27.10.2015 -

Geschäftsführer einer GmbH sind bekanntlich keine Arbeitnehmer und genießen daher auch keinen Arbeitnehmerschutz. Wie verhält es sich aber mit Gesellschaftern einer GmbH? Können Gesellschafter gleichzeitig als Arbeitnehmer beschäftigt werden? Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit dieser Fragestellung in einem aktuellen Beschluss befasst und der Praxis wertvolle Hinweise für die Vertragsgestaltung aufgezeigt (BAG, Beschluss v. 17.09.2014 – 10 AZB 43/149).

Der Fall (verkürzt):

Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung.

Der Kläger hat die beklagte GmbH mit einem weiteren Gesellschafter im Jahre 1992 gegründet. Beide Gesellschafter besitzen jeweils 50 % der Gesellschaftsanteile und waren anfänglich zugleich die beiden Geschäftsführer der beklagten GmbH.

Der Gesellschaftsvertrag bestimmt u.a. Folgendes:

Die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer kann nur mit 75 v.H. aller Gesellschafter beschlossen werden.“

Ferner enthält der Gesellschaftsvertrag eine Liste von „besonderen“ Geschäften, für die die Zustimmung der Gesellschafterversammlung durch einfachen Mehrheitsbeschluss einzuholen ist. In diesem Zusammenhang regelt der Gesellschaftsvertrag Folgendes:

Die Liste der zustimmungsbedürftigen Geschäfte kann mit einem Mehrheitsbeschluss erweitert oder geändert werden.“

Die Organstellung des Klägers als Geschäftsführer wurde zum 31. Januar 2011 beendet. Im Rahmen eines gerichtlichen Streits über diese Beendigung wurde Folgendes durch gerichtlichen Vergleich geregelt:

Zwischen den Parteien ist ein Angestelltenvertragsverhältnis als technischer Angestellter für Aufbaufertigung und Vertrieb des dezentralen innovativen Lüftungssystems abgeschlossen.

Ab 1. September 2012 gilt hinsichtlich dieses Angestelltenvertrages als vereinbart, dass eine Arbeitszeit von wöchentlich 37 Stunden zu leisten ist. Für diese Tätigkeit vereinbaren die Parteien eine Vergütung in Höhe eines monatlichen Gehalts von 3.500,00 €.

In der Folgezeit kam es erneut zu Auseinandersetzungen über die Durchführung dieses Angestelltenverhältnisses, die in dem Ausspruch einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung durch die beklagte GmbH endeten. Hiergegen richtete sich die von dem Kläger beim Arbeitsgericht erhobene Kündigungsschutzklage.

Die Arbeitsgerichte haben sich in 1. und 2. Instanz mit der Begründung, bei dem Kläger handelt es sich tatsächlich nicht um einen Arbeitnehmer, da er zugleich Gesellschafter sei, für unzuständig erklärt. Hierüber musste dann das Bundesarbeitsgericht entscheiden.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht hat der zuständige 10. Senat klargestellt, dass es sich bei dem Kläger – trotz seiner Gesellschafterstellung – um einen Arbeitnehmer handelt und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist.

I. Gesellschafter- und Arbeitnehmerstatus zulässig?

Zunächst hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass auch Gesellschafter in einem Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft stehen können, deren Gesellschafter sie sind. Hierzu kann ein Arbeitsvertrag vereinbart werden. Die Voraussetzungen lagen insoweit vor. Der in dem gerichtlichen Verfahren vereinbarte Arbeitsvertrag enthielt detaillierte Regelungen in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers, das Entgelt, die wöchentliche Arbeitszeit und den Urlaub. In diesem Sinne war also der Kläger zur Verrichtung weisungsgebundener und fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Seine Gesellschafterstellung schloss damit ein wirksames Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht aus.

II. Kein Arbeitsverhältnis bei mehr als 50 % der Stimmrechte

Hat allerdings ein Gesellschafter als Kapitaleigner einen so großen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft, dass er über seine Gesellschafterstellung letztlich auch die Leitungsmacht hat, schließt dies die Begründung eines Arbeitsverhältnisses aus. In diesem Fall unterliegt er nicht dem Weisungsrecht des Geschäftsführers. Vielmehr kann er über seine Gesellschafterstellung selbst Anweisungen an die Geschäftsführung erteilen. Ob ein solcher Einfluss besteht, richtet sich in erster Linie nach den Stimmrechtsverhältnissen. Dementsprechend kann regelmäßig ein Gesellschafter, dem mehr als 50 % der Stimmrechte zustehen, nicht zugleich Arbeitnehmer dieser Gesellschaft sein.

Auch der Minderheitsgesellschafter ist bei Bestehen einer Sperrminorität im Regelfall kein Arbeitnehmer. In diesem Fall kann er über seine Sperrminorität wesentliche Entscheidungen der Gesellschaft beeinflussen und aufhalten.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger aber nicht mehr als 50 %, sondern verfügte über einen Gesellschaftsanteil von genau 50 %. Er war damit nicht Mehrheitsgesellschafter der Beklagten. Aufgrund seines Gesellschaftsanteils besaß er keine Weisungsbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung. Vielmehr bedurfte es nach dem Gesellschaftsvertrag für solche Weisungen mindestens 75 % der Anteile. Er konnte damit als Gesellschafter die Geschäftsführung nicht anweisen, ihm bestimmte Weisungen zu erteilen oder solche zu unterlassen.

Er konnte auch nicht über eine Sperrminorität einen so großen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft ausüben, dass er über seine Gesellschafterstellung letztlich auch die Leitungsmacht gehabt hätte. Zwar konnte er aufgrund seiner hälftigen Kapitalbeteiligung die im Gesellschaftsvertrag aufgeführten „besonderen Geschäfte“ blockieren. Er konnte aber die Geschäftsführung bezüglich des Tagesgeschäfts nicht behindern. Die Leitungsmacht über das Unternehmen konnte er also nicht ausüben.

Hinweis für die Praxis:

Diesem Verständnis entspricht auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung mitarbeitender Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Diese sind hiernach nur dann Selbständige, wenn mit der Kapitalbeteiligung zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Einhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist, etwa durch ein dem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und wenn der Gesellschafter damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren.

Fazit:

Gesellschafter können in einem Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft stehen, deren Gesellschafter sie sind. Alternativ können sie auch die Geschäftsführung inne haben. Bei der Vertragsgestaltung ist allerdings bei Mehrheitsgesellschaftern darauf zu achten, dass ihre Kapitalbeteiligung ein Arbeitsverhältnis ausschließen kann. Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften finden dann keine Anwendung.

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