16.12.2015 -

Abfindungen in einem Sozialplan dürfen weder mittelbar noch unmittelbar altersdiskriminierend sein. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hatte nun die Frage zu beantworten, ob die Festlegung eines absoluten Höchstbetrages für eine Abfindung (sogenannte Kappungsgrenze) eine Benachteiligung wegen des Alters darstellen kann (LAG Nürnberg, Urteil v. 12.11.2014 – 2 Sa 317/14). Der Entscheidung sind klare Hinweise zu entnehmen, wie solche Klauseln in einem Sozialplan formuliert werden müssen.

Der Fall (verkürzt):

Die Parteien streiten um die Höhe einer Sozialplanabfindung. Der klagende Arbeitnehmer war als Führungskraft bei dem beklagten Arbeitgeber schon seit 1984 als Leiter Entwicklung mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von 6.672,33 € brutto beschäftigt. Der Arbeitgeber und der Betriebsrat vereinbarten wegen der Stilllegung des Betriebs einen Interessenausgleich mit Namensliste und einen Sozialplan.

Der Sozialplan lautete auszugweise wie folgt:

§ 3

Abfindungen

1. Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Sozialplanes fallen, erhalten eine Abfindung entsprechend dem nachstehenden Regelwerk.

2. Der Gesamtbetrag aller Abfindungen darf den Betrag 2.204,691,69 Mio. (in Worten: zwei Millionen zweihundertviertausendsechshunderteinundneunzig) Euro nicht übersteigen.

3. Der Gesamtabfindungsbetrag aus Grund-, Sockel- und Steigerungsbetrag darf nicht höher liegen als 100.000,00 (in Worten: einhunderttausend) EUR.

4. Die individuelle Abfindung errechnet sich nach folgenden Regelungen:

4.1 Sockelbetrag

Jeder Arbeitnehmer erhält – vorbehaltlich der Regelungen des § 3 Ziffer 1 – einen Sockelbetrag in Höhe von 2.500,00 (in Worten: zweitausendfünfhundert EUR brutto.

4.2 Grundbetrag

Jeder Arbeitnehmer erhält – vorbehaltlich der Regelungen des § 3 Ziffer 1 – zusätzlich zum Sockelbetrag gemäß Ziffer 4.1 einen Abfindungsgrundbetrag. Der Grundbetrag errechnet sich wie folgt:

Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsgehalt x 0,85.

Dem Kläger wurde dann unter Einhaltung einer neunmonatigen Kündigungsfrist zum 31. Dezember 2012 gekündigt. Sein Name findet sich auf der dem Interessenausgleich angefügten Namensliste. Er erhielt unter Berücksichtigung der in § 3 Nr. 3 des Sozialplans festgelegten Höchstbetragsgrenze eine Sozialplanabfindung in Höhe von 100.000,00 € ausbezahlt. Ohne diese Höchstbetragsgrenze betrüge die Abfindung nach dem Sozialplan 161.868,59 €.

Der Mitarbeiter hat daraufhin den Differenzbetrag in Höhe von 61.868,59 € vor dem Arbeitsgericht eingeklagt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat im Berufungsverfahren die Zahlungsklage des Mitarbeiters auf eine erhöhte Abfindung ebenfalls abgewiesen.

I. Betriebsverfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Das Landesarbeitsgericht hat zunächst ein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geprüft und verneint. Dieser auf Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende Grundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck. Daher müssen sich Gruppenbildungen in Sozialplänen an deren Funktion orientieren. Sozialpläne haben eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die darin vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die künftigen Nachteile ausgleichen, die Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Bei der Ausgestaltung solcher Leistungen stehen den Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume zu, die Typisierungen und Pauschalierungen einschließen.

Eine Kappungsgrenze in einem Sozialplan ist in diesem Sinne keine unzulässige Gruppenbildung. Einer solchen Kappungsgrenze liegt die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile der davon betroffenen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise mit dem entsprechenden Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert werden. Zweck einer solchen Begrenzung ist es, eine Bevorzugung derjenigen Mitarbeiter zu vermeiden, die ansonsten allein wegen ihrer langjährigen Beschäftigungsdauer einen Vorteil erhalten. Das zu beurteilen liegt in der zulässigen Einschätzungsbefugnis der Betriebsparteien.

II. Keine Altersdiskriminierung

Die Höchstbetragsgrenze des § 3 Nr. 3 des Sozialplans verstößt auch nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung (§ 75 Abs. 1 BetrVG, § 1 AGG). Nach § 1 AGG sollen Benachteiligungen aus Gründen des Alters verhindert oder beseitigt werden. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG vor, wenn die Person wegen ihres Alters eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt. Eine mittelbare Benachteiligung liegt gem. § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können.

Eine Kappungsgrenze bzw. Höchstbetragsregelung in einem Sozialplan führt jedoch weder zu einer unmittelbaren noch zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Durch eine Höchstbetragsregelung, die nicht nach dem Alter differenziert, werden Arbeitnehmer wegen ihres Lebensalters unmittelbar weder bevorzugt noch benachteiligt. Ebenso wenig liegt aber eine mittelbare Diskriminierung vor, denn die älteren Arbeitnehmer werden durch eine Höchstbegrenzungsklausel nicht anders, sondern gerade genauso behandelt wie die jüngeren. Eine Höchstbetragsklausel benachteiligt ältere Arbeitnehmer nicht, sondern begrenzt vielmehr deren mit der Altersstaffelung verbundene Bevorzugung. Dies liegt im Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien. Mit anderen Worten: Die Höchstbetragsregelung führt nicht zu einer geringeren Abfindung, sondern begrenzt die Abfindung lediglich nach oben.

Fazit:

Damit sind Höchstbetragsklauseln in Sozialplänen zulässig. Die Rechtsprechung dazu ist einheitlich und sicher. Unzulässig sind nur Regelungen, die unmittelbar oder mittelbar an das Alter anknüpfen. Dies ist bei einer Kappungsgrenze regelmäßig nicht der Fall.

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