßgeblich davon ab, welchen Wohnort ein Arbeitnehmer wählt. Dementsprechend sind auch Fahrzeiten zwischen der Wohnung und dem Betrieb, die ein Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeit aufwendet, nicht nach § 37 Abs. 3 BetrVG ausgleichs- oder vergütungspflichtig. Dadurch wird das Betriebsratsmitglied nicht wegen seines Betriebsratsamtes benachteiligt.

Hinweis für die Praxis:
Es muss also immer geprüft werden, ob ein „gewöhnlicher“ Arbeitnehmer ebenfalls Anspruch auf Erstattung der Fahrzeiten hätte. Ist dies nicht der Fall, stehen dem Betriebsrat ebenfalls keine Ansprüche zu.

Fazit:
Von der Frage, ob die aufgewendete Zeit als Arbeitszeit zu vergüten ist, ist allerdings die Frage, ob die Reisekosten erstattet werden müssen, zu unterscheiden. Letzteres hat das Bundesarbeitsgericht mehrfach bejaht. Der Arbeitgeber hat nach § 40 Abs. 1 BetrVG alle durch die Betriebsratstätigkeit entstehenden Kosten zu tragen. Durch die Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben dürfen dem Betriebsratsmitglied keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Dies ändert aber nichts daran, dass über die tatsächlich aufgewandten Reisekosten hinaus keine weitergehenden zusätzlichen Vergütungsansprüche bestehen.

Die Entscheidung macht deutlich, dass es im Einzelfall durchaus schwierig sein kann, die genauen Ansprüche eines Betriebsratsmitglieds zu berechnen und gegeneinander abzugrenzen. Hierauf ist daher besondere Sorgfalt zu verwenden.

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