11.11.2015 -

Der Urlaub während der Elternzeit kann nach den Spezialregelungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) gekürzt werden. Eine solche Reduzierung bedarf allerdings der ausdrücklichen Kürzungserklärung des Arbeitgebers. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in einem aktuellen Urteil nunmehr entschieden, dass diese Kürzungserklärung auch nach dem Ende der Elternzeit, sogar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch erklärt werden kann (LAG Niedersachsen, Urteil v. 16.09.2014 – 15 Sa 533/14). Die Entscheidung ist zu begrüßen und für Arbeitgeber vorteilhaft. Wir möchten die wesentlichen Kernaussagen hier für die Praxis aufbereitet darstellen.

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem beklagten Krankenhaus in der Zeit vom 1. Juni 2009 bis zum 14. September 2013 als Krankenschwester mit einer Bruttomonatsvergütung von 1.850,00 € beschäftigt. In der Zeit von August 2010 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses befand sich die Klägerin in Elternzeit.

Nach dem Arbeitsvertrag stand der Klägerin ein Erholungsurlaub von 30 Werktagen im Kalenderjahr zu. Vor Beginn der Elternzeit hatte die Klägerin noch einen Resturlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2010 in Höhe von unstreitig zehn nicht gewährten Urlaubstagen.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte die Klägerin den Arbeitgeber mit Schreiben vom 14. November 2013 auf, ihre restlichen Urlaubsansprüche, insbesondere auch für die Dauer der Elternzeit, abzugelten. Der Anwalt des Krankenhauses erklärte daraufhin Folgendes:

„… Dazu teile ich Ihnen mit, dass Herr C. – was die Urlaubsansprüche Ihrer Mandantin während der Elternzeit anbelangt – von seinem Kürzungsrecht gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG Gebrauch gemacht hat und auch weiterhin Gebrauch macht. Folglich stehen Ihrer Mandantin für die Dauer der Elternzeit Urlaubsabgeltungsansprüche nicht zu.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von insgesamt 100 Tagen zu, nämlich von zehn noch offenen Urlaubstagen des Jahres 2010 sowie je 30 Tagen für die Jahre 2011, 2012 und 2013. Sie trägt zur Begründung vor, ihr Arbeitgeber habe nach Beendigung der Elternzeit und Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Kürzung mehr vornehmen können. Der Urlaubsanspruch sei mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt worden. Die Kürzungsmöglichkeit des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG findet zwar auf den Urlaubs-, nicht jedoch auf den Urlaubsabgeltungsanspruch Anwendung. Dieser sei ein reiner Geldanspruch, der mit dem Urlaubsanspruch als solchem nichts mehr zu tun habe.

Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage abgewiesen.

Die Entscheidung:  

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch für die Dauer der Elternzeit besteht nicht.

I. Urlaub und Elternzeit

Urlaubsansprüche entstehen zunächst auch während einer Elternzeit. Dies ist vielen unbekannt. Das BEEG regelt aber in § 17 Abs. 1 S. 1 ausdrücklich, dass der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen kann. Kürzen in diesem Sinne kann man aber nur Ansprüche, die zunächst entstanden sind. Während der Elternzeit entsteht also der Urlaubsanspruch und der Arbeitgeber muss, wenn er den Urlaubsanspruch reduzieren möchte, die Kürzung erklären.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub kürzen, muss aber von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Will er seine Befugnis ausüben, ist eine Erklärung erforderlich, um den Anspruch auf Erholungsurlaub herabzusetzen. Diese Erklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Es reicht aus, dass dem Arbeitnehmer nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder ihm erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will.

II. Keine Frist für Kürzungserklärung

Die Abgabe der Kürzungserklärung ist an keine Frist gebunden. Das Landesarbeitsgericht hat klargestellt, dass die Wirksamkeit der Kürzungserklärung nicht darauf beschränkt ist, dass sie vor Antritt der Elternzeit abgegeben wird. Es spreche für die Zulässigkeit der Erklärung auch nach der Elternzeit, dass oft erst im Nachhinein feststehe, in welchem Umfange eine Kürzung überhaupt in Betracht komme. Eine nachträgliche Kürzung sei in § 17 Abs. 4 BEEG im Übrigen für einen anderen Fall ausdrücklich vorgesehen. So sehe § 17 Abs. 4 BEEG vor, dass der Arbeitgeber den Urlaub, der dem Arbeitnehmer nach dem Ende der Elternzeit zustehe, um die zu viel gewährten Urlaubstage kürzen kann, wenn der Arbeitnehmer vor Beginn der Elternzeit mehr Urlaub erhalten hat als ihm zusteht. Der Gesetzgeber hat also das Problem der nachträglichen Verrechnung von Urlaubsansprüchen gesehen und geregelt. Auch dies spreche dafür, dass die Höhe des Urlaubsanspruchs durch Willenserklärungen, die nach Ende der Elternzeit abgegeben werden, beeinflusst werden kann.

Fazit:

Der Erholungsurlaub, der während einer Elternzeit entsteht, muss nicht zwingend vor Antritt der Elternzeit gekürzt werden. Die Kürzungserklärung kann auch nach Ende der Elternzeit erfolgen. Sie kann sogar auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch erklärt werden. Für Arbeitgeber eine vorteilhafte Regelung. Arbeitnehmer können hingegen erst dann sicher sein, wenn ihnen der Urlaubsabgeltungsanspruch tatsächlich ausgezahlt wurde. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, da das Landesarbeitsgericht Hamm diese Rechtsfrage anders sieht.

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