02.08.2012 -

Sachverhalt

Der Kläger, Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe eines Krankenhauses, wehrt sich gegen die außerordentliche (hilfsweise ordentliche) Kündigung durch den Arbeitgeber. Ein Dienstvertrag zwischen den Parteien wurde im Herst 2009 unterzeichnet. Dieser sah ausdrücklich vor, dass Vorkommnisse von erheblicher und grundsätzlicher Bedeutung, insbesondere auch Untersuchungen der Polizei oder der Staatsanwaltschaft, dem Dienstvorgesetzten unverzüglich mitzuteilen seien. Ferner wurde bei Eingehung des Dienstverhältnisses von dem Kläger eine zusätzliche Erklärung unterzeichnet, in der er versicherte, dass er bisher nicht gerichtlich bestraft oder disziplinarisch belangt worden sei, ferner auch kein Strafverfahren, Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft oder Disziplinarverfahren liefe. Ferner versicherte der Kläger, dass er von derartigen Verfahren und jeder gerichtlichen Verurteilung seinen Arbeitgeber in Kenntnis setzen werde.

Im Rahmen seines vorherigen Arbeitsverhältnisses wurde gegen den Kläger Ende 2002 eine Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung eines Neugeborenen gestellt. Ein entsprechendes Verfahren war durch die Staatsanwaltschaft zunächst eingestellt worden, da die Ermittlungen nicht genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage boten. Mit dem gaben sich die Eltern des verstorbenen Neugeborenen nicht zufrieden, sodass auf deren Betreiben das Verfahren später wieder aufgenommen und die Eltern gegen den Kläger zusätzlich zivilrechtlich vorgingen. Im Juni 2010 wurde der Kläger zur Zahlung von Schadensersatz an die Eltern des Neugeborenen zivilrechtlich verurteilt. Strafrechtlich wurde der Kläger im Juli 2010 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Hierüber informierte der Kläger seinen Arbeitgeber nicht. Die Verurteilungen wurden dem Arbeitgeber erst durch die Presse bekannt. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt. Hiergegen wendete sich der Kläger mit Kündigungsschutzklage. In erster Instanz obsiegte er vor dem ArbG Darmstadt.

Berufungsentscheidung des LAG Hessen

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten statt und sah damit die fristlose Kündigung des Chefarztes als rechtmäßig an. Dies begründete das Berufungsgericht damit, dass arbeitsvertraglich eindeutige Regelungen getroffen worden waren, die es dem Kläger auferlegten, das anhängige Strafverfahren sowie die spätere Verurteilung seinem Arbeitgeber mitzuteilen. Nicht nur der Arbeitsvertrag sah dies vor, sondern vielmehr auch die gesondert unterzeichnete Erklärung des Arbeitnehmers. Daraus folgerte das Berufungsgericht, dass der Kläger spätestens im Mai 2010, als er zur Hauptverhandlung in dem Strafverfahren geladen wurde, den Beklagten hiervon hätte unterrichten müssen. Die Tatsache, dass die dem Strafverfahren zu Grunde liegende Behandlung Jahre her war, änderte an der Einschätzung des Berufungsgerichts nichts. Dem Kläger musste klar sein, dass sein Arbeitgeber ein erhebliches Interesse an der Kenntnis der Verfahren hatte, schließlich standen die strafrechtlichen Vorwürfe in Zusammenhang mit der medizinischen Arbeit des Klägers, die er auch im Rahmen des neuen Arbeitsverhältnisses ausführte. In der Interessenabwägung war es für das Gericht zudem entscheidend, dass das Arbeitsverhältnis erst seit relativ kurzer Zeit bestand und dem Kläger als Chefarzt für Ruf und Entwicklung der Klinik große Bedeutung zukam.

Fazit

Der Vielfach in Chefarztverträgen enthaltenen Klausel, dass Untersuchungen der Polizei, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder strafrechtliche Verurteilungen dem Arbeitgeber zu melden seien, kommt erhebliche arbeitsrechtliche Bedeutung zu. Da das LAG Hessen ferner dem Umstand Rechnung trug, dass neben dem Arbeitsvertrag eine zusätzliche Erklärung hinsichtlich entsprechender Informationspflichten vom Arbeitnehmer unterschrieben wurde, empfiehlt sich deren Einholung durch den Arbeitgeber.

 

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