01.12.2015 -

In vielen Arbeitsverträgen werden gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses längere Kündigungsfristen vereinbart. Meist kombiniert mit einer längeren Frist zu einem bestimmten Termin (z.B. Quartal oder Halbjahresende). Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu entscheiden, welche Fristen gelten, wenn die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB die vereinbarten vertraglichen Kündigungsfristen überholen (BAG, Urteil v. 29.01.2015 – 2 AZR 280/14). Diese wichtige Entscheidung ist für die Praxis von besonderer Bedeutung.

Der Fall:

Das beklagte Unternehmen erbringt medizinische Dienstleistungen im Bereich der Radiographie. Die klagende Arbeitnehmerin war als Leiterin Qualitätssicherung schon seit 1976 beschäftigt. Im Anstellungsvertrag für außertarifliche Angestellte vom 15. März 2005 heißt es in § 8 Nr. 1:

Die Kündigungsfrist beträgt beiderseits sechs Monate zum 30. Juni oder 31. Dezember des Jahres.“

Im Dezember 2012 wurde die Stilllegung des Betriebes beschlossen. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 kündigte das Unternehmen das Arbeitsverhältnis „unter Wahrung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist ordentlich zum 30. Juni 2013“.

Die Arbeitnehmerin erhob fristgerecht Kündigungsschutzklage. Sie bestritt die soziale Rechtfertigung der Kündigung und machte im Übrigen geltend, die Frist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats aus § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB sei hier nicht gewahrt worden. Das beklagte Unternehmen vertrat hierzu die Auffassung, die vertragliche Kündigungsfrist setze sich gegen die längere gesetzliche Regelung durch. Sie biete insbesondere für die längere Zeit innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung erst zum 31. Juli 2013 aufgelöst worden ist. Im Berufungsverfahren hat hingegen das Landesarbeitsgericht die Kündigung schon zum 30. Juni 2013 für wirksam erachtet.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von sieben Monaten zum Monatsende zum 31. Juli 2013 aufgelöst.

I. Verkürzung und Verlängerung von Kündigungsfrist

Eine einzelvertragliche Fristverkürzung der Fristen des § 622 Abs. 2 BGB ist grundsätzlich nicht möglich. Ausnahmen bestehen nur in den engen Grenzen des § 622 Abs. 4 S. 2 BGB im Hinblick auf die Geltung von Tarifverträgen. Zulässig ist aber gem. § 622 Abs. 5 S. 3 BGB die einzelvertragliche Vereinbarung längerer Kündigungsfristen. So kann man z.B. schon bei Beginn eines Arbeitsverhältnisses vereinbaren, dass die Mindestkündigungsfrist drei Monate zum Ende eines Kalendermonats beträgt, obwohl dafür nach § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mindestbetriebszugehörigkeit von acht Jahren bestehen müsste.

Hinweis für die Praxis:

Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer Kündigungsfristen ist damit möglich. Die Kündigungsfristen verlängern sich aber in diesem Fall, wenn die Betriebszugehörigkeit die vereinbarte Kündigungsfrist überholt. Im konkreten Beispiel verlängert sich also die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats auf vier Monate zum Ende eines Kalendermonats, wenn der Arbeitnehmer eine Betriebszugehörigkeit von zehn Jahren erreicht hat. Welche Regeln gelten, wenn zusätzlich ein bestimmter Kündigungstermin (zum Quartal oder zum Halbjahresende) vereinbart wird, soll im Folgenden geklärt werden.

II. Vertragliche Reglung von Kündigungsfrist und Kündigungstermin

Meist wird aber nicht nur eine längere Kündigungsfrist vereinbart, sondern zusätzlich auch ein fester Kündigungstermin. Unter Kündigungstermin versteht man den Zeitpunkt, zu dem eine Kündigung ausgesprochen werden darf. Gesetzlich ist dies nach § 622 Abs. 2 BGB immer eine Kündigung zum Ende eines Kalendermonats. Ein Kündigungstermin kann aber auch das Quartalsende sein, das Halbjahresende oder sogar auch nur zum Jahresende. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu klargestellt, dass die einzelvertragliche Regelung von Kündigungsfrist und Kündigungstermin regelmäßig als Einheit zu betrachten ist. In solchen Fällen ist durch einen Günstigkeitsvergleich zwischen vertraglicher und gesetzlicher Regelung ein Gesamtvergleich (auch Ensemble – oder Gruppenvergleich) vorzunehmen. Eine isolierte Betrachtung kommt regelmäßig nicht in Betracht.

Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass es für den Günstigkeitsvergleich nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der konkreten Kündigung ankommt. Vielmehr ist abstrakt die vertragliche Gesamtregelung auf ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Bestimmungen hin zu überprüfen. Ausgangspunkt der Prüfung ist dabei § 622 BGB. Bei den in § 622 Abs. 2 vorgesehenen Kündigungsfristen handelt es sich um Mindestfristen, die dem Arbeitnehmer ausnahmslos zur Verfügung stehen sollen. Es reicht daher nicht aus, dass die vertragliche Kündigungsfrist für die längere Zeit innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz gewährt. Die gesetzlichen Kündigungsfristen müssen immer den besseren Schutz gewähren.

Hier war eine vertragliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Halbjahresende vereinbart. Diese vertragliche Kündigungsfrist erweist sich aber im Vergleich mit der gesetzlichen Regelung von sieben Monaten zum Monatsende nicht durchweg als länger. Gerade die hier ausgesprochene Kündigung zeigt, dass bei einer Kündigung im Dezember die gesetzliche Regelung für den Arbeitnehmer abstrakt günstiger ist.

Hinweis für die Praxis:

Die zu wahrende Kündigungsfrist betrug auch nicht etwa nunmehr sieben Monate zum Halbjahresende. Die Parteien wollten nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts eingeschränkte Kündigungstermine nur im Verbund mit einer auf sechs Monate verkürzten Kündigungsfrist vereinbaren. Es greift dann alleine die gesetzliche Regelung mit dem Kündigungstermin zum Monatsende.

Fazit:

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Der Günstigkeitsvergleich zwischen einzelvertraglicher und gesetzlicher Regelung hat abstrakt zu erfolgen. Es ist nicht auf die konkret ausgesprochene Kündigung abzustellen, so dass unterschiedliche Ergebnisse, je nach Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs, vermieden werden. Bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen sollte man diese Grundsätze beachten.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen