05.07.2016 -

Die Befristung des Arbeitsvertrages bedarf bekanntlich eines sachlichen Grundes, wenn es sich nicht um eine zulässige Erstbefristung handelt. Immer wieder kommt es aber auch in bereits unbefristet vereinbarten Vertragsverhältnissen zu der Befristung einzelner Vertragsbedingungen, z.B. einer befristeten Erhöhung der Arbeitszeit. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun in einem speziellen Fall aus dem Musikbereich zu entscheiden, welche Anforderungen an die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit zu stellen sind (BAG, Urteil v. 07.10.2015 – 7 AZR 945/13). Die Entscheidung ist trotz des speziellen Sachverhalts von grundsätzlicher Bedeutung. Das Bundesarbeitsgericht entwickelt seine Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle bei der Befristung von Arbeitsbedingungen weiter. Die Kernaussagen sollen hier besprochen werden.

Der Fall (verkürzt):

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer befristeten Übertragung der Tätigkeit einer ersten (Solo-)Fagottistin. Die klagende Arbeitnehmerin ist seit 1. Dezember 2002 in einem Orchester beschäftigt. Sie ist nach dem Arbeitsvertrag zum Spielen der Instrumente erstes Fagott und zweites Fagott verpflichtet. Ihr ist die Tätigkeit einer Fagottistin übertragen worden. Das Arbeitsverhältnis richtet sich kraft einzelvertraglicher Bezugnahme nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK).

In dem Tarifvertrag ist u.a. geregelt, dass der Abschluss von Zeitverträgen für die Dauer von mehr als drei Jahren unzulässig ist. Weiter enthält der Tarifvertrag eine Regelung, wonach der Arbeitgeber dem Musiker mit seiner Zustimmung bestimmte Tätigkeiten übertragen darf. Diese Übertragung kann der Arbeitgeber aus Gründen die in der Leistungsfähigkeit oder sonstigen Eignung des Musikers liegen widerrufen.

Im Januar 2008 erkrankte der damalige erste (Solo-)Fagottist längerfristig. Die Beklagte vereinbarte daraufhin mit der Klägerin interimsweise die Tätigkeit einer ersten (Solo-)Fagottistin für ein Jahr. Die Klägerin erhielt hierfür eine Tätigkeitszulage in Höhe von 608,49 € brutto anstelle ihrer bisherigen Tätigkeitszulage in Höhe von 304,24 € brutto.

Die befristete Übertragung wurde dann noch drei Mal verlängert. In dieser Zeit schied der bisherige erste (Solo-)Fagottist aus und es erfolgten mehrere Probevorspiele und Ausschreibungen.

Die Klägerin hat daraufhin die Auffassung vertreten, die Tätigkeit als erste Solo-Fagottistin sei dauerhafter Vertragsinhalt geworden. Der Befristung stehe bereits der Tarifvertrag entgegen, der nur einen Widerruf der Aufgabenübertragung aus Gründen der Leistungsfähigkeit oder sonstigen Eignung gestatte. Die Befristungsabreden hielten auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand. Die Inhaltskontrolle sei nach den Maßstäben des TzBfG vorzunehmen. Außerdem halte die Befristungsvereinbarung der unionsrechtlich gebotenen Rechtsmissbrauchskontrolle nicht statt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat im Berufungsverfahren die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Klage ebenfalls für unbegründet erachtet.

I. Kein tarifvertraglicher Schutz

Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst klargestellt, dass tarifvertragliche Regelungen der befristeten Übertragung der höherwertigen Tätigkeit hier nicht entgegenstanden. Zwar kann nach dem Tarifvertrag dem Musiker mit seiner Zustimmung eine bestimmte weitere Tätigkeit übertragen werden, die nur aus bestimmten Gründen widerrufen werden darf. Die tarifvertraglichen Regelungen betreffen aber die dauerhafte Übertragung von Tätigkeiten an den Musiker und sehen insoweit nur eine Widerrufsmöglichkeit für den Arbeitgeber vor. Dieses Schutzes bedarf es bei der befristet vereinbarten Tätigkeitsübertragung nicht, da die Befristung im Regelfall ohnehin an besondere Voraussetzungen gebunden ist.

Gleiches gilt für den tarifvertraglichen Ausschluss von Zeitverträgen für die Dauer von mehr als drei Jahren. Der Musikerin war die Tätigkeit der ersten (Solo-)Fagottistin zwar insgesamt mehr als drei Jahre übertragen. Auch diese Regelung betrifft jedoch nur die Befristung des gesamten Arbeitsvertrages, nicht jedoch die Befristung einzelner Vertragsbedingungen.

II. Keine Anwendung TzBfG

Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst nochmals klargestellt, dass die Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) auf die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar sind. Die Kontrolle der Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen, wie hier die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, richtet sich allein nach der Vertragskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Kontrolle). Die Rechtsprechung zur Befristung von Arbeitsverträgen ist damit nicht einschlägig, jedenfalls nicht unmittelbar.

III. AGB-Vertragsinhaltskontrolle

Die befristete Übertragung der höherwertigen Tätigkeit unterliegt damit dem Maßstab der AGB-Kontrolle. An die Wirksamkeit sind verschiedene Anforderungen zu stellen.

1. Einmalige Verwendung ausreichend

Die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle findet auch dann Anwendung, wenn eine Vereinbarung nur zur einmaligen Verwendung bestimmt war. Insoweit gilt bei Verbraucherverträgen die Sondervorschrift des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Arbeitsverträge sind nach ständiger Rechtsprechung Verbraucherverträge. Die AGB-Kontrolle findet damit nach der genannten Vorschrift schon dann Anwendung, wenn eine Vereinbarung nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Hier war die Verlängerungsvereinbarung von der Arbeitgeberseite vorgegeben, so dass diese Voraussetzung erfüllt war.

2. Prüfung allein der letzten Vereinbarung

Die AGB-Kontrolle erstreckt sich allein auf die letzte vereinbarte befristete Übertragung der Tätigkeit einer ersten (Solo-)Fagottistin. Die Wirksamkeit der vorhergehenden Verlängerungsvereinbarungen spielt bei der Prüfung keine Rolle mehr.

Hinweis für die Praxis:

Die Kontrolle der Befristung einer Arbeitsvertragsbedingung ist nur dann nicht auf die zuletzt getroffene Befristungsabrede beschränkt, wenn die Parteien in einer nachfolgenden Vereinbarung zur Befristung der Arbeitsvertragsbedingung dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten haben, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung überprüfen zu lassen. Dazu bedarf es aber einer ausdrücklichen oder jedenfalls nachweisbar konkludenten Vereinbarung. Dies war hier nicht der Fall.

3. Keine Abrede über Hauptleistung

Die AGB-Kontrolle bezieht sich nicht auf sogenannte Hauptleistungsabreden. Dabei handelt es sich um Abreden über den Umfang der von den Parteien geschuldeten Hauptleistungen, konkret also die vereinbarte Tätigkeit oder die damit verbundene Vergütung. Solche Hauptleistungspflichten sind nur sehr eingeschränkt überprüfbar. Dies folgt auch aus der Wertung des § 307 Abs. 3 BGB.

Der Klägerin ging es hier aber nicht um den Inhalt oder die Vergütung der befristeten Übertragung der ersten (Solo-)Fagottistin, sondern um die damit verbundene zeitliche Einschränkung durch die Befristung. Diese Frage unterliegt aber uneingeschränkt der AGB-Kontrolle.

4. Hauptprüfung: Angemessenheitskontrolle

Die eigentliche Prüfung erstreckt sich damit auf die sogenannte Angemessenheitskontrolle. Anders als nach dem TzBfG, wonach die Befristung des gesamten Vertrages daraufhin zu überprüfen ist, ob sie durch einen sachlichen Grund nach § 14 TzBfG gerechtfertigt ist, unterliegt die Befristung einzelner Vertragsbedingungen nach § 307 Abs. 1 BGB einer Angemessenheitskontrolle, die anhand einer Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen beider Vertragsparteien vorzunehmen ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings schon mehrfach klargestellt und dies auch in der aktuellen Entscheidung nochmals bestätigt, dass regelmäßig bei Vorliegen eines Sachgrundes, der die Befristung eines Arbeitsvertrages insgesamt rechtfertigen könnte, in der Regel das Interesse des Arbeitgebers im Rahmen der Angemessenheitskontrolle überwiegt. Mit anderen Worten: Liegt ein Sachgrund vor, der den Maßstäben des TzBfG genügt, rechtfertigt dieser Sachgrund auch die Befristung einer Arbeitsbedingung.

In diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit entschieden, dass die befristete erhebliche Aufstockung der Arbeitszeit regelmäßig das Vorliegen eines solchen sachlichen Grundes erfordert. Die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung bedürfe besonderer berechtigter Belange auf Arbeitgeberseite. Diese Grundsätze sind aber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auf die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nicht uneingeschränkt übertragbar. Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis soll dem Arbeitnehmer in erster Linie ein bestimmtes dauerhaftes Einkommen sichern, nicht aber einen bestimmten Tätigkeitsinhalt oder eine bestimmte hierarchische Stellung. Aus diesem Grund wird die Musikerin durch die befristete Übertragung der Tätigkeit einer ersten (Solo-)Fagottistin nicht unangemessen benachteiligt. Die Vergütungsdifferenz durch die Erhöhung der Zulage beläuft sich auf lediglich 304,25 € brutto monatlich und damit auf etwa 9 % der monatlichen Gesamtvergütung. Die längerfristige, durch die Höhe des Einkommens beeinflusste Lebensplanung wird durch die möglicherweise zu erwartende Rückkehr zu der dauerhaft vertraglich vereinbarten Tätigkeit nach dem Befristungsende nicht in ähnlicher Weise beeinträchtigt wie bei der befristeten Erhöhung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht betont zwar immer wieder, dass die Regeln des TzBfG bei der Befristung von Arbeitsbedingungen nicht, auch nicht entsprechend, anzuwenden sind. Dennoch wird bei der Begründung auf die Maßstäbe des TzBfG zurückgegriffen. Der Praxis kann also nur empfohlen werden, bei der Befristung von Arbeitsbedingungen zu prüfen, ob Gründe vorliegen, die auch den Maßstäben des TzBfG Genüge getan hätten. In einem solchen Fall wird die Befristung der Arbeitsbedingungen nach der Angemessenheitskontrolle regelmäßig zulässig sein.

5. Rechtsmissbrauchskontrolle

Das Bundesarbeitsgericht hat schließlich noch abschließend die Frage angesprochen, ob in der viermaligen Verlängerung der befristeten Übertragung der höherwertigen Tätigkeit als erste (Solo-)Fagottistin eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung gesehen werden könnte. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht aber verneint und (leider) in diesem Zusammenhang auch die grundsätzliche Frage offen gelassen, ob die Rechtsmissbrauchskontrolle überhaupt bei der Befristung einer Vertragsbedingung Anwendung findet. Insoweit bleibt höchstrichterlich noch unentschieden, ob bei der lediglich befristeten Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit oder einer sonstigen Befristung einer Arbeitsbedingung die unionsrechtlich gebotene Rechtsmissbrauchskontrolle bei Kettenbefristungen vorzunehmen ist. Entwickelt wurde die Rechtsprechung bei der Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt gerade nicht in Fällen, in denen der Arbeitsvertrag an sich unbefristet fortbesteht und nur einzelne Vertragsbedingungen befristet werden. Nach unserer Auffassung spricht daher vieles dafür, diese Rechtsmissbrauchskontrolle in solchen Fällen nicht vorzunehmen.

Fazit:

Die Befristung einzelner Vertragsbedingungen unterliegt nicht den Vorgaben des TzBfG. Das Bundesarbeitsgericht hat erneut entschieden, dass im Rahmen der Befristung einer höherwertigen Tätigkeit wie auch der Befristung sonstiger Vertragsbedingungen lediglich eine sogenannte Angemessenheitskontrolle vorzunehmen ist. Der Praxis ist allerdings zu empfehlen, einzelne Vertragsbedingungen regelmäßig nur dann befristet zu vereinbaren, wenn ein sachlicher Grund gegeben ist, der auch den Maßstäben des TzBfG genügt, um Unsicherheiten und rechtliche Nachteile zu vermeiden.

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