05.10.2015 -

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden , dass ein Patient, bei dem während eines Krankenhausaufenthaltes eine MRSA-Infektion auftritt, einen schadensursächlichen Hygienemangel auch dann beweisen muss, wenn während der Zeit seines Krankenhausaufenthalts vier weitere Patienten MRSA-Infektionen erleiden. Allein diese Anzahl weiterer MRSA-Infektionen rechtfertigt keine Beweislastumkehr zulasten des Krankenhauses.

Problemaufriss:

Haftungsfragen im Zusammenhang mit Hygienemängeln beschäftigen die Rechtsprechung in zunehmendem Maße. In den meisten Fällen geht es dabei um den Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Kommt es während eines Krankenhausaufenthaltes zu einer Infektion, stellt sich regelmäßig die Frage, wer für die Ansteckung verantwortlich ist und ob die damit einhergehenden Beeinträchtigungen zu einem gegen die Behandlungsseite gerichteten Ersatzanspruch führen. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei der Ursprung der Infektion. Dieser bleibt aber oftmals unklar. Denn regelmäßig wird nicht auszuschließen sein, dass die Krankheitserreger bereits vor dem Klinikaufenthalt in den Organismus des Patienten gelangt sind.

Der Fall (verkürzt):

Die 1963 geborene Klägerin litt an einem Darmtumor, der im Dezember 2009 auf der allgemeinchirurgischen Abteilung des beklagten Krankenhauses operativ behandelt wurde. Im Bereich der Einstichstelle eines während der Operation gesetzten Katheters erlitt die Klägerin einen Abszess, der sich entzündete. Der Abszess musste daraufhin in der neurochirurgischen Abteilung einer Dortmunder Klinik, in die die Klägerin verlegt wurde, operativ behandelt werden. Dabei ergab sich ein MRSA-Befund. Vom beklagten Krankenhaus verlangte die Klägerin 30.000,00 € Schmerzensgeld, unter anderem mit der Begründung, der Katheter und die Einstichstelle seien nicht hygienisch einwandfrei gepflegt und versorgt worden. Dabei behauptete die Klägerin, während ihres Aufenthaltes im beklagten Krankenhaus sei es zu mindestens vier weiteren MRSA-Infektionen gekommen. Die Klägerin begehrte von der Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz aufgrund ärztlicher Fehler und Organisationsmängel. Das Landgericht wies die Klage ab. Nach dem Einholen eines medizinischen Sachverständigengutachtens konnte das Landgericht keine von dem beklagten Krankenhaus zu verantwortenden Behandlungsfehler feststellen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Entscheidung:

Der Senat wies die Berufung mit folgender Begründung zurück:

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei ein Hygienemangel nicht ausreichend nachgewiesen. Eine Umkehr der Beweislast unter dem Gesichtspunkt eines voll beherrschbaren Geschehens komme nicht in Betracht; denn nach den Angaben des Sachverständigen sei es allenfalls theoretisch denkbar, eine Infektion durch alle möglichen denkbaren Maßnahmen und den Einsatz von entsprechend vorhandenen Personal zu vermeiden, praktisch entspreche dies aber nicht dem Klinikalltag und der Lebenswirklichkeit. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der medizinische Standard in Deutschland weitergehender sei und es ermögliche, jegliche Art von Infektionen auszuschließen. Hinzu komme, dass nach Darstellung des Sachverständigen auch Patienten selbst Träger derartiger MRSA-Besiedlungen sein können. Insoweit habe er auch angegeben, dass ein Ausbruch von MRSA-Infektionen nicht von vornherein auf Hygienemängel schließen lasse. Entscheidend sei vielmehr der Einzelfall. Auch auf die Nachfrage des Landgerichts, die sich ersichtlich auf die Behauptung der Klägerin bezog, dass es um die Zeit ihres Aufenthaltes im Krankenhaus zu mindestens vier Infektionen gekommen sei, habe der Sachverständige nicht auf Mängel geschlossen. Bezogen auf weitere Fälle von MRSA-Infektionen könne für ein Hygienedefizit sprechen, wenn etwa bei zehn Patienten auf der Station zur gleichen Zeit eine solche Infektion auftrete.

Hinweis für die Praxis:

Bei Hygienemängeln spielen insbesondere die Fallgruppen des voll beherrschbaren Risikos (§ 630h Abs. 1 BGB) und groben Behandlungsfehlers (§ 630h Abs. 5 BGB) eine herausragende Rolle. Für die Kausalität hilft jedoch nur letztere weiter, da die Realisierung eines voll beherrschbaren Behandlungsrisikos grundsätzlich nur eine Fehler- bzw. Verschuldensvermutung bewirkt. Diese greift erst dann ein, wenn überhaupt feststeht, dass die Infektion aus einem voll beherrschbaren Bereich des Behandelnden herrührt. Eine Abweichung von allgemeinen Hygiene-Vorgaben führt aber nicht automatisch zu einem groben Fehler – nämlich einen eindeutigen Verstoß gegen bewährte medizinische Behandlungsregeln oder Erkenntnisse, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er schlechterdings nicht unterlaufen darf. Davon kann im Hygienebereich erst dann ausgegangen werden, wenn offen zutage getretenen Gefahrensituationen nicht begegnet wird.

Fazit:

Die Entscheidung des OLG Hamm reiht sich in die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung ein. In jüngster Zeit waren Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche wegen Infektionen mit MRSA Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen. So hatte etwa das OLG Koblenz (Beschluss v. 18.09.2014 – 5 U 632/14) kürzlich zu entscheiden, wie die Nichtvornahme eines MRSA-Screenings zu bewerten ist. Viele Klageverfahren scheitern allerdings, weil ungewiss ist, worauf die MRSA-Infektion zurückzuführen ist, und der Krankenhausträger dafür grundsätzlich nur dann verantwortlich gemacht werden kann, wenn sie aus einem von ihm beherrschbaren Bereich herrührt.

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