Das Zeugnisrecht beschäftigt immer wieder die Arbeitsgerichte. Neben der zahlreichen Kasuistik zur Zeugnissprache (siehe dazu ebenfalls in diesem Heft) kommen auch Schadensersatzansprüche wegen verspäteter Zeugniserteilung in Betracht. Welche Grundsätze dazu gelten, hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in einer Entscheidung aus April 2009 herausgearbeitet (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 1.4.2009 – 1 Sa 370/08, abrufbar unter www.sit.de /lagsh/ehome.nsf ).
Der Fall:
Der klagende Arbeitnehmer war über sieben Jahre als Außendienstmitarbeiter bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Sein durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst betrug 3.900,00 €. Der Arbeitgeber hatte seinen Betriebssitz in Norddeutschland; der Kläger arbeitete jedoch von seinem Wohnort in Süddeutschland aus.
Im Rahmen eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung kam es im August 2007 zu einem umfassenden Beendigungsvergleich. In Ziffer 6 dieses Vergleichs verpflichtete sich der Arbeitgeber, ein qualifiziertes Zwischenzeugnis sowie bei Beendigung auf Grundlage dieses Zwischenzeugnisses ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen.
Das Zwischenzeugnis wurde umgehend erteilt. Der Kläger war jedoch mit dem Inhalt des Zeugnisses nicht einverstanden und übermittelte einen leicht geänderten Zeugnistext. Noch kurz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2007 setzte der Klägervertreter dem Arbeitgeber eine Nachfrist bis 16. August 2007 und forderte gleichzeitig die Übersendung der Arbeitspapiere an. Das Endzeugnis erwähnte er nicht.
Zwischenzeitlich hatte sich der Arbeitnehmer beworben. Ein potentieller neuer Arbeitgeber bekundete Interesse an der Bewerbung und lud ihn mit Schreiben vom 17. August 2007 zu einem Bewerbungsgespräch am 24. August 2007 ein. Im Anschluss an dieses Gespräch wurde der Arbeitnehmer mit Schreiben vom 31. August 2007 zu einem erneuten Gespräch am 6. September 2007 eingeladen. In diesem Zusammenhang forderte der potentielle neue Arbeitgeber den Kläger auf, unbedingt zu diesem Termin sein letztes Arbeitszeugnis mitzubringen. Bislang wurde lediglich ein Zwischenzeugnis ausgehändigt. Der Kläger nahm das Gespräch am 6. September 2007 wahr, hatte jedoch kein Endzeugnis.
Der beklagte Arbeitgeber wusste von diesen Bewerbungsgesprächen und Einstellungsmöglichkeiten des Klägers nichts. Am 25. September 2007 wurde das Endzeugnis übermittelt. Bereits einen Tag vor Übermittlung des Endzeugnisses sagte der potentielle neue Arbeitgeber dem Kläger ab. Das Absageschreiben hatte unter anderem folgenden Wortlaut:
„Da Sie uns die gewünschten Unterlagen nicht aushändigen konnten und wir uns sehr kurzfristig entscheiden mussten, wurden Sie doch nicht in unserem Unternehmen angestellt.“
In einem weiteren Schreiben wurde von diesem potentiellen neuen Arbeitgeber mitgeteilt, er habe den Verdacht gehabt, das Ausscheiden des Klägers bei seinem vormaligen Arbeitgeber habe andere als die ihm bekannten Gründe gehabt.
Der Arbeitnehmer hat Schadensersatzansprüche geltend gemacht in Höhe der Differenz des möglichen Gehalts bei dem potentiellen neuen Arbeitgeber und dem bezogenen Arbeitslosengeld.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.
I. Holschuld
Grundsätzlich sind Arbeitspapiere wie das Arbeitszeugnis vom Arbeitnehmer abzuholen. Es handelt sich also um eine Holschuld. Der Arbeitgeber ist insoweit verpflichtet, das Zeugnis zu erstellen und zur Abholung bereitzustellen. Aber: Der Arbeitgeber hat das Zeugnis dem Arbeitnehmer zu übersenden, wenn die Abholung dem Arbeitnehmer einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde. Im vorliegenden Fall arbeitete der Kläger von Süddeutschland aus für ein Unternehmen in Schleswig-Holstein. Damit bestand eine Versendungspflicht des Arbeitgebers.
II. Fälligkeit des Zeugnisses
Das Zeugnis ist grundsätzlich „bei Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses zu erteilen. Der Anspruch entsteht zu diesem Zeitpunkt und ist regelmäßig sogleich fällig. Eine verspätete Erteilung des Zeugnisses löst Verzug aus und der Arbeitgeber haftet nach den allgemeinen Vorschriften. Die verspätete Erteilung eines Arbeitszeugnisses kann daher durchaus Schadensersatzansprüche auslösen.
III. Angemessene Bearbeitungszeit
Dem Arbeitgeber ist allerdings nach herrschender Meinung eine angemessene Bearbeitungszeit einzuräumen. Diese ist von den betrieblichen Umständen abhängig. Selbst eine Bearbeitungszeit von zwei bis drei Wochen nach Vertragsende kann aber im Einzelfall noch angemessen sein. Diese Bearbeitungszeit wurde vorliegend eingehalten.
IV. Pflichtverletzung
Unabhängig von der noch angemessenen Bearbeitungszeit bedarf es für die Bejahung eines Schadensersatzanspruches einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers und der notwendigen Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Eintritt des Schadens. Auch hieran mangelte es im vorliegenden Fall. Dem Arbeitgeber war die Verpflichtung des Arbeitnehmers, im Vorstellungsgespräch am 6. September 2007 das Endzeugnis mitbringen zu müssen, nicht bekannt. Der Arbeitnehmer hätte seinen alten Arbeitgeber hierauf hinweisen müssen. Dies hat er nicht getan. Unabhängig davon kann es auch dahingestellt bleiben, ob das Zeugnis nun drei Wochen oder knapp vier Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugegangen ist und ob jedenfalls dieser Zeitraum verspätet war. Die Verspätung war jedenfalls nicht mehr kausal für die Absage des potentiellen Arbeitgebers. Denn zum Zeitpunkt der Absage befand sich der Arbeitgeber noch nicht in Verzug. Schließlich war dem Arbeitnehmer auch ein erhebliches Mitverschulden entgegenzuhalten, das nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein sogar die Schadensersatzpflicht gänzlich ausschloss.
Fazit:
Zeugnisse müssen zeitnah zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilt werden. Die verspätete Erteilung kann Schadensersatzansprüche auslösen. Hierzu sind aber vom Arbeitnehmer alle Umstände im Einzelnen nachzuweisen und zu beweisen. Diese Pflicht bezieht sich nicht nur auf die Pflichtverletzung und auf die Kausalität, sondern auch auf die Höhe des eingetretenen Schadens. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein macht deutlich, dass die Anforderungen sehr hoch und nur schwer zu erfüllen sind.
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